Im Rhythmus zwischen Europaleague und der dänischen Superligaen wurde uns dieser Tage ein kleines Geschenk gemacht: Standard Lüttich aus Belgien war unser Gegner in den Play-Offs, womit es sich sicherlich leben ließ. Es war eine annehmbare Reiseentfernung, ein Spiel unter klimatisch normalen Bedingungen und ein Gegner, den wir mit der richtigen Taktik sicherlich würden schlagen können. Doch bevor es gegen die international erfahrenen Belgier ging, die wir zuerst auswärts bespielen würden, standen noch zwei Ligaspiele an und damit eine Woche Pause ohne Donnerstagsspiel.
Den Anfang in dieser kurzen Europapokalfreien Zeit machte Odense BK, gegen die wir zuhause klarer Favorit waren. Die Mannschaft wurde zwar wieder stark umgestellt, um nach dem kräftezehrenden Spiel gegen Malmö die Spieler etwas zu schonen, doch der Kader war dafür in dieser Saison breit genug aufgestellt. Die in Blau-Weißen Streifen startenden Gäste waren sich auch von Beginn an ihrer Außenseiterrolle bewusst und setzten auf eine defensive Grundausrichtung und Konter – so weit so gut, aber auch so ausrechenbar. Dennoch kamen sie schon in der Anfangsviertelstunde einmal gefährlich vor unser Tor, Rasmus Falk Jensen setzte das Leder aus dem Vollsprint jedoch genau in die Arme des wieder ins Tor zurückgekehrten Jesper Rask. Danach aber waren wir auch bei Kontern der Gäste wacher und auch wenn sich so gleich mehrere Spieler Verwarnungen einhandelten, konnten wir quasi jeden Angriffsversuch schon an der Mittellinie unterbinden. Nach vorne wurden wir jedoch umso gefährlicher: Der nach seiner Verletzungspause in die Startelf zurückgekehrte Andreas Hoelgebaum Pereira bekam den Ball aus dem Mittelfeld von Thygesen, nahm ihn geschmeidig an und hatte wieder einen seiner „brasilianischen Momente“: Der Offensivallrounder ging gegen drei Verteidiger ins Dribbling, blieb Sieger und spitzelte den Ball dann über den Oberschenkel des Torhüters ins Netz zur völlig verdienten Führung. Ich nickte zufrieden und die Fankurve war am explodieren ob dieser Meisterleistung – völlig zurecht, auch wenn ich als Trainer natürlich etwas ruhiger reagierte, immerhin kannte ich diese Mätzchen aus dem Training zur Genüge. Doch Andreas Hoelgebaum Pereira strahlte nach seiner kurzen Verletzung eine Spielfreude aus, die ansteckend war. Odense kam nicht in die Zweikämpfe und wir kombinierten uns scheinbar nach belieben quer durch die gegnerische Hälfte. Folgerichtig konnten wir unsere Führung noch vor der Pause ausbauen: Mads Hvilsom kam mit Tempo in den Sechzehner gezogen, spielte einen Doppelpass mit Jón Böðvarsson und stand plötzlich frei an der Kante des Fünfmeterraums. Der Linksaußen hob noch einmal kurz den Kopf und lupfte das Leder dann schlitzohrig in die kurze Ecke.
