Die nächsten Tage nach der Bestätigung des Transfers, welche den Arabern von Al Nassr eine Ablöse von knapp 9 Millionen € einbrachte, verlief zügig, man wollte mich so schnell wie möglich in Istanbul haben, am besten gleich für das Vorbereitungsturnier, welches schon in 5 Tagen, am 6. Juli starten würde. Ich packte das nötigste ein, Ioana würde sich um alles kümmern, sagte sie mir, mit dem restlichen Gepäck nachkommen. Bereits am 2. Juli wurde ich der Mannschaft vorgestellt, unter anderen gab es das Wiedersehen mit Burak Yilmaz, aber auch Kevin Großkreutz, Halil Altintop, Wesley Sneijder, Lukas Podolski und der zweite Neuzugang neben mir, waren Namen, die man international einfach kannte. Eine gewisse Anspannung war mir nicht abzustreiten, als mich Coach Denizli der Mannschaft vorstellte, und ich mich neben Alexandre Pato zur Schau stellen ließ. Ich war vor einigen Jahren ein großer Fan des Brasilianers, als er seine Glanzzeit beim AC Milan hatte, zuletzt war es ruhig gewesen um ihn und ich hätte nicht sagen können, wo er derzeit sein Geld verdient. Für mich schien ein Traum in Erfüllung zu gehen, einmal mit Alexandre Pato in einer Mannschaft zu spielen, dazu Burak Yilmaz, der sich von Beginn an um mich kümmerte, damit ich mich so schnell wie möglich eingewöhnen würde. Ich hätte ehrlich nicht damit gerechnet, dass ich schon für das Vorbereitungsturnier mitgenommen werden würde, aber da es keine Kaderbeschränkung gab, reiste ich kurzerhand mit dem Team nach Italien zum European Community Shield. Dort würden wir in der Gruppen auf Bayer 04 Leverkusen, ZSKA Moskau und Marseille, kurioserweise zwei von einigen Teams, die ebenfalls an einer Verpflichtung von mir interessiert waren.
Für mich zählte nun jede Minute, natürlich ist es anfangs immer schwierig, sich in ein neues Team zu integrieren, die Spielweise zu verstehen, sich diese anzueignen und den Mitspielern die eigene mitzuteilen, denn ein Stürmer lebt auch davon, wie gut die Flügelspieler und Kreativspieler im Mittelfeld die Wege des Kameraden verstehen. Ich gab deshalb im Training Vollgas, opferte mich auf und war mir auch für keinen Weg zurück zu schade. Während einem intensiven Trainingsspiel ging ich dann einmal zu motiviert in einen Zweikampf und traf dabei neben dem Ball auch Lukas Podolski, der wie von der Hummel gestochen aufsprang und mich zurechtstutzte:
'Sach ma', jeht's dir noch jut, Mann?' Ich hob sofort die Hand, um mich zu entschuldigen, doch davon wollte Podolski erstmal gar nichts wissen. Bevor ich von ihm einen Beginnerkurs in kölschem Dialekt bekommen konnte, ging Burak Yilmaz dazwischen und schlichtete, ehe wir uns in die Haare kriegen konnten. Ich hielt mich die restliche Zeit ein wenig zurück gegen Podolski, der an diesem Nachmittag wohl nicht bester Laune schien, eigentlich hatte ich ihn anders in Erinnerung.
Am nächsten Tag hieß es früh aufstehen, schon früh mussten wir mit dem Flugzeug nach Mailand fliegen, das Team reiste geschlossen im Privatjet. Noch vor dem Einchecken kam Lukas Podolski auf mich zu und entschuldigte sich für die rüde Art von gestern, er hatte einfach einen miesen Tag und wüsse schon, dass ich das nicht absichtlich gemacht habe. Ich unterhielt mich im Flugzeug länger mit ihm und Burak Yilmaz, der mir auch einige türkische Worte beibrachte, um mit meinen Gegenspielern zu kommunizieren, wo ich den Ball gerne hätte. Ich verriet Burak Yilmaz auch die einzige drei Worte, die ich bisher auf türkisch wusste, nämlich 'Rüştü donu düştü' was ich gerade in einem etwas stilleren Moment los ließ und sich die ganze Mannschaft darüber zerkugelte. Auch der Trainer, den ich bisher nie lachen sah, kriegte sich kaum mehr ein. Der Flug verging wie im Flug, was für ein Satz, den musste ich mir glatt unter meine lustigen Notizen aufschreiben, wir landeten gegen Mittag in Mailand und bezogen unser Quartier. Nach dem Mittagessen ging es an ein lockeres Aufwärmtraining, am Abend gab es noch eine weitere Einheit.
