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Vier Verbände: Warum eigentlich?
WBO, WBA, WBC, IBF und zahlreiche weitere Kürzel tummeln sich in der Welt des Boxsports. Die sich dahinter verbergenden Weltverbände küren jeweils in 17 Gewichtsklassen Weltmeister - womit dieser Titel nirgendwo so inflationär verwendet wird wie im Boxen. sportal.de betreibt Ursachenforschung.
Selbst, wenn man die vielen kleinen Verbände, die sich auf der großen Bühne des Boxens tummeln wie Möwen um den Fischtrawler, einmal beiseite lässt, und nur die vier großen Organisationen betrachtet, die von der International Boxing Hall of Fame anerkannt werden, bleibt die unüberschaubare Anzahl von 68 Weltmeistern und 68 Ranglisten, nach denen deren Herausforderer ermittelt werden.
Dass selbst Fachleute da den Überblick so leicht verlieren wie Axel Schulz WM-Kämpfe, liegt auf der Hand. Warum aber gibt es diese chaotische Situation? Und was wird getan, um dem unwürdigen Treiben ein Ende zu bereiten? Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich zunächst ansehen, wie es zu der Spaltung des Profiboxens gekommen ist.
Die Geburtsstunde der Verbände
Bereits in den 1930er Jahren gab es mehr als nur einen Verband, der WM-Kämpfe veranstaltete. Neben der in den USA im Jahre 1921 als ersten Verband gegründeten National Boxing Association (NBA), existierten die New York State Athletic Commission (NYCAC) und die International Boxing Union (IBU). Weltweite Anerkennung genoss allerdings in erster Linie die NBA, deren WM-Kämpfe überall auf dem Globus als offizielle Titelkämpfe akzeptiert wurden.
1962 beschlossen die Funktionäre eine Umbenennung in die heutige Form, der World Boxing Organisation (WBA). Wurde die Organisation ursprünglich gegründet, um einheimischen Boxern eine Bühne zu ermöglichen, sollte nun die weltweite Funktion des Verbandes unterstrichen werden.
Nur ein Jahr später kam es dann aber zur Abspaltung und Gründung des World Boxing Council (WBC). Vertreter aus elf Ländern, darunter hauptsächlich Südamerikanische Staaten, trafen sich in Mexico City, um über eine Neuorientierung des global expandierenden Box-Sports zu entscheiden und sich von dem überwiegend durch US-Promoter kontrollierten Verband zu emanzipieren. Differenzen gegenüber der sportlichen und wirtschaftlichen Ausrichtung der bis dato unangetasteten WBA waren der Auslöser hierfür.
In einer Stellungnahme des Verbands hieß es, dass das Treffen am 14. Februar 1963 in Mexiko die Geburtsstunde der größten, mächtigsten und repräsentativsten Box-Organisation weltweit sei. Das WBC machte es sich offiziell zur Aufgabe, den aus ihrer Sicht zersplitteten Sport wieder zu vereinen. Die Konsequenz daraus war etwas widersprüchlich, indem sie fortan dafür sorgten, dass es mindestens zwei Weltmeister einer Klasse gab.
Neue Verbände, noch mehr Titelträger
Mitte der Siebziger kam es zur Gründung des Verbandes United States Boxing Association (USBA), der ebenfalls aus Vertretern der WBA gegründet wurde. Der Name des Verbandes veriet dabei auch die Intention der Funktionäre, deren Ziel es war, vor allem amerikanischen Boxern eine Plattform zu bieten.
Zum Weltverband wurde die USBA allerdings erst 1983 unter der Führung von Robert W. Lee Sr., der zuvor die Wahl zum WBA-Präsidenten verlor und anschließend zurücktrat, wurde dem Kürzel USBA ein i für international angefügt. Ein Jahr später erfolgte dann die Umbenennung in die heute noch bestehende Form International Boxing Federation (IBF).
Die Inflation an Weltmeistern sowie zahlreicher Titel wie der Interims- oder Interkontinentaltitel war damit aber noch lange nicht beendet. Zur besseren Erschließung des weltweiten Marktes orientierten sich findige Promoter aus Puerto Rico in Richtung Europa, gründeten Ende der 1980er Jahre die World Boxing Organization (WBO) und arbeiteten eng unter anderem mit dem Hamburger Promoter Klaus-Peter Kohl (Universum) zusammen.
Die letztendliche Anerkennung des Verbandes außerhalb der europäischen Grenzen hängt auch sehr stark mit den von Kohl promoteten Boxern Wladimir und Vitali Klitschko zusammen, die beide den Titel der WBO als ersten Weltmeistertitel holten. Bis vor wenigen Jahren galt die WBO lediglich als größter Verband unter den Kleinen.
Die Krönung des Titelwahns erfolgte letztendlich dann aber durch den "Mutterverband" WBA, die in den unterschiedlichen Gewichtsklassen den Titel des Super-Champions einführte. Dieser errang den Status, wenn er neben dem WBA-Titel einen weiteren der konkurrierenden Verbände erlangte. Somit wurde der WBA-Titel wieder frei und der Verband konnte in dem Sinne zwei Weltmeister unter dem Mantel der WBA vereinen.
