Ich kam mir vor wie mitten einer klassischen Schnulze, ein Mädchen weinte bitterlich, während der Mann nicht weiß, ob er gerade alles richtig gemacht hat und seine Entscheidung meist am Ende des Filmes noch bereuhte. Nachdem ich diese Farce auch noch aufnehmen habe müssen, dauerte es keine Millisekunde, nachdem ich das rote Licht auf der Kamera ausgehen sah, dass ich zu Ioana hinstürmte und sie in den Arm nahm. Sie versuchte sich loszureißen und schrie mich an, aber ich streichelte ihr sanft durchs Haar und sagte mit beruhigender Stimme zu ihr:
'Ioana, Schatz, es ist alles in Ordnung, ich verlasse dich nicht, ich kann dich nicht verlassen, ich liebe dich!' Adrian blickte nur perplex zu mir und Ioana schaffte es, sich loszureißen und brüllte mich an, ob das ein schlechter Scherz sei. Ich erklärte ihr die ganze Sache:
'Schatz, dein Onkel erpresst mich mit den Partyfotos, dass er mich beim rumänischen Verband verpfeifen würde, wenn ich nicht mit dir Schluss mache. Ich musste das ganze auf Video aufzeichnen und ihm als Beweis schicken, du kannst mir aber glauben, dass er damit zum Teufel gehen kann, ich würde meine Karriere gegen dich eintauschen. Ich weiß, was für eine schlechte Schauspielerin du bist und dass du, Adrian, es ihr sicher verraten hättest, wenn ich es dir anvertraut hätte, aber das eben sollte lediglich Becali glauben, ich hoffe er schluckt es auch, wenn nicht, haben wir zumindest etwas Zeit gewonnen.' Adrian schaute mich nur entgeistert an, während Ioana nicht wusste, ob sie mich für diese Aktion hassen, oder mich vor Freude umarmen sollte, dass es doch nicht zu Ende war. Ich erleichterte ihr die Entscheidung, indem ich sie anlächelte und küsste.
'Glaubt mir, die letzten Stunden waren die Hölle für mich, weil ich genau wusste, wie das hier aussehen wird, aber ich habe in keiner Sekunde daran gedacht, dich zu verlassen, Ioana, du bist mir wichtiger als alles andere auf der Welt!'
Zugegeben, es war vielleicht eine Scheißaktion, aber zumindest hoffte ich damit, dass ich Becali damit austricksen konnte und Ruhe von ihm habe. Adrian meinte zwar, es wäre doch möglich gewesen, uns als Raúl und Consuela nach Mexiko abzusetzen und dort ein neues Leben fernab von allen Sorgen beginnen zu können, doch ich wusste es besser, dass wir bei meinem Glück als Abdullah und Fatima in Arabien landen würden. Oder als Ching und Chang in Nordkorea, was bei Becali's derzeiten Gemütszustand auch nicht mehr auszuschließen war. Abseits des ganzen Trubels in den letzten Tagen, wollte ich mich endlich wieder auf den Fußball konzentrieren. Nachdem ich privat zumindest nach dem Tiefpunkt wieder nach der letzten Nacht auf Wolke sieben schwebte, wollte ich auch sportlich ins Reine kommen, erschien unangekündigt im Büro meines Coaches und bat reuig um Verzeihung. Zumindest nach außenhin schien es so, als ob Denizli mir verzeihen würde, er sagte mir auch, dass ich im nächsten Spiel wieder von Beginn an ran durfte, aber ich konnte ihn sehr schwer einschätzen, ob er diesbezüglich nicht nachtragend sein würde. Mit meinen Teamkollegen lief es besser denn je, ich verstand mich mit allen blendend, wir hatten Spaß und ich hatte das Gefühl, hier zuhause zu sein. Dem Coach gefiel auch das letzte Training vor dem ersten Spiel nach unserer Derbyniederlage und der Coach meinte, wir sollten uns mental darauf einstellen, dass die Fans möglicherweise nicht ganz zufrieden seien mit der derzeitigen Leistung des Teams.
12.Spieltag, Süper Lig:
Durch die zuletzt schwachen Ergebnisse hatten wir mit einem Protest der Fans in Ankara gerechnet, doch in der Türkei schien das anders zu laufen als in anderen Ländern. Lautstark wurden wir von den heimischen Anhängern im kleinen Osmanlispor Stadyumu begrüßt und waren entfesselt, die Derbyschmach mit einem Sieg hier anfangen auszubügeln. Gegen die tief stehende Fünferkette der Gäste gab es allerdings anfangs kein Durchkommen, Burak und ich hingen vorne komplett in der Luft, von hinten kam zu wenig nach. So waren die ersten 45 Minuten auch schnell erzählt, ein Schuss ging auf das Tor, den feuerte Kevin Großkreutz ab und er bezwang den sonst kaum geprüften Moreira. Nach dem Wechsel wurde das Spiel nur wenig besser, Osmanlispor mauerte, was das Zeug hielt und die interessantesten Szenen in der Partie waren die Privatduelle mit meinem Landsmann Raul Rusescu, der Stürmer hielt sich immer wieder in der eigenen Hälfte auf, der Zug zum Tor der Gastgeber war quasi gleich Null. Über weite Strecken schien es so, als ob wir einem Rückstand nachliefen und die verteidigenden Violetten ihre Führung verteidigten, aber es war genau anders rum. In der Schlussphase arbeitete dann doch auch mal Osmanlispor nach vorne, dadurch boten sich für uns Räume zum Kontern. In der 80. Minute konnte ich von draußen verfolgen, wie Burak Yilmaz an Moreira verzweifelte, dann aber doch im Nachschuss den Ball reinwürgte und mit dem 2:0 die Entscheidung erzielte. Mein Ersatz, Alexandre Pato, blieb in seinen knapp 30 Minuten Einsatzzeit ohne wirkliche Höhepunkte.
5.Spieltag, WM-Qualifikation:
'Wir waren so nahe dran an einer Sensation heute!' gab ich nach dem Spiel ein Kommentar für das Fernsehen ab, doch dass es gegen einen Weltklassemann wie Hugo Lloris eben etwas besonderes braucht, um zum Torjubel abzudrehen, musste ich heute einige Male feststellen. Zwar kamen wir nicht gut in die Partie hinein, Frankreich dominierte nach Belieben und Pogba und Benzema scheiterte in den ersten 20 Minuten zweimal am Aluminium. Meine vorerst aus der Distanz kommenden Schüsse konnte Lloris alle recht leicht fangen, bei einem hätte ich ihn aber fast überrascht, doch auch hier war er noch dran und lenkte den Ball über die Latte. Kurz vor dem Seitenwechsel ging es dann aber einmal zu schnell für unsere Abwehrreihe, die quirligeren Franzosen kombinierten sich schnell vor unser Tor und Karim Benzema ließ sich die Chance nicht nehmen und stellte auf 1:0. In der zweiten Hälfte wurden wir besser, hatten einige gute Chancen, aber immer wieder brachte entweder ein Abwehrspieler einen Körperteil dazwischen, oder Lloris rettete mit einer Glanztat. In der Schlussphase hatten wir noch Glück, als Loic Remy alleine auf weiter Flur an Tătărușanu scheiterte, mein Namenskollege hielt uns hier noch im Spiel, letztendlich gab es nach 90 Minuten aber eine verdiente Niederlage gegen starke Franzosen.
6.Spieltag, WM-Qualifikation:
Nur 4 Tage später gab es ein weiteres schwieriges Auswärtsspiel bei Wales. Das Team von Coach Ryan Giggs war von Beginn an darauf bedacht, uns mit einem frühen Gegentreffer zu überraschen und wir hatten bereits in der 15. Minute großes Glück, als Ramsey eine Hundertprozentige vergab. In der ersten Hälfte kamen wir nur selten aus der eigenen Hälfte heraus, Wales drückte, kam aber im Abschluss danach nur noch selten gefährlich vor unser Tor, zu ungenau waren die entscheidenden Pässe. Zur Pause kam bei uns Gabriel Torje und mit ihm der frische Wind, der uns in der ersten Halbzeit gefehlt hatte. In der 54. Minute konnte ich mich auf links gegen zwei Gegenspieler durchsetzen, als ich von hinten den Fahrtwind von Gareth Bale spürte. Doch ich schaffte es noch, den Superstar mit einem geschickten Haken ins Leere laufen zu lassen, zog zur Mitte, legte quer auf Filip und der traf aus etwas 5 Metern ohne Probleme. Eine gute Viertelstunde vor dem Ende war dann für mich Schluss, der Spanien-Legionär Florin Andone kam für mich und lieferte eine ansprechende Leistung ab, trug sich in der vorletzten Minute sogar noch in die Schützenliste ein, dank kräftiger Mithilfe von Hennessey, der einen flachen Schuss passieren lassen musste.
Mit dem nächsten Flieger flog ich zurück aus Wales nach Istanbul. Leider musste ich in Berlin einen Zwischenstopp einlegen und da unser Flug Verspätung hatte, verpasste ich meinen Anschlussflug. Ich nutzte die Zeit, die ich warten musste, bis der nächste Flug ging, und sprach mit Alexandru Maxim, der ebenfalls erst spät nach Stuttgart weiterreisen konnte. Ich sprach mit ihm über Fußball, aber auch über private Dinge. Er erzählte mir, dass er mit Stuttgart abermals mitten im Abstiegskampf stand, was allmählich an seinen Nerven zehrte, aber privat lief es richtig gut, seine Freundin würde im Frühling ein Kind erwarten und im Februar wolle er sie heiraten. Ich gratulierte ihm und dachte daran, wie es wäre, vielleicht auch einmal eine Familie zu gründen. Ich war zwar nie der Familientyp, doch ich wusste, wie wichtig diese Sachen Ioana waren. Eine andere Sache war es, wie es mit Becali weitergehen würde, ich hatte kein Problem damit, dass er mich nicht leiden kann, das war immer schon so und wird sich wohl auch nicht ändern, manche Menschen machen sich ihr Bild durch Vorurteile und frühere Eindrücke, dass sich Menschen auch ändern können, liegt jenseits des Verständnisses von Becali. Doch eine Familie zu gründen war nochmals eine ganz andere Verantwortung. Doch schließlich waren wir noch jung und hatten noch Zeit. Alexandru konnte mir auch versichern, dass im Team keiner etwas davon gehört hatte, dass mich Becali aus der Nationalmannschaft eliminieren will, insofern schien der Trick also doch funktioniert zu haben. Während ich die letzten Minuten vor dem Flug am Handy das Internet durchforstete und nach allen möglichen News absuchte, bekam ich eine SMS von Ioana:
'Lieber Sota! Schatz, ich muss leider kurzfristig nach Timisoara zu meiner Mutter. Wir sehen uns aber bald. Ich vermisse dich sehr, hoffe, du bist bald wieder zurück. In Liebe, ♥♡♥ Ioana.' Eigentlich hatte ich mich sehr gefreut, Ioana bei der Rückkehr in die Arme schließen zu können, aber damit musste ich nun warten. Im Flugzeug nach Istanbul fand ich auch ein wenig Schlaf, was mir angesichts der anstrengenden letzten Tage gut bekam. Spät abends kam ich zuhause an, Adrian war gerade am packen, er würde morgen wieder losfahren. Er war auch gerade dabei schlafen zu gehen, meinte nur, als er die Türe des Gästezimmers schloss, dass Ioana sich in Bukarest mit einem Freund treffen wolle. Ich hielt kurz inne und meinte dann, sie hätte mir gesagt, sie wolle zu ihrer Mutter. Adrian dachte kurz nach, meinte dann, das könne schin sein, er hätte nicht wirklich zugehört, aber ich sah es, wenn er log. Was hatte es damit aber auf sich, wer war der ominöse Freund?