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Es regnet draußen und ich warte immer noch auf 2 Pakete: Zeit das Hurricane Festival Revue passieren zu lassen.
Hurricane Festival 2016
(Mumford & Sons, AnnenMayKantereit, K.I.Z. ua)
Eichenring Scheeßel
Das Hurricane Festival im niedersächsischen Scheeßel und auch dessen Partnerfestival, das Soithside, sind seit ihren Beginnen für ihr unberechenbares Wetter bekannt. Dieses Jahr übertraf aber alle vorherigen um Längen und wird wohl unter dem Hashtag #hurricaneswimteam in die Festivalgeschichte eingehen. Brokkoli und ich waren zu zweit dort, zusammen mit anderen 13 Mitstreitern aus Berlin und dem Emsland. Nur vier Hauptstädter, uns beide selbstverständlich eingeschlossen, besaßen tatsächlich den Heldenmut bis zum Montagmorgen zu bleiben und erst dann, nass, verschlammt und stinkend, den Heimweg anzutreten.
In der Zwischenzeit waren wir schon lange abgesoffen, weggeweht und ertränkt worden. Brokkoli und ich haben beide schon auf mehreren Festivals gecampt. 2014 war ich nach dem Abi auch schon einmal auf dem Hurricane gewesen und hatte das Wetter schon kennenlernen dürfen. Dieses Jahr aber war unbeschreiblich. Große Teile des Geländes standen knöcheltief unter Wasser, ein Drittel der Zelte und Pavillons waren entweder abgesoffen oder davongeweht worden und nach einer Unterbrechung am Freitag wurden kurzerhand alle Bands und das gesamte Programm für den Samstag abgesagt.
Das Hurricane Festival Team muss sich an diesem Punkt die Kritik gefallen lassen, dass die Informationslage für uns Besucher oft unklar war. War man nicht gerade zufällig auf dem Veranstaltungsgelände, bekam man die gewitterbedingten Evakuierungen oft nicht einmal mit. Der berühmte Spruch: "Am sichersten seid ihr in den Autos!" hatte nur für die Relevanz, die tatsächlich mit dem Auto hergekommen waren. Wir anderen hatten oft keine Ahnung und auch keine Möglichkeit der Informationsbeschaffung. Sämtliche Kommunikation der Betreiber mit den Besuchern lief über die Festivalapp und den eigenen Radiosender. Für beides Voraussetzung: ein funktionierendes SmartPhone oder Radio mit genügend Akkulaufzeit. Beides ist nach drei Tagen Festivalleben schwer zu beschaffen und so wussten wir selten was Sache war. Ob es wieder eine Evakuierung gibt. Ob das Programm unterbrochen wird, ob und wann es weitergeht und ob das Festival, wie das Southside, gar ganz abgesagt wurde.
Wie dem auch sei: wir haben durchgehalten, Gewitter, Sturmflut und einen ganzen Tag Programmunterbrechung überstanden und wurden dann doch noch mit einem wunderschönen Festivalsonntag belohnt.
#hurricaneswimteam #bildermitkatze #willgriggsonfire
Donnerstag:
Swiss & Die Andern
White Stage
Swiss & Die Andern machen antifaschistischen Rap zu Punk. Obwohl ich die Band noch nicht lang kenne, hatte ich durchaus meinen Spaß. Vorher von einem Freund als "zurzeit bundesweit geilste Liveband" angekündigt, blieb Swiss aber hinter den Erwartungen zurück. Was er und sein Essamble abgeliefert haben war gut, wild und schwitzig, es geht aber noch besser. Auch gemessen an Festivalauftritten, kommt Swiss an die Donots beispielsweise noch lange nicht heran. Und so blieben seine bekannteren Stücke wie "Grosse Freiheit" und "Vermisse Dich", wohl die poplastigsten Songs, im Ohr, ansonsten aber nur ein Massensturz beim Moshpit bei dem sich glücklicherweise niemand ernsthaft was tat.
Freitag:
Royal Republic
Green Stage
Royal Republic sind für ihre Geilheit bekannt. Die haben sie auch wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Prinzip gibt es kaum etwas anzumerken. Es war ein schwedisches Rockkonzert in Perfektion.
AnnenMayKantereit
Blue Stage
Nach einer umwetterbedingten Unterbrechung von etwa 3h waren AnnenMayKantereit die erste Band die wir uns wieder angeschaut haben. Blöderweise stand die ganze Zeit so ein besoffener Idiot mit Hang zum Körperkontakt hinter mir, der mir ziemlich auf die Eier gegangen ist. Am Konzert selbst gibt es aber kaum etwas auszusetzen. Neben der Livedarbietung von Henning Mays großartiger Stimme und den einfachen aber gefühlvollen Refrains, zeichnete sich dieser Auftritt vor allem durch seine unkonventionelle Darbietung aus. Man hatte das Gefühl, dass die Jungs, für die die Festivalbühne nach eigenen Angaben die größte ist, auf der sie je gespielt hatten, von ihren eigenen Gefühlen und der Teilnahme des Publikums schlicht überwältigt und zeitweise auch überfordert waren - was sie noch sympatischer macht. Wenn Frontmann Henning May mit belegter Stimme ankündigt "mal eben ein paar Sekunden zu brauchen" bis er weitermachen könne, freut einen das als Teil des Publikums nochmal ganz besonders.
