Zitat:
Wie AKW-Staaten reagieren
15. März 2011
CHINA Ungeachtet der Katastrophe hat der Volkskongress gestern mit dem Fünf-Jahres-Plan einen massiven Ausbau der Kernkraft beschlossen. Bis 2015 soll der Bau von weiteren 40 Gigawatt starten. Im Moment gibt es 13 Reaktoren mit einer Kapazität von 10,8 Gigawatt. Bis 2020 sollen diese verachtfacht werden. 25 Kernreaktoren sind zurzeit im Bau, weitere 50 in Planung.
USA In seiner TV-Rede im Januar hatte US-Präsident Obama für eine „Renaissance“ der Atomenergie plädiert. Jetzt fordern Kritiker ein Umdenken, Obama lehnt eine Kehrwende ab. 23 der 104 Meiler, die 20 Prozent des Stroms erzeugen, sind Fukushima-Modelle. Dazu die Angst: In Kalifornien stehen zwei Kraftwerke am San-Andreas-Graben. Seit Harrisburg gab es keinen Neubau mehr.
FRANKREICH Die Diskussion ist erwacht, Proteste formieren sich. Immerhin gibt es 58 Reaktoren in 19 AKW, die 80 Prozent des Strombedarfs decken. In Frage stellen will sie die Regierung nicht. Die Meiler seien sicher, würden alle zehn Jahre überholt. Das gelte auch für den mit 34 Jahren ältesten in Fessenheim an der deutschen Grenze.
RUSSLAND Bis 2030 sollen 26 Reaktoren gebaut werden, der Atomstrom-Anteil von 16 Prozent auf 33 Prozent wachsen. „Wir werden unsere Pläne nicht ändern, aber natürlich unsere Schlüsse daraus ziehen, was im Moment in Japan passiert“, so Premier Putin gestern. Als nächstes soll bei Kaliningrad mit Siemens-Hilfe ein AKW entstehen. Russland baut zudem u.a. in Indien, China und im Iran Meiler.
SCHWEIZ Die Regierung setzt die Pläne zur Bewilligung neuer Atomkraftwerke vorerst aus. Bei den fünf in den 70ern gebauten Kernkraftwerken gibt es eine vorzeitige Sicherheitsüberprüfung. Gegebenenfalls solle es neue oder schärfere Sicherheitsstandards geben.
INDIEN Premier Singh ordnete gestern die sofortige Überprüfung der
Sicherheitssysteme der AKW an. Davon sind alle 20 Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 4,78 Gigawatt betroffen. Dennoch ist ein Ausbau der Leistung auf 63 Gigawatt bis 2032 geplant.
SPANIEN „Wir sollten uns bei den Entscheidungen über die Nutzung der Kernenergie nicht von besonderen Vorkommnissen leiten lassen“, warnt Wirtschaftsministerin Salgado vor übereilten Schritten. Die Atomkraftwerke stellen etwa ein Fünftel des Energieaufkommens.
POLEN Die Regierung hält am geplanten Atomeinstieg fest. Polen sei kein erdbebengefährdetes Land, sagte Premier Tusk. Er sprach sich für „radikale Sicherheit“ beim Projekt aus. „Wir dürfen aber nicht übertreiben.“ Der Bau des ersten AKW soll 2016 beginnen. Bis 2030 sollen zwei AKW eine Gesamtleistung von 6000 Megawatt liefern.
TÜRKEI Energieminister Yildiz hat gestern die Baupläne verteidigt und den Einsatz neuester Technologie versprochen. Im Süden sollen bis 2020 vier Reaktorblöcke mit 4800 Megawatt entstehen – in einem von Erdbeben gefährdeten Gebiet. Pikant: Für den Bau des zweiten AKW in Sinop verhandeln die Türkein zurzeit mit Japanern.
TSCHECHIEN Die Sicherheit des umstrittenen Meilers Temelin wird nicht neu bewertet. Das AKW könne ein Erdbeben von 5,5 auf der Richterskala überstehen, hieß es gestern. Das AKW – Leistung 2000 Megawatt – soll bis 2025 um zwei Blöcke ergänzt werden. Im zweiten AKW Dukovany liefern vier Reaktoren mehr als 1800 Megawatt.
ITALIEN Abschied nach Tschernobyl, Wiedereinstiegsbeschluss 2009 – jetzt fordern Opposition und Verbände den Stopp der Rückkehr. 2013 soll der Bau des ersten Europäischen Druckwasserreaktors starten. Die Standorte der 13 Meiler sind offen. Italien ist erdbebengefährdet, wie sich 2009 in den Abruzzen mit 300 Toten zeigte.
FINNLAND Die Notfallpläne der Atomkraftwerke kommen auf den Prüfstand. Vier Atommeiler sind in Betrieb, ein fünfter befindet sich im Bau. Erst 2010 wurde der Bau von zwei weiteren Kraftwerken gebilligt.
SCHWEDEN Premier Reinfeldt hält an der Entscheidung von 2010 fest, wonach es im Falle der Stilllegung von einem der zehn Reaktoren, die 50 Prozent des Stroms erzeugen, Neubauten geben darf. „Wir müssen feststellen, dass es Sicherheitsrisiken gibt und wir daraus lernen müssen“, sagte er aktuell. Auch ein Endlager ist geplant.
BULGARIEN Um der EU 2007 beitreten zu können, schaltete Bulgarien im AKW Kosloduj vier veraltete Reaktoren ab. Ein zweites Kraftwerk in Belene soll mit zwei 1000-Megawatt-Blöcken gebaut werden – gegen Proteste. Das Gebiet an der Donau ist erdbebengefährdet.
Quelle: