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Ich merkte sofort, dass etwas nicht stimmte, auf dem Boden lag eine zertrümmerte Flasche, zudem war von Adrian keine Spur zu sehen. Da ich eine Vermutung hatte, jedoch subtil vorgehen wollte, fragte ich nach, wo Adrian sei. Ioana deutete mich zu sich her, klatsche auf den Platz neben ihr auf der Coach und brach in meinen Armen in Tränen aus. Schluchzend erzählte sie, dass Adrian vor etwa einer Stunde weggefahren sei, ihr Nachbar hätte angerufen, als er in der Früh nach Ioana's Mutter sehen gegangen wäre, saß diese mit geschlossenen Augen in ihrem Schaukelstuhl, rührte sich nicht und reagierte auch nicht auf Berührungen. Ich hielt meine Freundin eng an mir, versuchte sie zu trösten, auch wenn ich wusste, dass das in dem Moment niemandem gelingen würde. Ich wollte in diesem Moment einfach nur für sie da sein.
Wir saßen noch lange in den alten Haus, warteten darauf, dass sich Adrian meldete, kurz vor 12 Uhr rief er dann an, leider hatte er die wie erwartet schlechten Nachrichten. Der Arzt meinte, dass der Todeszeitpunkt in etwa gegen 4 Uhr nachts sein müsste, sie sei eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht, sie hätte nicht leiden müssen. Zwar war das nur ein schwacher Trost, doch immerhin war es kein schmerzhafter, qualvoller Tod. Selbst wenn man von den Ärzten auf den möglichen Zeitpunkt vorbereitet wird, sobald es soweit ist, brich um einen herum dennoch eine Welt zusammen, man fühlt sich, als würde man den Boden unter den Füßen verlieren. Ist es dann noch die eigene Mutter, kann man kaum beschreiben, wie sich Ioana nun fühlt. Sie reichte mir das Telefon, weil sie nicht mehr konnte, auf dem Sofa zusammensackte und alle Emotionen herausließ. Ich hielt sie mit meiner rechten Hand fest, streichelte ihr durchs Haar, während ich das Telefon mit der linken Schulter an mein Ohr hielt. Adrian wirkte gefasst, meinte, er würde sich um alles kümmern und ich sollte nur für Ioana da sein. Ich versprach ihm, mich um Ioana zu kümmern und er solle sich melden, falls er Hilfe benötige, egal in welcher Hinsicht.
Die freien Tage waren vorbei und Mitte Jänner stand das erste Ligaspiel nach der Winterpause in der Liga an. Da nur einen Tag später das Begräbnis von Ioana's Mutter in Timisoara anstand, ersuchte ich um einen kurzen Sonderurlaub, der mir von Verein auch genehmigt wurde. Währenddessen leitete unser bisheriger Co-Trainer Orhan Atik interimistisch den Verein, doch Galatasaray suchte intensiv nach einem Nachfolger. Angeblich galten Fatih Terim, als auch Tayfun Korkut als heißeste Nachfolger. Doch damit wollte ich mich erst nach dem Begräbnis beschäftigen. Ioana hatte sich in den letzten 2 Wochen zum Glück mit anderen Dingen soweit abgelenkt, dass der erste Schmerz vorbei war, doch das Begräbnis wühlte wieder alle Erinnerungen hoch. Mir war zugegebenermaßen unwohl zu Mute. Zwar konnte ich das Rennen und den Gewinn des Nismo Skyline geheim halten, ich erklärte Ioana, dass Bogdan sie gewonnen hätte und ich sei lediglich kurz draußen gewesen, um mir sie einmal kurz anzusehen. Ich wollte nicht, dass sie meinen Ausrutscher mit dem Tod ihrer Mutter kombinierte und da ich wohl dasselbe mit dem Nissan Skyline machen würde, schenkte ich meinen roten Traumflitzer Bogdan. Auch Adrian und Becali waren auf der Beerdigung, ich sah dabei immer wieder zu meinem ehemaligen Big Boss hinüber und bemerkte, dass er mich genau musterte und immer wieder böse anblickte. Doch ich ignorierte ihn, im Wissen, dass es wohl oder über nicht bei Blicken bleiben würde, doch ich hoffte, dass er wenigstens den Anstand hatte, sich zu benehmen in diesen schwierigen Tagen für Ioana. Knappe 2 Stunden später ging es dann in einen nahegelegenen Saal, wo die Verwandten allerlei Art Gebäck und Süßspeisen zubereitet hatte und man sich in düsterer Stimmung unterhielt. Zu meinem Glück suchte Becali nicht den Kontakt mit mir, er drückte lediglich Adrian und Ioana sein Beleid auf, was diese recht emotionslos zur Kenntnis nahmen.
