Ich saß im Büro und wartete auf einen Anruf. Es war bereits sehr spät – kurz vor Mitternacht um genau zu sein – doch die Kaderplanungen für die Rückrunde hatten sich hingezogen und gerade als ich Feierabend machen und nach Hause gehen wollte, ereilte mich eine Mail von Dreizehn, in der er um ein schnelles Telefonat bat und so wartete ich. Nach schieren Ewigkeiten klingelte dann das Telefon.
„Dreizehn?“ fragte ich.
„Nenn' mich Gott.“
„Hallo, Dreizehn.“ antwortete ich amüsiert.
„Hallo Sigurður, ich – Saia do meu caminho! Você é cego!?“
„Wo steckst du?“ fragte ich.
„Ich bin unterwegs, ich – Não me toque!“
„In einem portugiesischen Bordell?“ fragte ich amüsiert.
„Nein, auf dem Weg zu meinem Hotelzimmer.“ kam es genervt zurück.
„Hotelzimmer – in Portugal?“ fragte ich weiter.
„Nein, Brasilien.“ antwortete er.
„Und wo?“ fragte ich weiter.
„Campinas.“ antwortete er.
„Und was tust du in Campinas? Hast du nicht eigentlich zu arbeiten, oder hast du Urlaub genommen?“ fragte ich sarkastisch.
„Ich arbeite hier.“ stellte Dreizehn genervt fest.
„Wieso arbeitest du bitte in Brasilien?“ fragte ich skeptisch. „Und woran? Leberversagen?“ fragte ich weiter.
„Du verwechselst mich wohl mit dir.“ kam es zurück.
„Also, was wolltest du?“ fragte ich und überging den Seitenhieb.
„Brasilien. Campinas. Was fällt dir als erstes in Bezug auf Fußball ein?“ fragte er provozierend.
„AA Ponte Preta?“ fragte ich misstrauisch.
„Fast richtig.“ antwortete Dreizehn. „Wo hast du früher gearbeitet?“ half er nach.
„RB Leipz – Red Bull Brasil spielt auch dort, oder?“ fragte ich das Offensichtliche.
„Bingo.“ kam es zurück.
„Und daran arbeitest du also, ja?“ fragte ich nach. „Oder war das nur 'ne Randbemerkung zwischen Cachaça und Strand?“
„Nein, ich arbeite wirklich.“ gab Dreizehn noch genervter zurück. „Warte kurz, ich geh' nur mal in mein Hotelzimmer.“ fügte er an und ich hörte im Hintergrund, wie er kurz mit irgendjemandem diskutierte, was ich nutzte, um mir eine Oxy einzuwerfen.
„So, ich bin da.“ meldete sich Dreizehn zurück. „Ist ja echt nicht normal, was in Brasilien Nachmittags abgeht. Selbst heute.“ murmelte er.
„Verrätst du mir jetzt endlich, was du von mir wolltest?“ fragte ich.
„Natürlich doch.“ antwortete Dreizehn. „Du weißt ja sicherlich, dass ich zu deiner Zeit bei Leipzig die Chance genutzt habe, mich selber etwas mir Red Bull auseinanderzusetzen und Kontakte zu knüpfen, oder?“ fragte er mich.
„Ich meine, mich daran zu erinnern.“ antwortete ich.
„Und dann sitze ich wie eine Spinne im Netz und wenn es irgendwo zupft, dann –“
„Ich will nicht wissen, wer dir wo was zupft, bitte.“ unterbrach ich.
„Wenn irgendwo etwas im Red Bull-Imperium passiert, bekomme ich das als Erster mit.“ formulierte er um. „Und deswegen bin ich hier.“
„Etwas detaillierter?“ fragte ich.
„Sagt dir Leonardo Silva Sousa etwas?“ fragte Dreizehn provozierend.
„Nein.“ antwortete ich trocken.
„Dachte ich mir.“ kam es schnippisch zurück. „Spielt bei Red Bull Brasil. 19 Jahre jung, Innenverteidiger.“ fasste Dreizehn zusammen.
„Und weiter?“
„Er ist ein großes Talent, wirklich. Nicht besonders groß für einen Innenverteidiger, aber ein beeindruckender Spielaufbau und seine Sprungkraft entschädigt für seine Größe. Dazu sehr zweikampfstark und technisch auch brasilianische Qualität.“ pries Dreizehn ihn an. „Stell dir einen André Ramalho vor, der Fußball spielen kann.“ meinte er amüsiert.
„Nur, weil der auch bei RB Brasil gespielt hat?“ fragte ich.