Außerdem hatte man nicht das Gefühl, AnnenMayKantereit würden irgendeinem Masterplan folgen, sondern den Eindruck, sie machten da oben wirklich einfach das worauf sie Bock hatten, inklusive individueller Interpretationen einiger Rockklassiker. Spätestens zu Songs wie "Oft Gefragt", "Pocahontas" oder "Barfuss am Klavier" hatte ich dann auch Gänsehaut. Es war toll!
Feine Sahne Fischfilet
Red Stage
Feine Sahne sind die Band, mit der man vor der Öffnung des Festivalgeländes auch mal einen Pfeffi (oder 2, oder 4, oder mehr) trinken kann und dessen Sänger Monchi wohl zu den engagiertesten und korrektesten Menschen der Musikszene gehört. Einfach sympatisch ist er obendrein noch. So hatten wir die Möglichkeit vor deren Konzert am Nachmittag mit den Jungs bei Schnaps noch einen Schnack zu halten und das obligatorische Fanfoto zu schießen. Schon toll!
Feine Sahne sind und bleiben darüber hinaus für mich die beste deutschsprachige Punkband die man momentan bei einem Liveauftritt erleben kann. Auch diesmal waren sie wieder überragend. Leider behinderte der tiefe Matsch vor der Bühne die totale Eskalation und führte in den ersten Reihen beim Moshen zu vielen, glücklicherweise folgenlosen Stürzen. Trotzdem haben Monchi & Co auch diesmal wieder für ein paar Ausraster und emotionale Momente sorgen können und Brokkoli und ich sind nach einer Stunde mit einer verbogenen Brille und vielen blauen Flecken wieder aus dem Pulk hervorgekrochen.
Trailerpark
Blue Stage
Von Trailerpark haben wir wegen dem zeitgleichen Auftritt von Feine Sahne leider nur das Ende mitbekommen, "Fledermausland" und "Bleib in der Schule" waren aber noch dabei. Die Show von Trailerpark ist erprobt und gekonnt, die geschichtsähnlichen Ansagen wie immer witzig. Vielleicht wären die vier Jungs mit einer Liveband noch besser ... nur mal so angemerkt.
K.I.Z.
Blue Stage
K.I.Z. waren der krönende Abschluss des ersten Festivaltages. Was die vier Berliner an Show abziehen ist spätestens seit dem neuen Album sowieso schwer zu toppen. Die musikalische Darstellung passte haargenau, die meisten großen Hits waren dabei, inklusive dem Livefeature von Henning May für "Hurra, die Welt geht unter!".
Was aber auch in Erinnerung bleibt, ist der derbst asoziale Moshpit hinterm zweiten Wellenbrecher. Moshpits sind natürlich einer körperliche Angelegenheit, bei der man wissen muss, auf was man sich einlässt. Aber auch dafür gibt es bestimmte Regeln und eine grundlegende Fairness. Ellenbogen anlegen, Leuten aufhelfen, Kreis bilden usw. Dieser Moshpit bei K.I.Z. war genau das Gegenteil: irgendwelche Aschlöcher die mit ausgestrecktem Ellenbogen unbeteiligte Leute anspringen und Verletzungen in Kauf nehmen. Selbst als eingefleischter Punkkonzertler bist du irgendwann richtig angepist.
Samstag:
- einen ganzen Tag unwetterbedingte Programmunterbrechung -
Sonntag:
I am Jerry
Blue Stage
Nach einem Tag ohne Musik waren wir unter ironisch strahlendem Sonnenschein schon zum frühstmöglichen Zeitpunkt auf dem Festivalgelände und sind um 12:30 Uhr zu I am Jerry gegangen, einer Nachwuchsband die Brokkoli und ich über die offizielle Hurricane-Playlist auf spotify entdeckt hatten. I am Jerry machen einen sehr poplastigen Indie-Rock. Vergleiche zu anderen Bands seien an diesem Punkt der Bandgeschichte noch erlaubt: die Stimme des Sängers klingt stark nach Bilderbuch, trotz fehlendem Wienerisch. Musikalisch wie textlich kann man wohl Parallelen zu Bands wie Bakkushan oder sogar einer Pop-Version von Kraftklub ziehen. Insgesamt war das ein ordentlicher Auftritt der fünf Jungs aus irgendeinem Dorf am Ende der Welt. Vielleicht können wir ja bald sagen: "Ach, I am Jerry!? Ey, die haben wir schon 2016 gesehen!"