Noch kein Ende in Sicht
Der eigentliche Grund für die Unübersichtlichkeit liegt also, man hätte es sich denken können, am Geld. Boxen ist ein Profisport, an dem vor allem Boxer und ihre Promoter verdienen. Und die haben kein Interesse daran, lange auf einen WM-Kampf zu warten, und vielleicht niemals ihre Chance auf einen Titelfight zu erhalten. Da Boxer auf Weltniveau meist nicht mehr als zwei oder drei Fights pro Jahr bestreiten können, bieten die Parallelverbände mehr Sportlern und Trainern die Gelegenheit, ihrem Beruf nachzugehen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Gefördert wird dies zudem durch die weltweit operierenden Fernsehanstalten, auf deren Drängen immer neue Kämpfe angesetzt und Titel ausgetragen werden.
So nachvollziehbar das ist, so unbefriedigend kann die Situation für die Fans sein, die oft zweitklassige Kontrahenten im Ring sehen müssen, während Fights zwischen den Besten ihrer Gewichtsklasse wegen Streitigkeiten um die Börse oder andere Details nicht zu Stande kommen.
So waren die letzten großen Kämpfe in den USA wie Manny Pacquiao gegen Óscar De La Hoya oder Roy Jones Jr. gegen Joe Calzaghe, kein Kräftemessen in denen der bessere einen Gürtel mitnahm, sondern Showkämpfe von Boxern deren Karriere-Ende bereits angekündigt wurde (ausgenommen Pacquiao). Nach dem das Schwergewicht (einst die Domäne der US-Profiboxer) mittlerweile von Kämpfern aus dem Osteuropäischen Raum dominiert wird, sind Kämpfe zwischen verdienten Boxern unterschiedlicher Gewichtsklassen im Trend. Immer wieder steigen Boxer für einen Kampf eine oder mehrere Klassen auf oder ab und verdienen dabei oftmals größere Börsen, als bei Titelkämpfen.
Wer rettet den Boxsport?
Versuche, die Zersplitterung des Sports zu überwinden, gibt es durchaus. So erstellen diverse Medien verbandsübergreifende Ranglisten für alle Gewichtsklassen. Das renommierteste dieser Rankings kommt von der amerikanischen Zeitschrift The Ring, die sich selbst unbescheiden als "The Bible of Boxing" bezeichnet. Auch die Onlineseiten BoxRec und Fightnews führen eigene Ranglisten.
Die vielgerühmte Unbestechlichkeit der Redakteure des Ring erhielt allerdings dadurch einen Dämpfer, dass Óscar De La Hoyas Firma Golden Boy Promotions die Zeitschrift inzwischen gekauft hat. Zwar bestreitet De La Hoya, Einfluss auf die Ranglistenerstellung zu nehmen, aber es fällt zumindest auf, dass der Golden Boy-Boxer Manny Pacquiao als Nr. 1 der Pound-for-Pound-Rangliste des Ring geführt wird, während er etwa bei der Konkurrenz von BoxRec nicht unter den Top Ten auftaucht.
Der Boxfan Joe Collins entwickelte Anfang der 90er eine unabhängige Software zur Berechnung einer unabhängigen Weltrangliste, die Independent World Boxing Ratings (IWBR). Es war seine Reaktion auf immer wieder aufkommende Gerüchte um Korruption in den Verbänden durch Promoter, die für eine bessere Einstufung ihrer Schützlinge Dollar-Noten in die Tasche der Ranglistenmacher investierten. Der bislang größte Fall diesbezüglich wurde kurz vor der Jahrtausendwende im Weltverband IBF bekannt, indem auch der wohl bekannteste Promoter Don King involviert gewesen sein soll. Collins machte seine Software dann selbst zu Geld und verkaufte sie an die International Boxing Organization (IBO), die sich dadurch ein bessere internationales Standing erhoffte, jedoch trotz des Titelträgers Wladimir Klitschko kaum Erwähnung erfährt.
Und so wird der Boxsport letztendlich auch in Zukunft nur in seltenen Fällen Vereinigungskämpfe erleben, von einem Titelträger aller Verbände ganz zu schweigen. Die Einschaltquoten für Klitschko-Kämpfe auch gegen sogenanntes Fallobst sind in Deutschland regelmäßig im zweistelligen Millionenbereich, die regulären Ticketpreise für De La Hoya gegen Pacquiao lagen bei bis zu 10.000 US-Dollar pro Karte. Es scheint also, als ob die Vielzahl der Verbände und die unzähligen Kämpfe Woche für Woche, den Reiz des Boxens nicht untergraben - im Gegenteil. Die Promoter haben gemeinsam mit den Fernsehstationen ein Netzwerk geschaffen, dass immer wieder neue Helden hervorbringt und neben dem sich wohl auch keine Parallelwelt installieren lässt.
Quelle: sportal.de
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