In der Pause musste ich taktisch nicht viel verändern, rückte meinen Spielern aber nochmal den Kopf gerade: Anstelle zu versuchen, den Gegner mit noch einem Dribbling und noch einem Doppelpass weiter zu deklassieren, sollte man vielleicht mal den Abschluss suchen und aus fast 65% Ballbesitz mehr als fünf Torschüsse fabrizieren, zumal sich Odense sicherlich nicht noch eine Halbzeit so passiv präsentieren würde – und mit dieser Prophezeiung behielt ich recht. Die Gäste waren nach der Pause die zunächst bessere Mannschaft, auch wenn das Prädikat „spielbestimmend“ zu weit gehen würde. Doch sie standen hinten enger zusammen und ließen uns kaum Wege in den Strafraum, und durch geschickte Flügelverlagerungen im Angriffsspiel kamen sie immer öfter in Tornähe. Nach gut einer Stunde kam es so zum quasi unausweichlichen: Alexander Fischer ließ sich im Konter zu sehr nach innen locken und öffnete dadurch den Raum für Rasmus Falk Jensen, der den Turbo zündete und das Leder von Bergmann perfekt serviert bekam. Fischer kam nicht mehr hinterher, Falk Jensen sah den durchgestarteten Kenneth Zohore und bediente den Dänen mit Afrikanischen Wurzeln mustergültig, der dann keine Probleme hatte, zum Anschlusstreffer einzuschieben. Doch mit dem Tor hatten sich die Gäste ein wenig selbst den Stecker gezogen, denn ich wies die Mannschaft zu einer defensiveren Grundausrichtung an und nahm zudem mit Tjørnelund für Hvilsom einen sehr defensiv orientierten Wechsel vor. Dadurch blieb das Spiel dann lange Zeit ruhig ohne große Chancen auf beiden Seiten, doch in der Schlussphase wurde es nochmal hektisch: Odense schien erkannt zu haben, dass sie auch ohne unsere Einladung mitspielen durften und warfen nochmal alles nach vorne. Zwar hauptsächlich nach dem Motto „hoch und weit“ in bester englischer Kick'n'Rush-Manier, aber das Zittern bis zum Schluss war trotzdem garantiert. Ein Distanzversuch von Magnussen ließ uns dann nochmal richtig Zittern, denn Rask lenkte den guten Versuch „nur“ über die Latte und damit gab es Ecke in der 91' Minute. Alles tummelte sich im Strafraum, auch der Torwart von Odense stand bei uns im Sechzehner und der Ball kam in die Mitte. „Das geht noch schief, ich sag's dir.“ grummelte Lars von irgendwo hinter mir, ich schüttelte nur den Kopf. Die Ecke kam nach innen geflogen, Jesper Rask kam raus und das ganze Stadion hielt den Atem an. Der Torwarthühne schnappte den Ball, doch dann prallte er mit irgendeinem Angreifer Odenses zusammen. Der Ball entwischte ihm, Kenneth Zohore war gedankenschneller als seine Gegenspieler und spitzelte den Ball irgendwie ins Tor. Während Lars nur irgendwelche deprimierte Grütze vor sich hin murmelte, konnten ich und auch die Spieler es nicht glauben und protestierten vehement – ich beim vierten Offiziellen, die Spieler bei Schieds- und Linienrichter. Auch die Spieler Odenses hatten mittlerweile mitbekommen, dass ihr Last-Minute-Ausgleich auf der Kippe zu stehen schien und mischten sich ein.
„Das war doch ein klares Foul, das muss man doch pfeifen!“ keifte ich den Mann mit der Anzeigetafel neben mir an.
„Nun halten sie mal die Klappe, Körpereinsatz!“ schrie irgendwer von der Gegnerischen Tribüne zurück.
„Körpereinsatz? Ich gebe ihnen gleich mal Körpereinsatz sie –“
„So, das reicht jetzt!“ schritt der vierte Offizielle dazwischen und stieß mich zurück. Ich wollte gerade wieder ihm entgegenspringen, doch Lars hielt mich zurück und deutete Siegesgewiss auf den Schiedsrichter. Der hatte sich zur Beratung zu seinem Assistenten begeben und zeigte an – Stürmerfoul. Ich klatschte aufmunternd in die Hände, derweil fing die Belagerung durch die Gästespieler gerade erst an. Doch der Schiedsrichter blieb hart und als das Spiel endlich weiterlief, war die offizielle Nachspielzeit schon lange abgelaufen – und uns war der Sieg in den letzten paar Sekunden nicht mehr zu nehmen.
