Feuer auf dem Dach
Von Katja Auer
Der bayerischen Staatsregierung droht ein ernstes Zerwürfnis: Auf Steuerzahlerkosten hat die Staatskanzlei Studien in Auftrag gegeben, die insbesondere Strategietipps für die CSU enthalten. Unter anderem, wie sie die Liberalen am besten angreifen könnte. Pikantes Detail: Zu diesem Zeitpunkt war die FDP bereits Regierungspartner.


Der Staatsregierung droht ein ernstes Zerwürfnis wegen der von der Staatskanzlei in Auftrag gegebenen Meinungsumfragen. Diese dienten offenbar vor allem der CSU dafür, ihre Wahlkämpfe vorzubereiten. Die Staatskanzlei hatte nach langen Nachfragen der SPD drei sogenannte Resonanzstudien des Hamburger Meinungsforschungsinstituts GMS freigegeben, die SPD hat sie am Mittwoch veröffentlicht.


Die FDP fordert nun die Einberufung des Koalitionsausschusses und "eine lückenlose Aufklärung des Vorgangs" sowie "personelle Konsequenzen". In einem offenen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer kritisieren Wirtschaftsminister Martin Zeil und FDP-Fraktionschef Thomas Hacker am Donnerstag das Gebaren der Staatskanzlei scharf. Dadurch sei "die Grundlage unserer Zusammenarbeit" berührt. Die Staatskanzlei reagierte umgehend und versprach schnelle Antwort auf den Brief ebenso wie die geforderten Unterlagen. "Wenn dann noch Bedarf für die Einberufung des Koalitionsausschusses gesehen wird, findet dieser statt", hieß es knapp.
Ob sich die FDP damit zufriedengibt, ist fraglich. Die Liberalen sind empört. Es sei "nicht Aufgabe einer Regierung, sich auf Staatskosten Empfehlungen für die politische Auseinandersetzung mit einzelnen Parteien geben zu lassen", schreiben Zeil und Hacker. In der jüngsten Studie gaben die Demoskopen der CSU einen pikanten Tipp: Die Fokussierung in der politischen Auseinandersetzung solle auf SPD und Grüne, "eventuell auch die FDP erfolgen". Zu diesem Zeitpunkt regierten die Liberalen in Bayern allerdings schon seit drei Monaten mit. Im Sommer, vor der Bundestagswahl, griff die CSU-Spitze dann wochenlang die FDP heftig an.
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, der die Veröffentlichung erstritten hatte, äußerte den Verdacht, dass es sich bei den Studien um eine verdeckte Parteienfinanzierung handle. 108.000 Euro gab die Staatskanzlei dafür aus. Rinderspacher will die CSU deswegen bei Bundestagspräsident Norbert Lammert anzeigen. Die Staatskanzlei wies den Vorwurf zurück.
Die FDP will auch das schnellstens geklärt wissen, "damit nicht das Ansehen der Staatsregierung insgesamt Schaden nimmt". Sollte sich der Vorwurf bestätigen, müsse die CSU die Kosten erstatten. Außerdem wollen die Liberalen dann einen Verantwortlichen benannt wissen. "Personelle Konsequenzen" seien unvermeidlich.

Häme von der SPD

Rinderspacher legt unterdessen nach. Er will wissen, ob die Untersuchungen im Kabinett diskutiert wurden. "Jetzt versteht man auch besser, warum sich die FDP als Gurkentruppe verhöhnen lassen musste", sagt Rinderspacher. So hatte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt den Koalitionspartner kürzlich bezeichnet. Rinderspacher ahnt jetzt warum: Die CSU-Strategen hielten sich offenbar exakt an den Rat der Demoskopen. Das Klima wurde entsprechend rau.
Die Grünen zeigen Verständnis dafür, dass die FDP nun die Koalitionsfrage stellt. "Was sich die CSU mit ihren verkappten Wahlkampftipps auf Steuerzahlers Kosten geleistet hat, ist der größtmögliche Affront gegen den Koalitionspartner", sagte die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause. Die Liberalen seien von der CSU "regelrecht am Nasenring durch die Manege gezogen worden".
Die bisherigen Rechtfertigungsversuche der Staatskanzlei überzeugen Margarete Bause nicht. "Die CSU hat sich hier ganz offensichtlich in alter Filztradition vom Steuerzahler ihre Parteiarbeit bezahlen lassen", sagte sie. Und das Ganze auch noch dreist vertuscht. Die Grünen hätten selbst schon seit Jahren von der Staatsregierung gefordert, mit Steuergeld bezahlte Untersuchungen zu veröffentlichen. Doch den Grünen ging es wie der SPD - die Staatskanzlei weigerte sich hartnäckig. Man wolle an der "langjährigen Übung" festhalten, solche Umfragen nicht zu veröffentlichen, hieß es.
Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, ist über die Studien kaum verwundert. Das sei "typisch für die bisherige Einstellung der CSU", kritisiert er. Die Christsozialen agierten, als sei "Bayern zum Plündern freigegeben". Seine Mannschaft kommt in den Untersuchungen auch vor. Die CSU solle sich in der Auseinandersetzung auf SPD, Grüne und FDP konzentrieren, "um die Freien Wähler nicht aufzuwerten", heißt es darin.
Und weiter: "Die Freien Wähler werden wegen geringer Themenkompetenz und traditionell fernab von Wahlen wenig wahrgenommen und scheinen bereits einen Teil der bürgerlichen Protestwähler verloren zu haben." Aiwanger spürt, dass die CSU versucht, die Freien Wähler totzuschweigen. "Die ignorieren uns nicht mal, aber schreiben unsere Themen ab", sagt er. "Aber wir werden den Boykott unterlaufen."
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Erstmals seit 2002 wieder Mehrheit für Rot-Grün
Höhenflug für Rot-Grün: In der Sonntagsfrage reicht es für die beiden Parteien erstmals seit acht Jahren zur absoluten Mehrheit. Laut ARD-Deutschlandtrend zieht die SPD zudem mit der CDU gleich. 83 Prozent der Befragten sind unzufrieden mit der Arbeit der schwarz-gelben Koalition.

