Mit einer ausgeruhten Stammelf und einem weniger ausgeruhten Trainer – die Bauarbeiten kosteten mich weiterhin den Schlaf, und selbst im Büro schlief ich immer schlechter – ging es Ende der Woche gegen den FC Kopenhagen. Der Hauptstadtclub war in einer Situation, die mit „Krise“ noch sehr wohlwollend umschrieben war: In Europa war man nach dem sensationellen Viertelfinale im letzten Jahr als Gruppenletzter von Barcelona, Zenit St. Petersburg und Ajax Amsterdam mit 0 Punkten reihenweise aus dem Stadion geschossen worden, in der Liga hing man mit 25 Punkten auf Rang 5 fest. Wir selbst hatten zwar nur einen Punkt mehr und lagen auch nur einen Platz weiter vorne, dennoch waren wir aufgrund unserer steil ansteigenden Formkurve die Favoriten. Dementsprechend stellte ich auch die absolute Top-Elf auf den Rasen und wir gingen mit der klaren Vorgabe ins Spiel, Kopenhagen früh unter Druck zu setzen und und die Unsicherheit der Gäste auszunutzen. Das gelang in der Anfangsphase nur bedingt: Justesen war im Zweikampf zu halbherzig gegen Andreas Cornelius am Werke und ließ diesen in Ballbesitz, der bullige Stürmer leitete auf den rechtsaußen durchgestarteten Rurík Gíslasson weiter – doch der Isländer schien mental nicht auf der Höhe und gedanklich schon in Nürnberg zu sein und bolzte den Ball aus bester Position knapp fünf Meter über die Querlatte. Unsere Antwort darauf ließ nicht lange auf sich warten: Böðvarsson bediente Amankwaa auf dem Flügel, doch der Distanzschuss des Rechtsaußens schlug knapp neben dem Tor ein. Aber wir wurden die bessere Mannschaft, dominierten das Spiel und erarbeiteten uns gegen komplett neben sich stehende Kopenhagener Torchance um Torchance: Erneut Amankwaa scheiterte an Kopenhagen-Schlussmann Stephan Andersen, Hvilsom traf nach Doppelpass mit Böðvarsson den Ball nicht richtig und ein schlenzer von Andreas Pereira aus der zweiten Reihe landete am Außenpfosten. Doch die Belohnung in Form des Führungstreffers blieb bis zur Pause aus, weswegen ich wechseln musste: Mikkel Thygesen, der trotz großer Präsenz im Mittelfeld nur wenig offensive Impulse setzen konnte, ging vom Feld und machte Platz für Lasse Vigen Christensen. Mit dem Ex-Fulhamer als zweitem Achter stellte ich dann auf ein asymetrisches 4-1-4-1 um und Kopenhagen hatte nun nichts mehr entgegenzusetzen. Zwar hielt ihr Keeper auch nach dem Kabinengang noch mehrmals überragend das Unentschieden fest, doch nach 54 Minuten war auch Andersen endlich geschlagen: Jón Daði Böðvarsson und Mads Hvilsom kreuzten die Laufwege, die Kopenhagener Innenverteidigung ließ völlig perplex beide unbehelligt ziehen und vor den Sechzehner gehen. Dort bekam Hvilsom von Amankwaa den Ball, schlug einen Haken und bediente Böðvarsson, der aus kurzer Distanz nur noch einschieben musste. Und auch wenn sich Kopenhagen noch Hoffnungen auf einen Lucky Punch gemacht hatte und vielleicht irgendwie noch den Ausgleich erzielen wollte, wurden ihre Hoffnungen einen Angriff später zerstört: Andreas Pereira durchdrang mit einem Anflug brasilianischer Brillianz die komplette rechte Abwehrseite des FCK, ließ mit Amartey, Høgli und Zanka Jørgensen drei Gegenspieler mit Knoten in den Beinen stehen und hatte dann am Strafraumeck die Übersicht und flankte den Ball scharf und halbhoch vor den Kasten, wo Böðvarsson sich gegen Per Nilsson durchsetze und per Kopf den Doppelpack schnürte. Doch der Isländer hatte noch nicht genug: Zehn Minuten nach dem 2:0 tankte sich der Mittelstürmer an Zanka vorbei und zog dann den Turbo. Er legte sich den Ball am Sechzehnereck am herausstürzenden Andersen vorbei, wurde jedoch von diesem dann von den Beinen geholt und fiel. Die ganze Bank war im Kollektiv aufgesprungen, doch die Aufregung war unnötig: Schiedsrichter Rønnedahl hatte die einzig richtige Entscheidung getroffen und auf Foul und Notbremse entschieden – Kopenhagen-Keeper Andersen durfte mit einer Roten Karte vom Platz. Doch wir hatten Pech, oder eher gesagt Kopenhagen hatte Glück im Unglück: Da das Foul gut einen halben Meter vor der Strafraumgrenze war, wurde die erste Szene des eingewechselten zweiten Torhüters Kim Christensen kein Elfmeter, sondern ein Freistoß. Dieser fiel in den Aufgabenbereich von Andreas Pereira und der Brasilianer trat den Standard gefährlich und schlitzohrig flach in die Torwartecke, doch Christensen reagierte im letzten Moment und lenkte den Ball noch um den Pfosten. Der 36jährige blieb auch in den letzten Minuten des Spiels im Fokus, als er gleich zweimal überragend gegen Mads Hvilsom parierte – so blieb es am Ende bei einem hochverdienten 2:0-Sieg für uns, mit dem wir unseren Lauf fortsetzten: In den letzten acht Spielen hatten wir nur das unwichtige Duell mit Paços de Ferreira verloren, in der Liga waren wir seit fünf und in wettbewerbsübergreifenden Heimspielen seit sechs Spielen ungeschlagen.