„Na ja, und der Spielstil eben. Ich hab' mich seit etwa einem Monat mit ihm beschäftigt und einiges an Videomaterial bekommen. Und ihn die letzten Tage zweimal live gesehen, dazu noch vier Trainingseinheiten angeguckt. Er ist gut.“ führte er weiter aus.
„Und du meinst, wir sollten ihn holen?“ fragte ich. „Wenn er so ein großes Talent ist, wird RB damit eventuell ein Problem haben.“
„Natürlich, Red Bull will ihn halten. Beziehungsweise, Red Bull will ihn nach Europa holen.“ antwortete er.
„Und? Da können wir wenig machen, oder?“ fragte ich.
„Falsch.“ antwortete Dreizehn knapp und mit einem Anflug von Selbstgefälligkeit in der Stimme.
„Weil?“ fragte ich verwundert.
„Er will nicht.“ erklärte Dreizehn. „Luan, Felipe Pires, Lucas Venuto – alle drei sind aus Brasilien nach Europa gewechselt, und keiner ist bei RB glücklich geworden. Luan gurkt bei Liefering rum, Pires und Venuto sind schon weg von RB. Alle vier sind quasi in einem Alter, er hat sich wohl mit ihnen beraten und will lieber irgendwo hin, wo er langfristiger planen kann.“ führte er aus.
„Woher zur Hölle weißt du sowas – ach, ich will es lieber gar nicht wissen.“ unterbrach ich mich selbst.
„Ich gebe nicht umsonst knapp 100.000€ im Jahr für Weihnachtsgeschenke aus, die Leute reden gerne mit mir.“ antwortete er dennoch.
„Du hast also jemanden bestochen.“ stellte ich fest.
„Das ist aber ein unschönes Wort, findest du nicht auch?“ fragte er ironisch. „Jedenfalls, es wird noch besser.“
„Na los, verblüffe mich.“ antwortete ich.
„Er hat eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag stehen. Wechselt er nach Europa, fällt keine Ablöse an.“ erklärte Dreizehn.
„Wie bitte?“ hakte ich nach.
„Ich weiß auch nicht warum, aber es stimmt. Vermutlich, um den Transfer nach Europa stressfreier hinzubekommen.“ antwortete Dreizehn.
„Will ich dabei wissen, woher du das weißt?“ fragte ich nach.
„Nein, ich glaube nicht.“ kam es zurück.
„Dann lasse ich fürs erste die Unschuldsvermutung gelten.“
„Ich schick' dir die Videoausschnitte, ich hab' da was vorbereitet.“ meinte er weiter. „Und dann warte ich auf dein grünes Licht, die Sache einzutüten.“ überging Dreizehn die Thematik.
„Und wenn ich das nicht gebe?“ fragte ich.
„Wirst du. Er ist für seine 19 Jahre wirklich ein guter Spieler und er hat die Anlagen, sich in der Bundesliga durchzusetzen. Gib' ihm ein halbes Jahr, sich zu akklimatisieren – entweder halt bei dir oder du verleihst ihn innerhalb der Liga – und wenn er sich dann an das Tempo und die neue Umgebung gewöhnt hat, hast du ab der kommenden Saison wirklich Freude an ihm. Und er ist auch nicht abgeneigt.“ kam es zurück.
„Du hast also schon Vorarbeit geleistet?“ fragte ich.
„Natürlich, du kennst mich doch. Ich habe schon zwei Mal mit ihm gesprochen, inoffiziell versteht sich. Einen richtigen Berater hat er zwar noch nicht, aber mit seinem Vater habe ich auch schon gesprochen. Und die beiden verstehen natürlich auch, dass du nicht mitten im Ligabetrieb unauffällig für ein Gespräch hierher fliegen konntest, aber dass ich für dich spreche.“ meinte er.
„Sehr gut. Schick' mir die Zusammenschnitte, ich geh' sie mit Lars durch und dann geb' ich dir Bescheid.“ antwortete ich. „War's das?“
„Ja. Ich warte dann auf deine Antwort, aber lass' dir nicht zu lange Zeit.“ sagte er. „Irgendwann wird er das Angebot von Red Bull annehmen, wenn wir kein Gegenangebot machen.“ führte er aus.
„Ich weiß. Du kriegst deine Antwort spätestens Mittwoch.“ antwortete ich. „Also, bis dann.“
„Ach, eins noch.“ unterbrach Dreizehn mich.
„Ja?“ fragte ich.
„Frohe Weihnachten, Sigurður.“ sagte er nach einer Pause und etwas mitleidvolles lag in seiner Stimme.
„Frohe Weihnachten, Dreizehn.“ antwortete ich und legte auf.
Quellen: Red Bull Brasil, André Ramalho |