'Sorin, Sorin!!!' klopfte mir Burak auf die Schulter und riss mich aus meinen Jubelgedanken. Er sagte zu mir, ich solle zuhören, denn plötzlich war es im Stadion ganz leise geworden, der Stadionsprecher sagte etwas durch, wovon ich kein Wort verstand, doch mit dem Jubeln war es vorbei.
'Dieser Spielverderber,' begann ich,
'alle haben gerade so schön gefeiert, was hat er gesagt? Aber sein türkisch gefällt mir, glaubst du Burak, der würde mir Türkischunterricht geben?' Mit zwei Worten, die sogar ich nach einem Jahr Türkei verstand, gab mir Burak das Zeichen, ruhig zu sein, als der Stadionsprecher dann fertig geredet hatte, teilte mir Burak Yilmaz mit, dass wir doch noch nicht Meister geworden sind, wir hatten uns zu früh gefreut. Beim Trabzonspor-Spiel gab es wegen diverser Unterbrechungen und technischer Probleme, womit das Flutlicht kurz ausfiel, 18 Minuten Nachspielzeit und in der 107. Minute konnte Trabzonspor noch den Siegtreffer erzielen. Damit kamen sie wieder auf 4 Punkte heran und die Entscheidung verschob sich. Gar nicht so unglücklich darüber, weil das nächste Spiel ein Heimspiel war, gingen wir nochmals kurz zu unseren Fans und bedankten uns für die lautstarke Unterstützung.
33.Spieltag, Süper Lig:
Was für ein Spiel. In meiner gesamten Karriere hatte ich so ein Match noch nicht erlebt! Gegen Abstiegskandidat Kayserispor verpennten wir klassisch die Anfangsphase, was die Gäste eiskalt bestraften und nach 11 Minuten sahen wir uns mit einem 0:2 Rückstand und Schockstarre konfrontiert. Im Stadion war es plötzlich gespenstisch still, unser Trainer stand nur starr an der Seitenlinie, fühlte sich gerade wie Huub Stevens, nahm nur drei Minuten später aber mit einem gewaltigen Gefühlsausbruch zur Kenntnis, dass hier noch nichts gegessen war und wir noch lebten. Zumindest Burak und ich. Während der Rest der Mannschaft geschockt wirkte, zogen Burak und ich in Richtung gegnerisches Tor, mit einem Doppelpass gelang es uns die Abwehr auszuhebeln, ich zog einfach mal aus gut 20 Metern ab und der Ball senkte sich ins lange Eck, Anschlusstreffer! Wir bäumten uns vor unseren Fans auf, forderten sie auf, wieder Stimmung zu machen und es klappte. Auch unsere Teamkollegen hatten wir wachgerüttelt. Zwar brachte uns Selcuk Inan mit einem Schnitzer wieder in Bedrängnis, aber Carole grätschte dem Gegenspieler fair den Ball weg, dann ging es wieder schnell. Burak auf mich, ich zum mitgelaufenen Sarioglu, der auf dem rechten Flügel Tempo machte und Gegenspieler auf sich zog, sodass ich mich langsam und unbemerkt in Richtung Mitte schleichen konnte. Ich sah schon, was er vorhatte, nahm die Beine in die Hand und sprintete in den Strafraum, sah die Flanke näher und näher kommen, hielt den Kopf hin, und TOOOOOR. Halb mit der Nase, halb mit der Stirn beförderte ich den Ball ins Tor, kein perfekter Ball, ich sollte mich mal bei Yaya Touré erkundigen, wie sowas funktionierte, doch in diesem Moment war mir das sowas von egal, Ausgleich, wir waren wieder im Spiel! Und Kayseri kam kaum mehr aus der eigenen Hälfte raus, rollende Angriffe überforderten den Tabellenletzten, die spielentscheidende Szene gab es dann aber in der 32. Minute. Nach einem herrlichen Steilpass überlief ich meinen Gegenspieler, war auf dem Weg, das 3:2 zu erzielen, als mich Simic von hinten in die Beine grätschte und zu Fall brachte. Ich stellte den Montenegriner zur Rede, was in einem Auge um Auge Duell endete. Mit der roten Karte vom Platz getellt drückte mir der Übeltäter noch zweimal die