Köln - Die politische Stimmung in Deutschland kippt: Erstmals seit Oktober 2002 kommen SPD und Grüne zusammen auf 48 Prozent und erreichen damit mehr als die anderen im Bundestag vertretenden Parteien zusammen. Das zeigt der am Donnerstag veröffentlichte ARD-Deutschlandtrend. Für die Sonntagsfrage im Auftrag der "Tagesthemen" hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap von Montag bis Mittwoch 1500 Wahlberechtigte telefonisch befragt.

In der Sonntagsfrage verliert die Union gegenüber dem Vormonat zwei Punkte und kommt auf 31 Prozent. Die SPD kann einen Punkt hinzugewinnen und erreicht ebenfalls 31 Prozent. Dies ist der beste Wert für die SPD seit Juni 2007. Zuletzt lagen die beiden großen Parteien im November 2006 gleichauf. Die FDP kommt unverändert auf fünf Prozent. Die Grünen liegen wie zuvor bei 17 Prozent. Die Linke bleibt bei zehn Prozent. Union und FDP sind mit zusammen 36 Prozent so schwach wie nie zuvor im ARD-Deutschlandtrend. Auf die Frage, ob Deutschland in der gegenwärtigen Situation von einer Unions-geführten Bundesregierung regiert werden sollte, antworten nur 32 Prozent mit Ja. 42 Prozent sprachen sich für eine SPD-geführte Bundesregierung aus. Zugleich zeigten sich 83 Prozent unzufrieden mit der Arbeit der schwarz-gelben Koalition, das ist ein Zuwachs um vier Punkte gegenüber dem Vormonat.

Guttenberg am beliebtesten, Rösler ist Schlusslicht

In der Zufriedenheitsskala der einzelnen Regierungsmitglieder erfährt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die größte Zustimmung (71 Prozent). Dies ist der beste Wert, der je im ARD-Deutschlandtrend für ihn gemessen wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liegt im Mittelfeld (41 Prozent). Vor ihr rangieren Familienministerin Ursula von der Leyen (56 Prozent), Finanzminister Wolfgang Schäuble (53 Prozent), Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (49 Prozent), Innenminister Thomas de Maizière (44 Prozent) sowie Umweltminister Norbert Röttgen (42 Prozent).
Unter den letzten fünf Ministern auf der Beliebtheitsskala befinden sich Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle (22 Prozent), fast gleichauf mit anderen FDP-Ministern. Mit der Arbeit von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sind 23 Prozent der Deutschen zufrieden, 21 Prozent sind es bei Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel. Schlusslicht ist Gesundheitsminister Philipp Rösler, dessen Arbeit nur 18 Prozent der Deutschen als gut bewerten.

Optimismus bei der Wirtschaftslage

Die wirtschaftliche Lage beurteilen die Deutschen so optimistisch wie lange nicht mehr. Eine Mehrheit von 58 Prozent sagt: "Man merkt, dass es mit der Wirtschaft wieder bergauf geht." Exakt die Hälfte der Befragten (50 Prozent) rechnet damit, dass die wirtschaftliche Lage in einem Jahr besser sein wird als heute. Das sind auf der Prozentskala sechs Punkte mehr im Vergleich zu einer vorausgegangenen Umfrage vom November vergangenen Jahres. Etwa ein Drittel (31 Prozent) geht davon aus, dass die wirtschaftliche Lage in einem Jahr etwa gleich sein wird. Nur knapp jeder Fünfte (18 Prozent) rechnet mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage.
Der optimistische Blick auf die Wirtschaftsentwicklung weckt bei vielen Hoffnung auf mehr Geld in der Lohntüte. Mehr als drei Viertel der Deutschen (77 Prozent) sind der Meinung: "Den Unternehmen geht es zwar besser, aber die Beschäftigten merken nichts davon". So finden denn auch 71 Prozent die Forderungen der Gewerkschaften nach Lohnerhöhungen in der nächsten Tarifrunde von mindestens drei Prozent für angemessen.
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