„Mikaelsson?!“ rief mich eine Stimme aus meinen Gedanken.
„Ja?“ fragte ich unsicher nach und hob den Kopf von meinem Laptop. Emma Claire stand in der Tür zu meinem Büro und sah mich mit ernster Mine an.
„Wir haben ein Problem.“ stellte sie schließlich fest und lehnte sich an meinen Schreibtisch.
„Haben wir keine Espressobohnen mehr in der Kaffeemaschine?“ fragte ich.
„Was?“ fragte sie verdattert.
„Oder ist die Kaffeemaschine gar kaputt?“ fragte ich weiter.
„Was?“ fragte sie noch verwirrter. „Nein, es geht um Ismaik.“ stellte sie fest.
„Aber dem Kaffee geht es gut?“ vergewisserte ich mich.
„Hören sie jetzt mal mit dem Kindergarten auf?“ blaffte sie mich an.
„Na gut.“ meinte ich widerwillig. „Also, Ismaik?“ fragte ich nach.
„Sehen sie sich das an.“ meinte Emma nur und schaltete den Fernseher in der Ecke meines Büros ein. Sie zappte durch die Kanäle und blieb auf Sky Sport News HD hängen. Hasan Ismaik, seines Zeichens Vereinsbesitzer ade, hatte sich den News zufolge aller Anschuldigungen gegen ihn entledigen können und eine Beendigung seiner Wettbewerbssperre vom DFB erreicht.
„Er sieht immer noch gut aus.“ meinte ich und überflog die Meldung. Der Arabische Geschäftsmann hatte scheinbar angekündigt, sein Engagement bei seinem 'Herzensverein' 1860 München wieder aufnehmen zu wollen und war wohl wild entschlossen, keine Kosten und Mühen zu scheuen.
„Arschlöcher bleiben attraktiv.“ meinte Emma gelangweilt.
„Heißt das, ich bin attraktiv?“ fragte ich nach.
„Schon davon auszugehen, die Bemerkung wäre an sie gerichtet gewesen, macht sie selbstverliebt und eitel.“ sagte Emma schnippisch.
„Dann könnte die Bemerkung ja doch an mich gerichtet gewesen sein.“ resümierte ich.
„War sie auch.“ meinte sie knapp und grinste.
„Nicht schlecht. Ich bin also auch noch allwissend.“ fügte ich an.
„Und dazu noch arrogant. Ismaik und Sie, sie zwei seid vom gleichen Schlag.“ sagte Emma.
„Das klingt nicht wie ein Kompliment.“ stellte ich fest.
„War es auch nicht.“ antwortete sie platt.
„Und was haben sie vor, zu machen?“ fragte ich. „Oder wollten sie mich nur auf den neuesten Stand bringen, ehe sie den ******* einziehen?“
„Keine Ahnung.“ meinte sie und überging meinen Angriff. „Aber er hat viel Geld. Deutlich mehr als ich. Und einen ziemlichen Hass auf uns beide.“
„Also geben sie sich geschlagen?“ fragte ich irritiert.
„Quatsch.“
„Dann kämpfen wir?“ vergewisserte ich mich.
„Das ist das Problem. Er kann den Kampf ewig hinziehen, er kann Anteile kaufen wann immer sich die Möglichkeit bietet, und irgendwann wird er genug haben um sich wieder reinzudrängen. Und er wird jedes meiner Angebote überbieten können.“ legte sie dar. „Und wenn er erst einmal hier ist, dann werde ich bestenfalls noch im Hintergrund bleiben dürfen und sie sitzen eher auf der Straße, ehe sie 'Kópavogur' sagen können.“ fügte sie an.
„Stimmt auffallend.“ meinte ich nur. „Warte, sie wissen wo ich geboren bin?“ hakte ich nach.
„Natürlich. Zum einen weil ich mich über meine Mitarbeiter informiere, und zum anderen steht es in ihrem Wikipedia-Artikel.“
„Ich bin für sie nur ein Mitarbeiter?“ fragte ich und tat gekränkt.