Fäuste auf meine Bauchmuskeln, war kaum mehr zu beruhigen. Anscheinend war ich ihm zu nahe gekommen. Dennoch gab es nicht den Elfmeter, wie ich versuchte zu deuten, der Schiri hatte genau hingesehen, dass ich nur in den Strafraum gefallen war, das Foul ansich aber außerhalb war. Ich legte mir den Ball zurecht, während sich alle auf die Auslegung der Mauer konzentrierten, flüsterte mir Burak Yilmaz zu, dass er etwas versuchen wollte. Der Freistoß kam, Burak lief an, holte aus, machte aber anstelle dessen zwei schnelle Schritte nach rechts, ich spielt ihm den Ball hin, er legte nochmals quer und von hinten kam Selcuk Inan angerauscht und drosch das Spielgerät humorlos ins Tor. Tosender Jubel auf den Rängen, die Führung, nun waren wir wieder davor, Meister zu sein! Kayserispor war in Unterzahl geschlagen, den Schwung aus der Anfangsphase konnten sie nicht mehr finden, nach zwei überragenden Vorlagen von Großkreutz und Burak traf ich noch zweimal und stellte zur Pause auf 5:2, ein unglaubliches Spiel! Doch es wurde noch besser. In der 54. Minute, mittlerweile war Pato für den noch nicht ganz fitten Burak Yilmaz gekommen, traf der Brasilianer nach einem Eckball per Kopf zum 6:2, die endgültige Entscheidung. Doch Kayseri zeigte enormen Kampfwillen und kam durch Yakubu noch zum 6:3, was immer noch nicht der Schlusspunkt war. Kurz vor dem Ende waren nämlich der eingewechselte Dzemaili und ich nochmals dran, zuerst servierte mir der Schweizer sehenswert mit der Ferse das 7:2, wenig später, schon tief in der Nachspielzeit drinnen, die Abwehr des Gegners mittlerweile löchrig wie Schweizer Käse, konnte ich mich in die gefährliche Zone dribbeln, revanchierte mich und legte quer zu Dzemaili, der auf 8:3 stellte. Das war nun der Endstand, das Stadion tobte, eine so unfassbare Partie hatten hier wohl auch nur die wenigsten erlebte, Extase und Emotionen gipfelten, als wir uns einen aus Pappe gemachten Meisterpokal aus dem Publikum schnappten, damit jubelnd vor unseren Fans tanzten und feierten, es war geschafft!
34.Spieltag, Süper Lig:
Das letzte Spiel hatte für uns nur noch die Bedeutung, uns als Meister ordentlich zu präsentieren, denn einen Tag vor dem Ende standen wir bereits als Meister fest. Auch in der Schützenliste wurde es durch meinen Fünferpack nochmals spannend geworden, ich war Burak bis auf einen Treffer nahe gekommen, aber mein Sturmpartner zeigte in der 31. Minute humorlos, dass er sich das nicht nehmen lassen wollte. Mit einem Grinser und dem Fingerzeig auf mich, wusste ich genau, was zu tun war. Mersin hielt jedoch gut dagegen, sodass wir uns oft vor der Abwehr festbissen. Ein bisschen Glück hatten wir dann kurz nach dem Seitenwechsel, als Afsarli einen Schuss aus rund 20 Metern an die Stange setzte. Mitte der zweiten Hälfte sollte es dann aber doch so weit sein. Auf der linken Seite entwisch Kevin Großkreutz seinem Bewacher, sah den mitgelaufenen Altintop in der Mitte, der aber an der Stange scheiterte, der Ball prallte zurück ins Feld und ich stand goldrichtig und staubte ab. Wenige Meter neben dem Tor wurde ich dann unter einer Traube von Spielern begraben, auch Burak war dabei und ich hörte ihn flüstern 'noch einen schaffst du nicht!' Er sollte recht behalten. Und es wurde sogar nochmals spannend, denn Mersin stemmte sich mit aller Kraft gegen die drohende Niederlage, Afsarli traf in der 76. Minute zum 1:2, zu mehr reichte es aber nicht. Da es erst morgen früh zurück nach Istanbul gehen würde, wollte wir in der Nähe noch ein wenig feiern.
Vier Punkte vor Trabzonspor wurden wir Meister, Fenerbahce brach am Ende so katastrophal ein, dass sie deutlich abreißen lassen mussten, und es nur in die Europa League schafften. In der Schützenliste hatte ich noch alles anderen Konkurrenten, Umut Bulut, Cenk Tosun, Nani und auch Raul Bobadilla überholt, große Namen, das machte mich stolz. Auch der zweiten Platz hinter Burak Yilmaz, der einfach besser war und verdient hier einen Treffer mehr hatte, machte mich glücklich, schließlich war Burak auch fast 2 Monate verletzt! Mit Respektabstand folgten uns Alexandre Pato, der zum Schluss immer besser in Fahrt kam und Kevin Großkreutz, auch die 6 Tore von Selcuk Inan, unserem Motor im Mittelfeld konnten sich sehen lassen. Wie immer am Saisonende war es auch Zeit, ein wenig auf die Statistik meiner Saison zu blicken:
Ich konnte mich in den meisten Bereichen gut verbessern und weiter entwickeln und hatte meinen Marktwert mittlerweile auf 23 Millionen € gesteigert. Ich klopfte an der 80er Grenze was die Gesamtwertung betraf, nicht viele Spieler konnten das mit fast 20 Jahren von sich behaupten. Etwa in einem Monat würde ich meinen 20. Geburtstag feiern, zuvor ging es aber noch an die Meisterfeier, danach wollte ich mir auch Gedanken machen, wie und vorallem wo es nächste Saison weitergehen würde.
Pünktlich um 20 Uhr fand sich das Team am nächsten Tag auf dem Hauptplatz ein und wir feierten mit unzähligen Fans den Gewinn des Ligatitels. Zur Winterpause hatte es gar nicht danach asugesehen, als es nicht wirklich rund lief. Unser neuer Interimscoach Orhan Atik hatte uns immer wieder an unsere Stärken erinnert und letztendlich uns zu alter Stärke zurückgeführt. Wir feierten bis kurz vor 23 Uhr und mit der Zeit leerte sich der Platz. Gegen Mitternacht gingen auch die ausdauerndsten Fans, schließlich war morgen Montag und wieder Arbeit angesagt, weshalb ich mich auch auf den Weg nach Hause machte. Ich ging dieses Mal zu Fuß, um auch die ganzen aufregenden letzten Tage nochmals Revue passieren zu lassen, als ich bei einer Ampel von einigen Männern umringt wurde und bejubelt wurde.
'Tata' schrien sie nur alle, stimmten Jubelgesänge ein und tanzten. Einige von ihnen hatten Banner mit türkischen Sprüchen mit und ich wir dermaßen in Feierstimmung, dass ich kurz mit den Fans mitfeierten. Ich stimmte auf ein Lied mit ein, was sie lautstark durch das nächtliche Istanbul gröhlten, ich verstand zwar nur wenig, konnte auch nur den Refrain mit einstimmen, das schien sie aber nicht wirklich zu stören. Einige Gassen gingen sie noch mit, bis sie der Mob auflöste und ich wieder alleine mit mir selbst in den dunklen Gassen des nächsten Istanbul verschwand..... was ich nicht wusste: ich hatte soeben eine Hass-Parole gegen Besiktas und Fenerbahce gesungen!