Galatasaray Istanbul 2:0 Olympique Marseille
1:0 Yilmaz 5.
2:0 Yilmaz 40.
Am nächsten Abend stand dann schon das erste Gruppenspiel an, wir begannen gegen Olympique Marseille. Zu meiner Überraschung durfte ich gleich von Beginn an der Seite von Burak Yilmaz ran. Und wir erwischten im ehrwürdigen San Siro einen perfekten Start, denn nach nur 5 Minuten setzte sich Burak Yilmaz nach einem Eckball wuchtig durch und köpfte uns in Führung. Marseille war aber nur kurz geschockt und hatte kurz darauf eine gute Chance, aber der Schuss von Batshuayi ging knapp am langen Eck vorbei. Es war ein sehr intensives Duell, das Tempo hoch, was mich in den ersten Minuten doch mehr forderte, als ich dachte. Zweimal versuchte ich, mit einem Dribbling durchzukommen, blieb aber meist recht einfach hängen. Unser Coach forderte uns von außen auf, mehr über die Seiten zu kommen, doch immer wieder suchten wir, nachdem über den Flügel kaum ein Ball durchkam, den Weg durch die Mitte, wo die Räume eng waren. Marseille verteidigte geschickt, hatte offensiv aber nur wenig Gefahr entgegenzubringen. Kurz vor der Pause gelang uns dann ein Konter nach Lehrbuch. Einen Bal aus der Defensive von Semih Kaya übernahm ich und machte mich auf den Weg. Zwar konnte mich Mendy einholen, aber auf der anderen Seite war Burak Yilmaz mitgelaufen und ich bediente ihn perfekt, das 2:0 ließ er sich nicht nehmen. Nach 50 Minuten war das Spiel für mich zu Ende, ich wurde für Pato ausgetauscht, ich war nicht unzufrieden mit meiner Leistung, war mir aber auch bewusst, dass ich mich steigern musste, um mir einen Platz in der Startelf zu sichern. Der Brasilianer zeigte einige gute Versuche, im Abschluss war das aber noch ausbaufähig, letztendlich blieb es beim 2:0 Sieg.
ZSKA Moskau 0:3 Galatasaray Istanbul
Eine große Enttäuschung war die zweite Partie, denn diese wurde nicht mal erst angepfiffen. ZSKA meldete wenige Stunden vor Spielbeginn, dass sie nicht genug Spieler fit bekommen würden, um für das Spiel antreten zu können und so fuhren wir kampflos einen Dreier ein, wirklich gut für die Stimmung war das wahrlich nicht, jeder wollte hier spielen.
Galatasaray Istanbul 0:1 Bayer 04 Leverkusen
0:1 Kießling 24.
Podolski verschießt Elfer (76.)
Rot: Großkreutz 79. (GAL)
Galatasaray Istanbul 3:1 AC Florenz
1:0 Inan 14.
2:0 Inan 50.
3:0 Yilmaz 69.
3:1 Rossi 84.
