'Brauchen sie noch etwas Sir?' riss mich die Stimme der Kellnerin aus meinen Gedanken.
'Einen Tequi...... ein Wasser bitte!' entgenete ich ihr, ohne aufzublicken, der Blick auf meine Uhr ließ mich erschrecken. Selten war ich so nervös, dabei erwartete ich nicht allzu viel, obwohl ich gedanklich darauf vorbereitet war, dass die nachfolgenden Szenen womöglich nicht öffentlichkeitstauglich sein würden. 20:47 Uhr, noch eine knappe Viertelstunde bis Ioana kommen würde, so hoffte ich es zumindest, denn das letzte was ich von Adrian gehört hatte, war, dass er sich nicht erreichen konnte, ihr jedoch eine Nachricht geschrieben hatte. Um 21 Uhr sollte sie mich also hier treffen, unter dem Vorwand, Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können, eigentlich der perfekte Plan. Ich nippte Schluck für Schluck an meinem Wasser, wischte mir die Schweißperlen aus dem Gesicht und atmete tief durch, als die Uhr auf 21 Uhr sprang. Mein Blick fokussierte sich auf den Eingang des Restaurants, nicht einmal ein Topmodel hätte diesen momentan auf sich ziehen können. Ich vergaß komplett die Zeit, als ich wie dämonisiert nur auf diesen einen imaginären Punkt in der Türe starrte und merkte nicht, dass die Kellnerin erneut neben mir stand und mich fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich bestellte noch ein Wasser und da mir meine Augen brennten, lehnte ich mich etwas zurück und konnte an der Uhr auf der Wand sehen, dass es bereits knapp vor 22 Uhr ist. Enttäuscht leerte ich das Glas Wasser in einem Schluck, legte einen Zwanziger auf den Tisch und verschwand in der verregneten Nacht.
Frühmorgens wurde ich aus dem Schlaf gerissen, als mein Telefon klingelte.
'Jaaaa?' hauchte ich verschlafen in mein Handy.
'Sorin, komm runter, schnell, es gibt ein Problem, es geht um Ioana!' sagte Adrian hektisch und hatte mich. Wacher, als hätte ich gerade 5 Kaffee getrunken sprang ich aus dem Bett, zog mich an und sprintete hinunter, wo ich an Adrian's Blick erkennen konnte, dass etwas anscheinend nicht stimmte.
'Was ist los, was ist mit Ioana?' 'Sorin, etwas stimmt nicht, ich habe sie seit gestern nicht mehr erreicht, dabei war ausgemacht, dass sie die Kinder heute um 8 Uhr nimmt, jetzt ist es fast 10, das ist einfach nicht ihre Art, nichts zu sagen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen!' Er packte mich bei den Schultern und ich konnte seine Verzweiflung sehen.
'Wie war eigentlich euer Treffen gestern?' hakte er nach, bevor ich überlegen konnte, was ich sagen konnte.
'Sie ist nicht gekommen, ich habe bis knapp vor 10 Uhr gewartet, dann bin ich gegangen, ich hätte wirklich gedacht, dass sie.....'
Adrian glitt die Lade hinunter, seine Verzweiflung wich blankem Entsetzen.
'Sorin, da stimmt was nicht, glaube mir, als ich vor etwa einer Woche mit ihr telefoniert habe und ihr gesagt habe, dass du mir geschrieben hast, da konnte ich durch das Telefon hören, dass sie dich am liebsten bestiegen hätte. Ich sollte dir das nicht sagen, aber ich denke, das weißt du ohnehin.' Ich staunte, nach dem letzten Abend hatte ich andere Vermutungen, doch anscheinend war Sorin niemand, den man so einfach vergisst, anscheinend habe ich doch nicht alles falsch gemacht.
'Was machen wir jetzt?' fragte mich Adrian, doch ich wusste es auch nicht.
'Komm mit,' fiel mir als einziges ein und ich zog ihn in mein Hotel,
'wir machen uns schlau!'
Ich klickte mich durch verschiedene Seiten im Internet, aber ich konnte nicht wirklich das finden, wonach wir suchten.
'Wer ist der Typ und wie gefährlich ist der?' fragte ich Adrian frei heraus.
'Ich weiß es nicht genau, Sorin, aber scheinbar hat der schon viel Macht hier und Einschüchtern, das kann der sehr gut. Schon selbst erlebt und das war eigentlich nichts.' 'Nichts' 'Ja, als ich ihr das gesagt habe am Telefon, dass sie sich um ihre Kinder kümmern soll, weil ich keine Vollzeitnanny bin, keine 10 Minuten später standen 2 Muskelprotze vor meiner Tür und machten mir klar, dass ich so nicht zu reden habe. Zum Glück halbwegs friedlich, aber die Botschaft war unmissverständlich!' Ich schluckte. Was man in diversen Artikeln über diesen Thompson liest, schien so gar nicht zu den Eindrücken zu passen, die mir Adrian gerade vermittelt hat.
'Denkst du sie ist glücklich, so, wie es momentan ist?' erwischte ich mich in einem Moment der Schwäche.
'Nein, ganz sicher nicht, Sorin, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie von dem Typ auch genug hat. Ich weiß es nicht hundertprozentig, aber ich bin mir ziemlich sicher.' 'Gut, dann lass sie uns finden und im richtigen Moment hauen wir ab von hier!'
Ich verbrachte die nächsten Stunden damit, nach Ioana zu suchen, während Adrian wieder zu den Zwillingen ging und auf sie aufpasste. Aber ich hatte keinen Erfolg, dreimal sah ich diesen Thompson, aber sie war nicht in seiner Nähe. Auch wenn ich es nicht wusste, ich hatte kein gutes Gefühl, ich ahnte, dass der Typ entweder etwas verheimlichte oder einfach nur gewaltig Dreck am Stecken hat. Ich folgte ihm mit Abstand in einem Taxi und als wir kurz vor dem Krankenhaus stoppten schienen sich meine schlimmsten Befürchtungen zu bewahrheiten. Ich wartete ab, was nun passierte, und keine 10 Minuten später kam er wieder hinaus, sichtlich wütend und raste mit quietschenden Reifen davon.
'Was zum Teufel war das eben?' nuschelte ich vor mich hin, was konnte den so wütend gemacht haben? Ich stieg aus dem Taxi und betrat das Spital. Ich versuchte mich unbemerkt durch die Gänge zu tasten und das gelang mir auch für kurze Zeit, da es relativ voll war.
'Entschuldigen sie Sir, kann ich ihnen helfen?' fragte mich ein Mann mit einem weißen Kittel, vermutlich einer der Ärzte.
'Wo finde ich bitte Ioana Ghancea?' Der Arzt machte einen kurzen Blick in seine Unterlagen, verneinte dann jedoch meine Frage.
'Entschuldige, Ioana Thompson, wie dumm von mir,' probierte ich es erneut. Wieder einen kurzen Blick später schien sie der Arzt in seiner Liste gefunden zu haben, denn er fragte mich, ob ich mit der Person verwandt bin.
'Ist sie hier, ich muss sie sehen, es ist wichtig, bitte!' versuchte ich es weiter, doch der Arzt breitete seine Arme aus und drängte mich Richtung Ausgang, dabei wiederholte er immer wieder nur die Worte
'Nur Familienangehörige!' Als ich mich umdrehte und gehen wollte, rief er mir nach, dass er die Polizei rufen würde, sollte er noch einen Thompson hier sehen. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht, doch anstatt mich auf unnötige und wohl ergebnislose Diskussionen mit dem Arzt einzulassen, rief ich Adrian an und gab ihm die Adresse durch, es dauerte keine halbe Stunde, da war er hier.
Ich versuchte ihn etwas zu beruhigen, bevor wir erneut in das Spital gehen würden und hoffentlich klären konnten, was hier vor sich ging. Doch keine paar Meter kam ich weit, da wartete schon der gleiche Arzt, der wortlos zum Telefon griff.
