Jürgen Klinsmann und der FC Bayern stehen vor dem Super-GAU. Die Meisterschaft ist nach dem 0:1 gegen Schalke 04 wohl dahin, selbst die direkte Qualifikation für die Champions League in Gefahr. Der Zustand der Mannschaft ist alarmierend, die Sorge um die Zukunft des deutschen Vorzeige-Klubs wächst.


Es war der letzte Stich ins Herz der Bayern-Fans.
Manuel Neuer sprintete nach dem Schlusspfiff wie von der Tarantel gestochen zur Eckfahne, direkt auf die Kurve zu, wo auf dem Oberrang die Schalke-Anhänger grölend und singend feierten.
Der S04-Keeper machte einen Satz und rutschte auf dem Hosenboden Richtung Eckstange. Was er dann tat, musste dem Münchner Anhang wie eine bitterböse Retourkutsche vorkommen.
Befürchtung wird Gewissheit
Die Mannschaft des FC Bayern bekam ihre persönliche Abreibung nur wenige Minuten später. Nur eine handvoll Bayern-Spieler wagte sich in die Südkurve zu den treuesten der treuen FCB-Fans und ließ das derbe Pfeifkonzert über sich ergehen, zaghaft, fast ängstlich klatschend. In den Gesichtern der Bayern-Stars zeichnete sich eine Befürchtung ab, die bei den Fans offenbar schon längst Gewissheit geworden ist: Die Meisterschaft scheint verspielt.
Der Schuldige für eine Saison, in der die erfolgsverwöhnten Münchner vielleicht ohne Titel bleiben, ist bereits ausgemacht. Die schallenden "Klinsmann raus"-Rufe gehören inzwischen ja fast schon zum guten Ton dieser Tage in der Allianz Arena.
"Wir ziehen das durch"
Was das Volk ausrief, wollte der Vorstand wieder einmal nicht kommentieren. Wortlos verließen Manager Uli Hoeneß und Vorstands-Boss Karl-Heinz Rummenigge das Stadion. Jürgen Klinsmann hingegen stellte sich den immer bohrenderen Fragen nach seiner Zukunft. "Natürlich ist es nicht schön und es tut ein Stück weh. Ich verstehe die Fans, dass sie Frust schieben. Aber wir ziehen das durch, mit allem, was wir haben", gibt sich "Klinsi" nach wie vor kämpferisch. Aber die Energie scheint selbst dem schwäbischen Optimisten langsam auszugehen.
Der Grund dafür könnte in der Realität auf dem Platz zu finden sein. Denn was seine Mannschaft dort zeigt, gibt aus FCB-Sicht Anlass zu großer Sorge. Sorge, selbst was die inzwischen neu ausgegebene Minimal-Zielsetzung "Direktqualifikation für die Champions League" angeht; aber vor allem Sorge, was die nahe Zukunft des Rekordmeisters betrifft.
Visionen, in der Praxis nicht erkennbar
Das ideenlose Gebolze und planlose Gekicke der Münchner Stars nährt die Zweifel an einer Mannschaft, die über kurz oder lang wieder um Europas Krone mitspielen will - und an einem Trainer, dessen Ideen, Visionen und Pläne auf Work-Sheets und LCD-Monitoren vielleicht gut aussehen mögen, in der Praxis aber nicht erkennbar sind.
"Wir sitzen alle in einem Boot, deswegen hat nicht der Trainer Schuld, sondern die Spieler", verteidigte Philipp Lahm zwar artig seinen Coach. Doch dieses "Boot" hat beängstigend Schlagseite bekommen und droht zu kentern. Sollte die nächste Nagelprobe für Klinsmann am kommenden Samstag gegen Borussia Mönchengladbach ebenfalls daneben gehen - und damit sogar Platz zwei in akute Gefahr geraten - dürfte der Bayern-Coach nicht mehr zu halten sein.
Neuer macht den Kahn
Genauso wie Neuer nach dem Schlusspfiff. Als der U-21-Nationaltorhüter, quasi als Höhepunkt des Abgesangs auf den FC Bayern, die Eckfahne vor den Augen der Schalke-Fans aus seiner Verankerung riss, sich rücklings auf den Rasen legte und in bester Oliver-Kahn-Manier mit der Stange in Händen jubelte - da wurden Erinnerungen wach. Erinnerungen an das Schalker Drama von 2001, als der FC Bayern mit seinem Last-Second-Sieg beim Hamburger SV den Gelsenkirchenern noch den schon sicher geglaubten Titel entrissen und Bayerns Keeper Kahn zu eben jener Aktion hingerissen hatte.
"Das war überhaupt kein Rache-Akt und gegen den FC Bayern gerichtet", betonte Neuer später in der Mixed-Zone. "Aber den Schalke-Fans hat das damals sehr weh getan. Ich stand damals selbst als Fan auf dem Rasen im Parkstadion und musste mir die Tragödie in Hamburg mitansehen."
Eine "Light-Version" der Tragödie fand dieses Mal in München statt. Das wirklich Schlimme für die Bayern-Fans ist aber: Es ist zu befürchten, dass noch weitere Akte folgen werden...
Quelle: Stefan Zürn / Eurosport
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