Wie ich später erfuhr, konnten wir gegen Kasimpasa einen 1:0 Auswärtssieg durch einen Treffer von Yildirim feiern, ich hatte mich im Vorfeld gar nicht mit dem Spiel beschäftigt und nahm es danach auch nur nebenbei zur Kenntnis. In wenigen Tagen musste ich aber wieder voll im Geschehen mit dabei sein, ich kannte sie zwar nur kurz, doch auch an mir ging das ganze nicht spurlos vorüber.
19.Spieltag, Süper Lig:
Kasimpasa 0:1 Galatasaray
0:1 Yildirim 78.
20.Spieltag, Süper Lig:
Galatasaray 1:0 Gaziantepspor
1:0 Tătărușanu 3.
Es war das erste Spiel für mich nach der Winterpause und ich begann direkt von Beginn an. Unser Team war nach dem knappen Sieg bei Kasimpasa im Aufwind, das konnte man auch deutlich spüren, als Burak Yilmaz in der 3. Minute mit einem schönen Solo für die erste gefährliche Aktion sorgte, genau zum richtigen Zeitpunkt auf mich spielte, ich drang in den Strafraum ein und wartete auf den richtigen Moment, als sie die Lücke zwischen zwei Verteidiger auftat und zog ab. Der Ball schlug im langen Eck ein, ich jubelte kurz, konnte aber nicht wirklich ausgelasse feiern, wenn zuhause meine Freundin trauerte. Die weiteren Minuten gestalteten sich sehr einseitig, wir waren das klar bessere und spielbestimmende Team, doch an der Chancenauswertung gab es heute einiges auszusetzen. So ließen Selcuk Inan, Burak, aber auch ich, Riesenchancen aus, was sich in der 53. Minute beinahe gerächt hätte, als Demir am Strafraum auftauchte, jedoch zum Glück mit seinem Schuss verzog. In der 65. Minute kam Pato für Burak, ich durfte dieses Mal also durchspielen. Der Brasilianer hatte seine gute Form vor der Winterpause aber verloren, konnte kaum Akzente setzen, weshalb die Minuten heruntertickten, ohne dass noch etwas passierte und wir somit zum zweiten Mal in Folge 1:0 gewannen.
21.Spieltag, Süper Lig:
Konyaspor 0:3 Galatasaray
0:1 Colak 27.
0:2 Inan 60.
0:3 Altintop 80.
Gelb-Rot: Tătărușanu 74. (GALA)
Eine Woche später gingen wir auswärts gegen Nachzügler Konyaspor als klarer Favorit in die Partie, alles andere als ein Sieg wäre eine herbe Enttäuschung. Es dauerte eine Zeit lang, bis wir uns durch die dicht gestaffelte Abwehr des Außenseiters spielen konnten, in der 25. Minute war es Alexandre Pato, der heute an meiner Seite begann, der eine Riesenchance kläglich vergab. Kurz darauf leistete sich Konya's letzter Mann aber einen haarsträubenden Schnitzer, spielte den Ball genau in die Beine des attackierenden Emre Colak und der ließ sich diese Chance nicht nehmen und brachte uns in Führung. Kurz vor der Pause wäre dann beinahe eine Unachtsamkeit von uns bestraft worden, aber Lionel Carole rückte geistengegenwärtig schnell aus der Defensive und aktivierte die Abseitsfalle. Auch in der zweiten Halbzeit offenbarte sich unsere spielerische Schwäche, gegen die tiefstehenden Gegner half oftmals nur Kampf oder rohe Gewalt, so auch in der 60. Minute, als sich Selcuk Inan aus gut 25 Metern ein Herz fasste, abzog und den Torhüter bezwang. Leider frühzeitig ging das Spiel dann für mich zu Ende, nach einem unnötigen Ballverlust von Pato im Angriff, versuchte ich den Konter mit einem Sliding Tackle zu unterbinden, kam aber zu spät und senste meinen Gegenspieler um. Da ich in der ersten Hälfte bereits gelb gesehen hatte, wusste ich, was nun kam, ich wischte mir mit meinem Trikot den Schweiß von der Stirn und ging in Richtung Kabine. In der 80. Minute erzielte Hamit Altintop noch aus einem Konter den 3:0 Endstand, weshalb wir in der Tabelle 2 Punkte auf Trabzonspor und Fenerbahce gutmachen, die sich im direkten Duell mit einem Unentschieden trennten.