'Bitte hören sie zu, ich bin keiner von den Thompsons, mein Name ist Sorin Alin Tătărușanu, ich bin ihr Ex-Freund, aber das hier ist ihr Bruder Adrian, wir wollen nur wissen, wie es ihr geht, was passiert ist! Wir machen keinen Ärger, wir haben nur große Sorgen.' Der Arzt musterte uns, doch er glaubte uns und schüttelte uns die Hände. Wir könnten momentan nicht zu ihr, da sie noch im Aufwachraum liegt. Er erzählte uns die ganze Geschichte, dass Ioana gestern Abend eingeliefert wurde von Thompson, mit blutenden Wunden im Gesicht und einem Jochbeinbruch, der Arzt glaube den Aussagen des Ehemanns nicht und vermutet, dass er sie so zugerichtet hat, daher und weil bereits vier seiner 'Armee' hier gewesen wären, erteilte er das Betretungsverbot. Ich wurde blass und wütend zugleich, sollte das stimmen, schwor ich mir, mich zu rächen, aber zugleich wurde mir auch klar, dass mit dem Typen scheinbar wirklich nicht zu spaßen ist.
Die Minuten vergingen wie Stunden, als wir auf das Zeichen der Ärzte warteten, endlich zu ihr zu dürfen. Was hatte ihr dieser Bastard angetan und warum? Plante sie wegzulaufen? Fragen über Fragen quälten mich, als ich monologisierend den Sekundenzeiger ticken sah und in diesem Moment die Türe endlich aufging.
'Mr. Adrian Ga...Gea.....GGGanja?' 'Ghancea!' verbesserte er sie, ich bewunderte, wie er in diesem Moment so ruhig bleiben konnte, auch wenn der Name für Ausländer nicht immer leicht auszusprechen war, mit 'Ganja' angesprochen zu werden, ist wohl in gewissen Situationen von großem Nachteil. Sie deutete uns mitzukommen und führte uns vorbei an restlos überfüllten Zimmern in die hinterste Ecke des Flurs. Sie deutete uns, einzutreten und mich durchfuhr ein Schauer, als ich Ioana da halb bandagiert und mit Narben und blauen Flecken im Gesicht liegen sah.
'Sorin.' konnte ich sie leise hauchen hören und auch wenn es ihr zu schmerzen schien, aber sie lächelte. Ich näherte mich ihr langsam, nachdem ich den ersten Schock verdaut hatte und setzte mich auf den Stuhl neben ihr. Sie griff nach meiner Hand und umklammerte sie, Tränen rollten ihre Wange hinab und immer wieder wiederholte sie die Worte
'hol mich bitte hier raus!'
Ich saß mit Adrian noch lange an ihrem Bett und sie erzählte uns, welche Hölle sie in den letzten Wochen durchlebt hatte. Thompson sei nach der Heirat ein komplett anderer Mann geworden, kontroll- und rachsüchtig und aggressiv. Sie bestätigte die Vermutungen des Arztes, dass er es gewesen sei, der sie so zugerichtet hatte, als sie nach einem Streit die Wohnung verlassen hatte. Er sei ihr nachgelaufen und habe sie krankenhausreif geprügelt. Ich wurde wieder wütend und murmelte vor mich hin, dass ich den Typ fertig machen würde, aber Ioana drückte meine Hand und bat mich inständig, es nicht zu tun, ich wüsste nicht, worauf ich mich einlassen würde und er sei wirklich unberechenbar, verrückt und wohl auch gefährlich. Dass ihm die geschmierte Polizei in seinem Viertel wohl auch nichts anhaben konnte, machte die Sache nicht besser. So fassten wir an diesem Abend den Entschluss, so schnell wie möglich von hier abzuhauen, vermutlich ging es Ioana morgen besser, sie schien nur von der Narkose mitgenommen und müde zu sein. Kurze Zeit später war die Zeit auch zu Ende und wir mussten gehen. Ioana hielt mich am Arm zurück und ich wollte sie zum Abschied umarmen, doch sie hob ihren Kopf und küsste mich.
'Ich habe dich nicht vergessen Sorin, niemals, bitte versprich mir, dass ihr mich hier rausholt, wir bekommen das schon irgendwie hin!' Ich nickte, morgen Abend war die wohl wichtigste Nacht für unsere Zukunft!
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