Kaum zu glauben, aber im Halbfinale dieses Bewerbes erfüllte ich mir meinen zweiten Traum innerhalb weniger Wochen, einmal mit, oder gegen Ciprian Tătăruşanu zu spielen. Da wir, trotz der Niederlage gegen Leverkusen Platz 1 erreichen konnten, durften wir im Halbfinale gegen Florenz ran, die sich hinter Inter Mailand auf Platz 2 das Halbfinale gesichert hatten. Für mich war es nach der Absage gegen ZSKA und nachdem ich gegen Leverkusen nicht eingesetzt wurde, ein Spiel, auf das ich besonders heiß war. Ein besonderer Moment war das Händeschütteln mit meinem Namensvetter, im Spiel ließ ich mir dann nichts anmerken und lieferte gleich einen guten Pass auf Selcuk Inan, der aber knapp verzog. Nur 3 Minuten später machte er es nach Traumpass von Podolski besser und traf nach 14 Minuten zur überraschenden Führung. Der Gegner war bisher die bessere Mannschaft, hinten hatten wir aber bisher alles unter Kontrolle. Erst in der 30. Minute wurde es gefährlich, als Giuseppe Rossi zu viel Platz hatte, abziehen konnte und das Leder rechts an die Latte knallte, da hätte unser Keeper das Nachsehen gehabt. Nach der Pause kamen wir wieder besser in die Anfangsphase hinein und nach gerade einmal 5 Minuten spielte ich einen Zuckerpass in den freien Raum auf Selcuk Inan, der schnürte seinen Doppelpack und erhöhte auf 2:0. Florenz war perplex, ließ sich kurz hängen, was mir eine Riesenchance brachte, aber im Auge-um-Auge Duell Tătăruşanu gegen Tătăruşanu hatte der Schlussmann der Italiener mit seinen Fäusten einen winzigen Vorsprung gegenüber meinem versuchten Kopfball und konnte so die Chance vernichten. Nach etwas mehr als einer Stunde war für mich wieder Schluss, Alexandre Pato ersetzte mich wieder, der Brasilianer blieb diesmal aber blass, dagegen konnte Burak Yilmaz in der 69. Minuten auf 3:0 erhöhen, die Vorentscheidung. In den letzten 10 Minuten drehte Florenz nochmals groß auf, brachte unsere Abwehr ins Schwimmen, aber im Kollektiv ließen wir nur noch das 3:1 durch Rossi zu und sicherten und den Einzug ins Finale.
Galatasaray Istanbul 2:2 (6:5 n.E.) Inter Mailand
1:0 Tatarusanu 15.
2:0 Inan 41.
2:1 Icardi 71.
2:2 Icardi 76.
Im Finale stand uns dann Inter Mailand gegenüber. Die Italiener sicherten sich erst im Elfmeterschießen gegen Leverkusen den Einzug und durften vor heimischem Publikum ran, doch kurioserweise hatte uns die FIFA das Heimrecht zugesprochen. Für Inter keine ungewohnte Situation, das kannte man aus Derbys auswärts gegen den AC Mailand, dennoch war es ungewohnt. Eine Vielzahl von türkischen Fans verwandelten die Arena in einen Hexenkessel, die Stimmung war eines Finales würdig. Die ersten 15 Minuten konnte man sich getrost schenken, das war so etwas, was die Fußballexperten 'Abtastphase' nannten. Doch danach ging es direkt zur Sache. Ich bekam den Ball auf der linken Seite perfekt von Selcuk Inan serviert, fackelte nicht lange und zog ins kurze Eck ab, TOOORR! Mein erster Treffer für Gala, ein schöner Moment. Inter blieb viel schuldig, konnte sich kaum gefährlich in Szene setzen und sah auch in der 41. Minute nicht gut aus, als Selcuk Inan durch die Abwehr tanzte und auf 2:0 stellte. Nach einer guten Stunde brachen dann die Wechsel an, mein Auftritt dauerte diesmal 67 Minuten, auch Inter wechselte durch, brachte unter anderem spät Mauro Icardi. Und der Argentinier ließ gleich seine ganze Klasse aufblitzen, plötzlich war Inter um zwei Klassen besser, glich innerhalb von 5 Minuten auf 2:2 aus durch einen Doppelpack des Jokers, am Ende mussten wir mächtig zittern, doch wir schafften es, das Resultat über die Zeit zu retten. Also ging es ins Elferschießen, für Inter schon das zweite Mal, dadurch hatten sie einen kleinen Vorteil. Von den ersten 5 Schüssen trafen auf beiden Seiten ebenso viele, lediglich bei Großkreutz war es knapp und Icardi versenkte seinen, gewollt oder nicht, per Unterkante der Latte. Danach war Lukas Podolski dran, ein gewissen unangenehmes Gefühl war bei den Kollegen, die sich an der Mittellinie an den Schultern nahmen, zu spüren und auch ich drückte beide Daumen und ballte die Fäuste, als Poldi seinen Elfer zwar im Tormanneck versenkte, aber der Ball für Handanovic nicht zu erreichen war. Dann war Gary Medel an der Reihe, kurzer Anlauf, links nach unten, Muslera erriet die Ecke, aber der Schuss des Chilenen ging vorbei, wir alle stürmten das Spielfeld, hatten soeben Inter Mailand geschlagen und auch wenn es nur ein Vorbereitungsturnier war, dieser Erfolg war für unser Selbstvertrauen sehr gut!
Lesezeichen