22.Spieltag, Süper Lig:
Galatasaray 3:0 Bursaspor
1:0 Yilmaz 13.
2:0 Yilmaz 38.
3:0 Yilmaz 59.
Das Spiel gegen Bursaspor durfte ich zuhause vor dem Fernseher verfolgen. Aufgrund der gelb-roten Karte war ich heute nicht spielberechtigt und verfolgte die Burak Yilmaz-Show gegen Bursaspor vor dem Fernseher. Zu meinem Glück, wenn man es denn so nennen konnte, zeigte Alexandre Pato wieder keine gute Leistung, wirkte neben dem überragenden Yilmaz wie ein Fremdkörper in unseren Angriffsspiel und konnte zu keinem Zeitpunkt wirklich überzeugen. Nach 50 Minuten wurde er auch ausgetauscht und Lukas Podolski kam. Adrian hatte uns einige persönliche Gegenstände von Ioana's Mutter vorbeigebracht und Ioana sortierte diese nebenbei, es war ihre Art, um ihre Mutter zu trauern, aber mit der Zeit auch loszulassen und sie im Gedanken weiterleben zu lassen. Auch wenn es hart klang, man sagte zu mir damals, als meine Eltern starben, das Leben geht weiter, und man sollte den Menschen eine Zeit geben, um diesen schmerzvollen Verlust zu bewältigen.
23.Spieltag, Süper Lig:
Caykur Rizespor 0:3 Galatasaray
0:1 Yilmaz 39. (E.)
0:2 Podolski 63.
0:3 Yilmaz 78.
Am 23.Spieltag hatte ich meine Sperre abgesessen und durfte gegen Caykur Rizespor wieder von Beginn an ran. Es war das erste Mal seit dem Schicksalsschlag, dass mich Ioana zu einem Auswärtsspiel begleitete, weil sie nicht alleine zuhause sitzen wolle, sondern mit mir mitfiebern wollte. Ich sorgte dafür, dass sie einen Platz in der Nähe unserer Bank bekam, damit sie, sofern ich ausgewechselt wurde, in meiner Nähe war. Nach 45 Minuten einer indirekten Vorlage, ein Kopfball von mir traf einen Verteidiger im Strafraum an der Hand, wodurch es Elfmeter gab, und einem Treffer von Burak Yilmaz wurde ich dann durch Lukas Podolski ersetzt, der sich nach einem schönen Doppelpass mit Burak Yilmaz auch gleich in die Torschützenliste eintragen konnte. Es lief wieder richtig gut, Atik machte einen guten Job und da ich mich mit ihm super verstand, hoffte ich, dass er bis Saisonende weitermachen durfte als Chefcoach. Auch Burak blühte unter ihm erneut auf, er setzte in der 78. Minute mit seinem bereits 17.Saisontreffer den Schlusspunkt unter eine Partie, in die Caykur Rizespor nie wirklich hineinfand und letztendlich ohne Chance verdient verlor. Galatasaray blieb im Wintertransferfenster, das nun auch schon seit einer Woche wieder geschlossen war, ohne Neuverpflichtungen, einzig nennenswert war vielleicht der überraschende Transfer von Rafinha (FC Barcelona) zu Gaziantepspor!
Quelle: Begräbnis
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