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Auch Monika Schulz-Strelow, deren Verein „Fidar“ die Frauenquote für Aufsichtsräte in der Privatwirtschaft durchdrückte, ist distanziert: „Sie hat den Weg geebnet, sie hat viel erreicht. Aber heute wird doch sachbezogener diskutiert und nicht so stark polarisiert, wie Schwarzer das immer noch tut,“ sagt sie. Eigentlich habe Schwarzer für sie schon an Integrität verloren, als sie anfing, für die Bildzeitung zu werben.
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Hat Deutschland also überhaupt noch ein "Sexismusproblem"? Sexismus wird definiert als individuelle Einstellungen und Verhaltensweisen oder institutionelle und kulturelle Praktiken, die entweder eine negative Bewertung einer Person aufgrund ihres Geschlechts widerspiegeln oder den ungleichen Status zwischen Frauen und Männern in der Gesellschaft aufrechterhalten.[1]
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All diese Beispiele stellen Ausnahmen der Regel dar – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Das belegen objektive Indikatoren für Geschlechterungleichheit wie das "Gender Empowerment Measure" (GEM, ein Indikator für das Geschlechterverhältnis in Politik und Wirtschaft eines Landes) und der "Gender Inequality Index" (GII, ein Indikator für Geschlechtsunterschiede in Gesundheit, Wohlstand, Bildung, etc.), die jährlich in über 150 Ländern der Welt gemessen werden. [Hervorhebung durch mich] In keinem der untersuchten Länder ist die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern verwirklicht:[2] Obwohl es große Differenzen gibt, sind Frauen in allen Ländern in Positionen unterrepräsentiert, die mit Macht und Status zusammenhängen (beispielsweise Parlamente, Führungspositionen), übernehmen dafür aber überproportional mehr Care-Arbeit (Sorge- und Pflegetätigkeiten) und haben in allen untersuchten Ländern eine geringere Lebensqualität im Vergleich zu Männern. Diese objektiven Indizes der strukturellen Benachteiligung von Frauen schlagen sich auch in individuellen sexistischen Einstellungen nieder: Eine Umfrage des Projekts "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" zeigt, dass im Jahr 2010 immer noch ein Fünftel (20 Prozent) der deutschen Bevölkerung der Aussage zustimmt, "Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen".[3]
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Obwohl Männer in der Regel Modernem und Neosexismus in stärkerem Ausmaß zustimmen als Frauen, stimmt auch ein substanzieller Anteil an Frauen Modernem und Neosexismus zu. Dass auch Frauen Diskriminierung leugnen und sich gegen Maßnahmen für Geschlechtergerechtigkeit aussprechen, wirkt zunächst erstaunlich. Eine Theorie, die beiträgt, diesen Befund zu erklären, ist die der Systemrechtfertigung.[10] Diese besagt, dass Menschen nicht nur die Motivation haben, sich selbst und die Gruppen, denen sie angehören, positiv zu bewerten, sondern auch das übergeordnete System, in dem sie leben. Nach dieser Theorie haben Menschen das allgemeine Bedürfnis, gesellschaftliche Verhältnisse als gerecht und legitim wahrzunehmen. Das bedeutet, dass Menschen an eine gerechte und vorhersagbare Welt glauben möchten, in der jede Person bekommt, was sie verdient.[11] Angewandt auf Modernen und Neosexismus kann die Erkenntnis, dass Frauen immer noch diskriminiert werden, das Individuum in einen unangenehmen, aversiven Zustand versetzen, da diese Erkenntnis impliziert, dass die Welt nicht vorhersagbar ist und eine Frau nicht die vollkommene Kontrolle über ihre Leben hat. Eine Strategie, die auch Frauen anwenden, um diesem aversiven Kontrollverlust zu entgehen, ist, gesellschaftliche Ungerechtigkeit – wie die Benachteiligung von Frauen – zu leugnen oder als individuelles Problem einzelner Frauen zu rechtfertigen. Obwohl eine solche Leugnung für die Frau als Individuum psychologisch nachvollziehbar ist, hat sie zur Folge, dass soziale Veränderung gehemmt wird, weil strukturelle Ungerechtigkeit bestehen bleibt. Verschiedene Forschungsbefunde belegen dies: Zum Beispiel geht Moderner Sexismus mit einer Ablehnung egalitärer Werte und Affirmative-Action-Maßnahmen wie Quotenregelungen einher.[12] Außerdem sind Frauen, die mit Modernem Sexismus konfrontiert werden, weniger interessiert, gegen Geschlechterungleichheit vorzugehen.[13]
Prof. Dr. rer. nat. Julia C. Becker: