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Das Schärfste zum Schluss
Er gewann das härteste Duell des Jahres - doch am Ende war Lewis Hamilton ein tragischer Verlierer: Der McLaren-Pilot fiel durch eine nachträgliche Zeitstrafe auf Platz drei zurück. Noch schlimmer erwischte es Kimi Räikkönen, der sein bestes Rennen seit langem fuhr.
Ein sportliches Drama lässt oft nur den Betroffenen wirklich leiden. Klar, der Zuschauer hat Mitgefühl, und vom profitierenden Konkurrenten gibt es tröstende Worte, vielleicht ein Schulterklopfen im Vorbeigehen, schon ist es vergessen. Nicht so für den Betroffenen, in diesem Fall Kimi Räikkönen. Er wird länger leiden. Immer wieder nachdenken über mögliche Fehler, sich pausenlos fragen, was wäre geschehen wenn. Die Chancen auf die Titelverteidigung scheinen nun endgültig dahin, in der WM-Wertung klafft auf Sieger Lewis Hamilton nach dem Großen Preis von Belgien schon ein Loch von 19 Punkten.
Ein Umstand, der dem sonst so kühlen und vermeintlich emotionsarmen Finnen sogar die Tränen in die Augen trieb, als er zurück in die Boxengasse kam. Nicht im siegreichen Ferrari, sondern zu Fuß. Sein Bolide stand fahruntüchtig an der Mauer, die das Ende symbolisierte für ein Rennen des Weltmeisters, das er so stark begonnen hatte.
Bereits in Runde zwei konnte Räikkönen die Führung übernehmen, gestartet von Platz vier. Er vermochte sich zwar nie weiter abzusetzen als sechs Sekunden, kam aber auch nicht ernsthaft in Bedrängnis. Die sportliche Auferstehung des 28-Jährigen nach acht Rennen ohne Sieg schien möglich. Es wäre die passende Strecke für dieses Märchen gewesen, schließlich hatte er die vergangenen drei Rennen in Belgien für sich entschieden. Doch das Happy End war ihm nicht vergönnt. Es kam der Regen, es folgte das Drama. "Ich habe gesagt, bitte, bitte, Regen komm. Und dann hat der Himmel seine Schleusen geöffnet. Da hab ich gedacht, wenn Kimi jetzt einen Fehler macht, habe ich noch eine Chance", erzählte ein strahlender Hamilton nach der Zielankunft. Da ahnte er noch nicht, dass die Rennkommissare ihm eine Zeitstrafe wegen Abkürzens aufbrummen würden - der Sieg war verloren.
Doch von dieser Entscheidung, die umstritten, aber nachvollziehbar ist, profitierte nicht Räikkönen, sondern vielmehr dessen Teamkollege Felipe Massa. Der Brasilianer hatte in den drei spektakulären Schlussrunden wesentlich ruhiger agiert und sich auf der nassen Fahrbahn mit Platz zwei zufrieden gegeben. Durch das Pech Hamiltons wurde er nun zum Sieger ernannt, sogar BMW-Pilot Nick Heidfeld rückte noch am Briten vorbei auf Platz zwei.
Und Räikkönen? Der Titelverteidiger hatte sich ein packendes Duell mit Hamilton geliefert. Dabei wirkte seine Fahrweise plötzlich ungewöhnlich heißblütig, er schien für seine Titelhoffnungen unbedingt den totalen Erfolg zu wollen. Zu seinem Unglück hatte er die 750 PS samt dem komplizierten Drumherum aber nicht mehr richtig unter Kontrolle - seine Hoffnungen endeten auf Trockenreifen im belgischen Regen.
Den ersten Dreher auf glitschiger Strecke konnte der Finne noch abfangen und seinen Ferrari auf der Strecke halten, wenn auch sehr unsicher, wie Hamilton aus seiner Cockpitperspektive beschrieb: "Er ist ständig hin- und hergerutscht." Nur wenige Kurven später drehte sich Räikkönen erneut, schlitterte über die Strecke und endete in der Mauer. Hamiltons leicht unfaire, aber in dieser extremen Situation nachvollziehbare, Reaktion über Funk lautete: "Das ist es, wovon ich geredet habe."
Norbert Haug beschrieb die ereignisreichen Kilometer später noch ganz euphorisiert: "Ich habe schon viel erlebt", so der Mercedes-Sportchef, "aber das war das Schärfste." Umso größer war die Enttäuschung nach dem Urteil der Funktionäre: "Wir verstehen die Argumentation nicht. Die Situation war nicht siegentscheidend", klagte Haug. McLaren legte kurz darauf Protest gegen die Entscheidung ein. Deutlich bessere Stimmung herrschte bei BMW-Pilot Nick Heidfeld. Der 31-Jährige zeigte sich gut gelaunt wie lange nicht mehr, lächelte fortwährend, ballte die Faust. Nach schwierigen Wochen es ein wichtiger Erfolg für ihn, seine Chancen auf eine Weiterbeschäftigung bei BMW dürften steigen.
"Die Entscheidung kam zwischen Fahrer, Renningenieur und Rennstratege zustande", beschrieb BMW-Motorsportdirektor Mario Theisen den entscheidenden Moment - und meinte den Wechsel Heidfelds auf Regenreifen, nur rund 14 Kilometer vor Rennende. "Bei einer solchen Entscheidung bist du der Held oder der Depp", so Heidfeld, "aber heute hat es gepasst und natürlich hat mir die Schlussphase besonders viel Spaß gemacht."
Quelle:spiegel.de
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