Zugezogen Maskulin
Blue Stage
Zugezogen Maskulin sind einfach stark und haben Fans, die jedes Konzert zu einem Erlebnis machen. Der Zeckenrap der beiden Berliner ist aggressiv, provokant aber auch qualitativ richtig gut. Anders als noch beim PxP im Mai kam diesmal auch richtig Stimmung auf. Die Moshpits bei "Alles Brennt" oder "Oranienplatz" haben hier auch noch mal ein paar Flecken zur Sammlung an meinen Armen beigetragen. War ein geiles Konzert, gerne wieder!
Tom Odell
Blue Stage
Der Kontrast zwischen Zugezogen Maskulin und Tom Odell ist natürlich groß. Außerdem haben wir uns den Briten ohnehin mehr oder weniger deshalb angeschaut, weil danach Wanda auf der selben Bühne spielen würden. Deshalb wäre es auch unfair allzu viel Kritik am berühmten nicht überspringenden Funken zu üben, wenn man eigentlich von Anfang an sich nicht bewegen lassen möchte. Tom Odell war ordentlich, mit einer qualitativ guten Liveband und insgesamt kraftvoller und rockiger als von mir erwartet. Trotzdem gehörten wir wohl einfach nicht zur Zielgruppe und haben uns lieber was zu trinken gehört. "Another Love" war als Hit dank engagierten Publikums aber auch von weit hinten noch beeindruckend.
Wanda
Blue Stage
Wanda gehören nicht zu den Bands die in meiner privaten Musikbibliothek sicherlich sonderlich viel Verwendung finden. Die Österreicher mit dem von mir geliebten Wiener Akzent sind mit ihrer einfach gestrickten Gute Laune Musik sicherlich keine Virtuosen und machen auch keine alltagsbegleitende Musik. Aber live packen Wanda dann ihr ganzes Repertoire aus: zwischen "Amore!", "Meine beiden Schwestern" und "1, 2, 3, 4 - es ist so schön bei dir!" kommt doch sogar noch der ein oder andere musikalisch überzeugende Leckerbissen zum Vorschein. Wanda machen verdammt nochmal Spaß und wollen auch gar nicht mehr. Wenn man das weiß und auf solche Konzerte steht, dann kann man tanzen, singen und schwitzen ohne Ende. Wanda tun das auf jeden Fall und geben alles was sie haben. Und Rauchen. Rauchen gehört zu den Österreichern mindestens genauso dazu wie das Weinerische.
Pussybaby!
The Wombats
Blue Stage
The Wombats, die eigentlich nur Lückenfüller zwischen Wanda und Prinz Pi sein sollten, waren so viel mehr als das. Trotz technischer Probleme war der Auftritt der britischen Indie-Rocker ein echtes Highlight. Ich habe mich geärgert, in deren Musik die schon so sehr lange auf meiner Merkliste steht, mich nicht besser hineingehört zu haben. Aber auch als jemand, der die Songs vorher nicht kannte, waren sie mitreißend und beeindruckend. Vielleicht sehen wir uns in den nächsten Jahren nochmal wieder - dann bin ich besser vorbereitet, versprochen!
Prinz Pi
Red Stage
Tja, so sehr das schmerzt: der Auftritt von Prinz Pi war ziemlich mies. Der Sound war dünn, das Set ziemlich schwach und durcheinander und Stimmung kam auch nicht auf.
Mumford & Sons
Green Stage
Mumford & Sons! Die Briten sind eine der ganz wenigen Bands für die ich eine Reise durch ganz Europa in Kuaf nehmen würde um ein Konzert zu besuchen. Nach ihrem Auftritt als Abschluss für das Hurricane Festival 2016 ist dieses Szenario realistischer denn je. Denn das Konzert war einfach richtig gut. Am Anfang waren wir noch skeptisch und befürchteten noch das Schlimmste: dass das neue Album die bisherige Wucht bei Livekonzerten zerstören, dass die Band vielleicht ganz ohne Banjo und Kontrabass auf die Bühne kommen und nur ihren neuen U2-Sound präsentieren würden. Die Befürchtungen steigerten sich gar noch als die Band den Auftritt nicht pünktlich begann und das Publikum noch eine Weile mehr warten ließ.
Glücklicherweise lagen wir vollkommen falsch! Mumford & Sons haben einen starken Auftritt hingelegt, eine gute Mischung gefunden zwischen dem Sound des 2015er Albums und den alten, sehr viel folklastigeren Stücken. Spätestens beim zweiten gespielten Song "Little Lion Man" hatte ich dann auch eine kleine Freuden-Träne im Auge.
Viel zum Auftritt muss man nicht sagen. Wie schon vorher Royal Republic war er nahe an der Perfektion, mitreißend und einfach schön. Ein würdiger Abschluss für ein durchwachsenes Festival und ein Highlight für lange Zeit.
Geändert von Trotsche (15.07.2016 um 12:08 Uhr)
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