Das letzte Ligaspiel des Kalenderjahres 2015 führte uns noch einmal an die Westküste Dänemarks, zu Esbjerg fB. Nachdem wir das erste Spiel gegen unseren heutigen Gegner mit 4:0 gewinnen konnten und Esbjerg damals wie heute am unteren Tabellenende herumkroch, waren wir erneut Favorit und obwohl es erst nach dem Donnerstagsspiel gegen Lille in die Winterpause gehen würde und die Regenerationsphase erst dann anfangen würde, bot ich fast die gleiche Startelf auf. Lediglich eine Änderung nahm ich vor: Alexander Sörloth, der im Hinspiel einen Hattrick erzielt hatte, begann für Jón Daði Böðvarsson als Mittelstürmer. Der Norweger hatte auch die erste gefährliche Szene, köpfte eine Flanke von Amankwaa aber über den Kasten. Danach begab sich das Spiel auf ein höchst bescheidenes Niveau, Esbjerg verteidigte mit zwei Viererketten an der Strafraumkante und wir hatten große Probleme, Torchancen zu kreieren. Doch kurz vor der Pause erlöste Mads Hvilsom uns, als er einen Ball von Eggert Jónsson aus der zweiten Reihe gut mitnahm, sich gegen Jacobsen durchsetzte und den Ball um den slovenischen Schlussmann Dúbravka herum in die Maschen schlenzte. Doch zum Sieg reichte es dennoch nicht – in der Schlussphase fingen wir uns wie so oft einen unnötigen Konter. Der Schwede Robin Söder wurde von Mick van Duinen bedient, ließ Mads Justesen aussteigen und schloss eiskalt zum für die Gastgeber sicherlich glücklichen 1:1 ab.
Das letzte Pflichtspiel war dann – wie bereits erwähnt – ein Heimspiel gegen den OSC Lille. Die Franzosen kamen mit ihrer Top-11 nach Hobro, obwohl es um nichts mehr ging – der Vorsprung auf uns betrug sechs Zähler, wir hatten wiederum fünf Punkte Vorsprung auf Paços de Ferreira. Wenn also der IQ nur knapp über der eigenen Körpertemperatur liegt, kann man sich ausrechnen, dass beide Ergebnisse des letzten Spieltages komplett irrelevant waren. Deswegen rotierte ich auch im Tor einmal und ließ den routinierten Rasmus Ankergren für Jesper Rask zwischen die Pfosten, der auf der Bank platz nahm. Die Fans im zum zehnten Mal in Folge ausverkauften Idrætsscenter störten sich nicht an der Bedeutungslosigkeit des Spiels und machten ordentlich Stimmung. Während ich auf der Bank gegen meine Müdigkeit ankämpfte – ich hatte grob überschlagen zehn Stunden geschlafen in den letzten fünf Nächten, zeigten sich auch meine Spieler auffalend schläfrig: Fischer ließ Origi passieren, der Belgier bediente Nolan Roux – und es stand nach fünf Minuten 0:1. Einen Angriff später das gleiche Bild: Mavuba auf Origi, Origi auf Roux, Roux eiskalt – 0:2 und die Messe war gelesen. Doch kurz vor der Pause flammte nochmal Hoffnung auf, als Lasse Vigen Christensen einen Distanzschuss auspackte, den OSC-Keeper Enyeama unmöglich erreichen konnte – aber Lille nahm uns diese Hoffnungen noch vor dem Halbzeitpfiff: Sébastian Corchia kam mit Tempo über den Flügel und bediente Marvin Martin flach im Rücken der Abwehr. Der Spielmacher nahm den Ball an, ließ Jonas Damborgg aussteigen und schlenzte den Ball unhaltbar unter die Latte. Kurz vor dem Abpfiff verkürzte Danny Amankwaa nach einem traumhaften Zuspiel von Andreas Pereira zwar noch auf 2:3, doch wir mussten uns letzten Endes verdientermaßen geschlagen geben. Die nächste Chance, uns auf dem internationalen Parkett zu beweisen, bekamen wir dann nach der Winterpause in den Sechzehntelfinals – es ging für uns nach England zu den Tottenham Hotspurs, ein alles andere als dankbares Los.
Quellen: Böðvarsson, Fans, Wappen |