Bis zum Pflichtspielauftakt trainierte ich fleißig und lernte langsam die italienische Mentalität kennen. Einige Jungs aus der ersten Elf trafen sich regelmäßig zum Pasta kochen. Stürmer Nicola Citro fragte mich eines Abends nach dem Training, ob ich nicht Lust hätte, mal mitzkommen. Und so fuhr ich bei Nicola im schicken BMW mit zu ihm nach Hause, wo schon Gennaro (Scognamiglio), Davide (Raffaello) und Antonio (Barilla) warteten. Ich verstand am Abend zwar nur Bruchteile von dem, was erzählt wurde, trotzdem versuchten die Jungs mich immer wieder in ihren Gesprächen einzubinden und brachten mir noch einige Wörter aus dem kulinarischen Milieu bei. Ich fühlte mich pudelwohl und Nicola brachte mich nach fast 4 Stunden toller Unterhaltung zurück in mein Quartier.

Dort war es natürlich alles andere als schön. Zwar hatten wir sieben nun unser eigenes großes Zimmer mit Feldbetten bekommen, sämtliche hygienische Anlagen und Küche mussten wir uns jedoch mit tausend anderen Flüchtlingen teilen. Einer der Verwaltungsdirektoren der Flüchtlingsunterkunft hatte von meinem Aufstieg als Profi gehört und versprach mir Tag für Tag, bald was anderes für mich und meine Familie zu finden. Bisher jedoch aussichtslos! Die Flüchtlingssituation in Europa war weiter angespannt.

Beim Training und Zusammensein mit den Mannschaftskollegen konnte ich meine Sorgen jedoch schnell vergessen und so freute ich mich ungemein auf das erste Pflichtspiel der Saison. Und nicht dur deshalb war es was Besonderes für mich, es ging zudem noch aufs italienische Festland. Im Rahmen des italienischen Pokalwettbewerbs Coppa Italia mussten wir zum FC Bologna reisen. Einem Klub aus der ersten Liga! Na holla...





Aufstellung:
Nicolas - Fazio, Scognamiglio, Perticone, Rizzato - Ciaramitaro, Eramo, Barilla - Coronado - Montalto, Citro (77. Ferhay)

Nach anderthalb Stunden Flug kamen wir schließlich im norditalienischen Bologna an. Vor dem Stadio Renato Dall'Ara blieb ich erstmal mit offenem Mund stehen - solch große Stadien habe ich bisher noch niemals im echten Leben gesehen. Umso faszinierender war der Anblick für mich. Einige Jungs mussten schmunzeln, mit knapp 40.000 Zuschauern Fassungsvermögen gehörte das Stadion in Bologna nicht wirklich zu den größten Stadien Italiens - dennoch war es ein lang ersehnter Moment für mich!

Wie zu erwarten, nahm ich erstmal nur auf der Bank Platz. Das war wohl auch besser so - anstatt mich auf das Spiel zu konzentrieren, musste ich mich immer wieder umschauen und staunte nicht schlecht, als Bengalolichter im Block der Gastgeber gezündet wurden. Tolle Atmosphäre! Das Spiel selber verlief mehr als gut für uns. Wir waren zwar als klarer Außenseiter angereist, konnten im ersten Durchgang jedoch absolut mithalten und ließen kaum Torchancen zu. Auf der anderen Seite hatte Nicola Citro sogar die dicke Chance auf die Führung (38.), verfehlte das Tor jedoch knapp.

Im zweiten Durchgang klappte es dann aber: Citro nahm einen langen Ball von Eramo schön mit und vollendete aus 15 Metern zur 1:0-Führung. Riesenjubel auf unserer Bank, Davide Raffaello, der neben mir saß, fiel mir in die Arme. Und in der Folgezeit tat sich der Favorit weiter schwer, während wir hinten kompakt verteidigten. Die Fans ließen ihrer schlechten Laune freien Lauf, pfiffen, schmähten und sangen voller Imbrunst. Auf derUhr waren noch dreizehn Minuten zu spielen, als mich plötzlich unser Assistenztrainer vom Warmmachen zur Bank rief.

"Ali, du gehst jetzt rein!"
, sagte er mir. Mein Herz pochte immer doller, als ich mir die Trainingsjacke auszog, meine Stutzen richtete und mich bereit für den Einsatz machte. Cosmi erklärte mir mit Händen und Füßen, dass ich dafür sorgen sollte, den Ball zu halten und Zeit von der Uhr zu nehmen. Nicola kam angerannt, klatschte ab - und schon stand ich in meinem ersten Profispiel auf italienischem Rasen.

Alles, was ab da geschehen ist, passierte wie Trance, wie ein Film, der einfach so abgefahren ist, ohne dass ich Einfluss darauf gehabt hätte. Ich hatte das Gefühl, meine Beine bewegten sich von ganz alleine... es sollte ein unvergessener erster Einsatz werden!