BVB macht in der Nachspielzeit aus
dem halbleeren Glas ein halbvolles

Es ist eine Floskel, doch das Spiel in Bremen hat wieder gezeigt: Freud und Leid liegen im Fußball beieinander. Hätte Schiedsrichter Kempter die Partie nach exakt 90 Minuten abgepfiffen, hätten die Borussen wahrscheinlich zwei verlorenen Punkten nachgetrauert. Denn lange Zeit hatte die Mannschaft geführt und bis zum Ausgleichstreffer von Pizarro in der 88. Minute wie der sichere Sieger ausgesehen.


Die beiden Treffer zum 2:3 und 3:3 in der Nachspielzeit änderten zwar nichts an der Punkteverteilung, dafür aber umso mehr an der Sichtweise: Weil Mohamed Zidan mit seinem ersten Treffer im schwarzgelben Trikot dem BVB nun in letzter Sekunde einen Punkte rettete, lagen sich die Spieler nach dem Schlusspfiff in den Armen - 120 Sekunden Nachspielzeit hatten die Perspektive gänzlich verschoben. So jubelte Mats Hummels, dass das Glas "halbvoll", und eben nicht halbleer sei. "Wir haben mehr gekämpft als gespielt, aber sind am Ende mit dem Punkt sehr wohl zufrieden", befand auch Jürgen Klopp.

Tabellensituation:
Durch das Unentschieden hat der BVB zwar in der Tabelle einen Platz verloren und ist nun Siebter (könnte bei einem Schalker Sieg am Sonntag gegen Hamburg noch einen weiteren Platz nach unten rutschen), doch wesentlich wichtiger ist: Mit 13 Punkten gehört Borussia Dortmund weiterhin zur Spitzengruppe der Liga.


Statistik zum Spiel:
Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit der Gastgeber (61% Ballkontakte, 21:12 Torschüsse, 10:3 Ecken und 55% gewonnene Zweikämpfe) nahm der BVB einen Punkt völlig verdient aus Bremen mit. Denn Werder ließ in seinem 1500. Bundesligaspiel erst in der Schlussphase erahnen, warum die Norddeutschen als die Tormaschine der Liga gelten. Zwei Borussen konnte eine Premiere feiern: Innenverteidiger Mats Hummels, in der Jugend übrigens gelernter Stürmer, und Mohamed Zidan erzielten ihre ersten Treffer im Dortmunder Trikot.


Stimmen & Hintergründe:
Dass die Siege gegen Hertha und Udinese kein Strohfeuer waren, hat die Mannschaft beim 3:3 an der Weser bewiesen. Auf die Offensive war mit drei Treffern erneut Verlass. Auch defensiv lieferte der BVB eine überzeugende Vorstellung ab, auch wenn diese Aussage bei drei Gegentoren zunächst paradox klingen mag. Doch über weite Strecken der Partie agierte der BVB sehr geordnet und äußerst sicher in dem neuen 4-3-2-1-System, dem so genannten "Mainzer Tannenbaum", das nach dem Ausfall von Spielmacher Tamas Hajnal in nur eineinhalb Trainingseinheiten eingeübt werden musste. Bremen fand trotz eines Diego und eines Özil praktisch keine Mittel.

Mit kleineren Einschränkungen zeigte sich deshalb auch Jürgen Klopp zufrieden: "In der ersten Halbzeit waren wir etwas zu defensiv, danach haben wir das gar nicht so schlecht gemacht." Ohnehin sind die Gründe für die letzten beiden Gegentreffer wohl eher der Stärke des Gegners, denn der eigenen Schwäche zuzuschreiben. Mats Hummels: "Wir müssen die individuelle Klasse von Claudio Pizarro einfach auch mal anerkennen."

Roman Weidenfeller, der sich nach Bremens Treffer zum 2:2 wegen einer unfairen Attacke beim Unparteiischen beschwert hatte, klopfte nach dem Studium der Fernsehbilder an der Schiedsrichter-Kabine an und entschuldigte sich bei Michael Kempter (25) für sein Versehen. Das Gegentor muss sich Weidenfeller (28) zwar ankreiden lassen. Es hätte allerdings auch schon zwei Minuten früher fallen können, da aber war er noch mit einer Weltklasse-Parade zur Stelle gewesen. Insgesamt wehrte Weidenfeller vier gefährliche Schüsse der Bremer ab.

Moral und Einsatzbereitschaft stimmen beim BVB in der Saison 2008/2009 ohnehin. Erneut wehrte sich das Team erfolgreich gegen einen Rückstand und glaubte selbst nach den beiden Pizarro-Nadelstichen noch an sich und seine Stärken. Kaum verwunderlich, dass die Mannschaft von den ersten acht Saisonspielen nur eines verloren hat - in den letzten fünf Jahren hatte die Borussia zu diesem Zeitpunkt immer mehr Niederlagen auf dem Konto. Hinzu kommt: Der BVB hat bereits fünf Partien gegen Spitzenteams absolviert (Leverkusen, Bayern, Schalke, Stuttgart und jetzt Bremen).

Die Aussichten scheinen also glänzend, zumal mit Berlin am kommenden Sonntag (Anstoß 17.00 Uhr) so etwas wie der Lieblingsgegner der letzten Jahre in den Signal Iduna Park kommt. Auf die leichte Schulter nehmen wird das Spiel aber niemand. Denn wie schnell sich die Sichtweisen im Fußball verändern können, haben die Borussen in Bremen wieder erlebt.

Quelle: bvb.de