„Wir haben einmal zusammen was getrunken, bilden sie sich mal nichts darauf ein.“ meinte Emma und ich nickte.
„Akzeptiere ich.“ antwortete ich.
„Sie sind ein Idiot, wissen sie das?“ fragte Emma mich.
„Sie kommen damit nicht zu mir, weil ich ein Idiot bin.“ stellte ich fest und konnte mir eine gewisse Selbstzufriedenheit nicht verkneifen.
„Nein, sondern obwohl sie einer sind.“ antwortete sie.
„Touché.“ sagte ich. „Und jetzt?“
„Es gibt eine Möglichkeit.“ meinte sie schließlich nach einer Pause.
„Und die wäre?“ fragte ich wenig begeistert nach.
„Wenn jemand die Anteile kauft, der mehr Geld hat als Ismaik und der uns wohlgesonnen ist – dann wäre das Problem gelöst.“ führte sie aus.
„Klingt gut.“ antwortete ich. „Und wen gedenken sie zu fragen?“ fragte ich ironisch.
„Ich sagte nicht, dass es einfach würde.“ meinte sie.
„Nur mal angenommen, sie finden tatsächlich jemanden.“ begann ich weiter. „Wie wollen sie es anstellen, dass dieser Jemand sie dann weiter an der Macht lässt?“ fragte ich nach.
„Ich habe einen Plan.“ erwiderte Emma.
„Das bezweifle ich.“
„Doch, tatsächlich.“ widersprach sie. „Wir gliedern die Fußballabteilung aus. Ich behalte die Führungsrolle im fußballerischen Bereich, sie bleiben Trainer und der neue Besitzer leitet den restlichen Verein.“
„Und bevormundet sie.“ ergänzte ich.
„Damit werde ich wohl leben müssen.“ meinte Emma.
„Dann sind sie bereit, sich den Arm abzuhacken, um den Patienten zu retten?“ fragte ich nach.
„Wissen sie was? Sie klingen wie einer von diesen chinesischen Glückskeksen.“ meinte sie spitz. „Aber ja, das wäre ich.“
„Ist doch ein Traum.“ antwortete ich. „Die DFB-Sperre für Ismaik gilt bestenfalls noch bis Saisonende. Sie haben also immerhin knapp zwei Monate Zeit, um jemanden zu finden der die Anteile kauft, Ismaik ausbootet, den ganzen Papierkram erledigt und sich damit zufriedengibt, dass sie im mit Abstand rentabelsten, renommiertesten und öffentlichkeitswirksamsten Bereich die Vormachtstellung behalten.“ fügte ich sarkastisch hinzu. „Und natürlich darf es niemand erfahren, weil Ismaik sie sonst trotzdem überrollen wird.“
„Ich habe wohl keine Wahl.“ antwortete sie. „Denn es ist egal, ob ich kämpfe. Er hat die Mittel, mich finanziell ausbluten zu lassen.“
„Würde mir ja ganz schön stinken, sie zu sein.“ antwortete ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, während ich aufstand. „Wollen sie 'nen Drink?“ fragte ich und schritt durch den Raum.
„Es ist halb zehn Uhr morgens.“
„Na und?“
„Ist das nicht etwas zu früh für harten Alkohol?“ fragte sie nach.
„Hey, es heißt zwar 'kein Bier vor Vier', aber ich kenne keine entsprechende Regel für guten Scotch.“ erwiderte ich. „Also?“ fragte ich und öffnete den Erste-Hilfe-Koffer aus meinem Schrank. Ich sah die Flasche darin an – Dalmore 18, etwas schön mildes zu früher Stunde.
„Sie haben ernsthaft eine Flasche Whisky in ihrem Erste-Hilfe-Koffer?“ fragte Emma und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Natürlich.“ antwortete ich und kam mit der Flasche und zwei Gläsern zurück zum Schreibtisch. „Wieso, reicht eine nicht?“ fragte ich nach.
