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Wir zogen dann nach Genua um. Ich war zwar traumatisiert von den Erlebnissen, schaffte es aber relativ schnell wieder, in die Normalität zurückzukehren. Doch vergessen konnte ich alles nur beim Fußballspielen. Und das tat ich, sooft ich konnte. In der Schule ließ ich zwar etwas nach, doch alle sahen mein Trauma als Grund und ich musste nicht mehr lernen oder Nachhilfe nehmen. Ich musste allerdings zu einer Psychologin, die mit mir das Erlebte aufarbeiten wollte - oder einfach sollte. Wider Erwarten funktionierten diese Gespräche erstaunlich gut, und ich bekam meine Heiterkeit zurück, was besonders meinen Bruder Simone freute. Er war zwei Jahre jünger als ich und war ein bisschen "Papas Liebling", weil er beim Handball geblieben war und dort einer der besten in seiner Jugend war.
Mit sechzehn fragte mich mein Trainer, ob ich Lust hätte, bei einem Probetraining vom FC Genoa mitzumachen, das Zeug dazu hätte ich nämlich. Ich sagte natürlich sofort zu, und tags darauf ging es zur Trainingsanlage Genoas. Erstmal mussten wir warten, weil erst die vierzehn- und fünfzehnjährigen dran waren. Doch dann kam ich. Und ich wollte es ihnen alle zeigen. Ich, Manolo Grigione, ein hoffnungsvolles Talent!
Doch daraus wurde nichts. Ich weiß nicht, was es war; vielleicht die Befehlsschreie des Jugendtrainers, der sich benahm wie ein Offizier, vielleicht auch etwas anderes; auf jeden Fall hatte ich einen Flashback.
Die Entführung, das Klauen, die Schläge.
Alles flimmerte vor meinem inneren Auge vorüber. Wie in Trance führte ich die Übungen aus.
Ich spielte grottenschlecht. Ich stolperte über den Ball, meine eigenen Füße. Nach einer Viertelstunde war es dem Jugendtrainer zu bunt, er schickte mich vom Trainingsplatz. In der Umkleide fing ich an zu heulen.
Mein Trainer kam und versuchte, mich zu trösten. Doch ich hatte das Gefühl, eine einmalige Chance vergeben zu haben. Ich dachte, jetzt wäre es vorbei mit dem Profifußball.
Ich trat erstmal kürzer, auch weil ich mich wieder mehr der Schule zuwenden wollte und ich ein Mädchen kennengelernt hatte, und ging nur noch einmal die Woche ins Training. Ich spielte natürlich auch nicht mehr so oft, und ich merkte, dass der Trainer ein bisschen enttäuscht von mir war. Zum Entscheidungsspiel um den Aufstieg fuhr ich nur zum Zuschauen mit.
Doch dann passierte es. 62. Minute, Andrea verletzt sich. Wir haben bereits unsere zwei Reserveleute eingewechselt. Schnell warf der Trainer mir ein altes ausgeliehenes Paar Schuhe und ein Trikot zu. Schnell wie der Blitz zog ich mich um und wurde eingewechselt.
Und ich machte das Spiel meines Lebens. Ich wollte es allen zeigen. 76. Minute, der Ball kommt zu mir. Ich nehme ihn auf, verlade zwei Gegenspieler, schlage einen Haken und bin durch. Pass in die Mitte, dort muss Federico nur noch einschieben. Toooooooooor! Ausgleich!
Nachspielzeit. Wir machen einen schnellen Angriff. Francesco spielt mir den Ball hoch zu, ich köpfe ihn über die Gegenspieler hinweg steil auf Federico. Der gibt den Ball zurück zu mir, ich tanze den Torwart aus - und TOOOOOOOOR! Das ist der Sieg! Ich habe uns zum Aufstieg geschossen!
Direkt nach dem Spiel sprach mich ein Scout von Sampdoria an, ob ich nicht ein Probetraining absolvieren wolle. Ich fiel ihm fast in die Arme.
Nachher in der Kabine taten mir zwar die Füße wegen der unpassenden Schuhe weh, doch ich war einfach nur glücklich. Ich war überzeugt davon, beim Probetraining gläzen zu würden, und ließ mich von meiner Mannschaft feiern.
Und nun, fast drei Jahre später, sitze ich in meiner Mietwohnung nah am Trainingsgelände. Ich schaue in die vor mir liegende Zeitung und bin stolz.
Quellen:
Logo Sampdoria: wikipedia.de
Logo gazzetta: rscmediagroup.it
Black_Tiger (29.07.2015)
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