Nach dem Sieg gegen Odense hatten wir – wie bereits erwähnt – endlich mal wieder eine Woche ohne Donnerstagsspiel, was auch dazu führte, dass ich an der Startelf quasi nichts umstellen musste. Mit dem FC Kopenhagen als Gegner stand heute zudem eine Auswärtsreise an, zu der die Eingespieltheit und die Topform der Spieler dringend benötigt wurde. Die Gäste waren als einziger Verein der Liga noch ungeschlagen und standen auf Platz eins – Drei Siege und ein Remis machten sie einen Punkt stärker als Brøndby oder uns. Doch das alles zählte heute nichts, heute ging es von Null los – und trotz des Heimspiels überließen die Gastgeber uns die Anfangsphase. Wir gingen auch sofort auf den Führungstreffer, ein 1:0 würde uns weit nach vorne bringen in diesem Spiel. Schon nach sieben Minuten hatten wir die erste Chance: Andreas Hoelgebaum Pereira zog vom rechten Flügel nach innen, wo Mads Hvilsom den Ball übernahm. Der drehte sich um die eigene Achse und zog flach ab – Kopenhagens eigentliche Nummer 2 Johan Wiland lenkte den Ball jedoch recht mühelos über die Querlatte. Keine fünf Minuten später kamen wir erneut gefährlich durch, diesmal legte Hvilsom den Ball von Linksaußen nach innen, wo Jacobsen abzog, doch das Tor knapp verfehlte. Nach dieser Anfangsphase schien Kopenhagen geschnallt zu haben, dass es verdammt fahrläßig war, uns das Spiel komplett zu überlassen und bemühte sich, selber Akzente zu setzen. Jedoch gelang das auf faire Art und Weise nicht, sondern nur durch Fouls: Erst kam Christian Poulsen in einem Zweikampf fast eine Sekunde zu spät und mähte Eggert Jónsson rabiat von den Beinen, dann kam Thomas Delaney gegen Danny Amankwaa nur mit einer brutalen Grätsche von hinten in den Zweikampf – der Referee griff beide Male nicht ein und schon bald machten sich erste Pfiffe aus dem Gästeblock bemerkbar. Als dann nochmal Delaney zu spät in einen Zweikampf kam und Andreas Pereira so brutal von den Beinen trat, dass dieser sich am Boden krümmte, Riss auch bei mir der Geduldsfaden und ich sprang auf. „Ey sie Pfeife!“ schrie ich auf den Platz, ehe mich der vierte Offizielle zurückdrängte. „Das ist doch Körperverletzung! Sind sie blind oder was?!“ zeterte ich weiter. „So, jetzt reißen sie sich mal zusammen.“ versuchte mich der vierte Offizielle zu beruhigen. „Das ist normale Zweikampfhärte.“ Ich stand mit offenem Mund vor ihm und sah ihn einfach nur schweigend an, während er mich zur Bank zurück dirigierte. Ich schüttelte nur den Kopf – irgendwie tat mir der Mann leid ob solcher Dummheit, denn anders war diese Entscheidung nicht zu rechtfertigen. In der Folge wurde das Spiel immer ruppiger, und natürlich musste ich mit dem Spiel mitgehen – und winkte mir der Reihe nach meine Defensivspieler zur Seite und wies sie an, selber mal etwas heftiger zuzulangen. Und dennoch kam Referee Mogensen die komplette erste Halbzeit trotz einiger überharter und fast schon brutaler Fouls ohne Gelbe Karte aus.
Auch nach der Pause wurde es kaum besser: Zwar griff der Unparteiische jetzt öfters mal ein und zeigte auch Karten – sechs insgesamt, womit beide Teams bestens bedient waren – aber das Spiel war aus dem Ruder gelaufen und kam bei überschaubarem sportlichem Niveau nicht wieder auf ein angemessenes Spieltempo. Doch nach dem Abpfiff war ich dennoch mehr als zufrieden – denn wir hatten die Partie ohne Platzverweis und Verletzung überstanden, und zudem noch gewonnen: Nach 82 Minuten trat Andreas Hoelgebaum Pereira einen Freistoß aus dem Halbfeld scharf vor den Kasten, Andreas Jacobsen entwischte seinem Bewacher und drückte den Ball irgendwie über die Linie – Die Play-Offs konnten kommen.
Quellen: Zohore, Mogesnen |