„Ich sollte sie feuern.“ meinte sie.
„Schon, aber wer hilft ihnen dann, den Arabischen Schleimbeutel wieder loszuwerden?“ fragte ich und schenkte uns beiden etwas ein. „Zumal ich tatsächlich jemanden kennen könnte.“ fügte ich hinzu.
„Sie verarschen mich.“ meinte Emma und nahm ihr Glas zum Anstoßen. Ich nahm einen Schluck, warf mir zur Würze noch eine Oxycodon ein und beobachtete amüsiert, wie Emmas Gesicht die Farbe der Tapete annahm.
„Ganz und gar nicht.“ antwortete ich schließlich und gönnte mir eine kleine Gedankenpause. „Er ist reich, erfolgreich, fußballbegeistert und arrogant genug, um sich darauf einzulassen.“
„Klingt ja verlockend.“ meinte Emma wenig begeistert. „Er muss sie lieben.[/COLOR]“
„Eher nicht, er hasst mich.“ antwortete ich.
„Das ist nicht besonders gut.“
„Ist das beste, was wir haben.“
„Wissen sie, wie sehr es mir die Arbeit erleichtern würde, wenn sie nicht mit jedem ihrer Mitmenschen Probleme hätten?“
„Ich fürchte, ich kann mich da nicht ändern.“
„Ich fürchte auch.“ antwortete Emma entnervt. „Also, erzählen sie mir mehr.“
„Nun, der Mann heißt Ragnar, hat das nicht gerade geringe Vermögen seiner Eltern geerbt, an der Börse verzehnfacht und war jahrelang ein leitender Angestellter bei Breidablík und im isländischen Verband.“ fasste ich zusammen. „Und er wollte mich vor einigen Jahren dort als Nationaltrainer und weil ich etwas unhöflich abgesagt habe, haben sie ihn intern einen Kopf kürzer gemacht und ihm den dann in einem Paket mit nach Hause gegeben.“ fügte ich hinzu und sah in ein verstörtes Gesicht. „Bildlich gesprochen, natürlich.“
„Natürlich.“ meinte Emma und fing sich wieder. „Und jemand der sie hasst, ist unsere beste Option?“
„Er ist vielmehr unsere einzige Option.“ stellte ich richtig. „Ich lasse meine Assistentin ihnen seine Nummer geben, ich fürchte bei mir wird er nicht ran gehen.“
„Danke.“ meinte Emma. „Wie unhöflich waren sie denn?“ fragte sie nach.
„Das wollen sie lieber nicht wissen.“ meinte ich nur.
„Würde es sie denn umbringen, sich zumindest in Gesprächen mit wichtigen Leuten auch nur ansatzweise wie ein Mensch zu verhalten?“ fragte Emma weiter und rollte die Augen.
„Umbringen würde es mich nicht, aber wohlfühlen würde ich mich dabei auch nicht.“ antwortete ich.
„Trotzdem danke.“ meinte Emma nur. „Ich hoffe nur, dass es klappt, denn die wenigsten Leute, die ich kenne, haben genug in der Portokasse, um mal eben einen Verein zu kaufen.“
„Das wird schon klappen.“ meinte ich überheblich. „Ich bin so raffiniert, ich könnte Zucker sein.“ fügte ich an. Emma sah mich entgeistert an. „Was denn?“
„Sie sind ein Idiot.“ stellte sie fest.
„Aber einer mit Stil.“ antwortete ich und hob mein Glas.
„Wie auch immer.“ meinte Emma und stand auf. „Ich werde jetzt gehen, denn ich habe zu arbeiten.“ fügte sie hinzu.
„Viel Glück.“ meinte ich nur. „Und machen sie sich keinen Druck, es hängt nur ihre Zukunft davon ab!“ rief ich ihr noch hinterher und wandte mich wieder meinem Laptop zu – das konnte ja heiter werden.
Quellen: Ismaik, Dalmore |