Das Wintertransferfenster öffnete und ich war schon erpicht darauf, am Kader Veränderungen vornehmen zu können und in der Tiefe mehr Qualität in den Kader zu bekommen – Hansen und Christensen sollten den Verein ja verlassen, und dafür ein Innenverteidiger und ein Rechtsaußen mit mehr Qualität und Potential kommen. Als mich dann am dritten Januar – dem ersten Tag wieder im Büro im neuen Jahr – Jens Hammer Sørensen per Post-It-Zettel an meinem Schreibtisch anwies, in sein Büro zu kommen, sah ich meine Chance gekommen, meine Kandidaten vorzuschlagen. Ich griff nur kurz nach meinem Arbeitslaptop, an den ich alle Unterlagen gemailt hatte, und machte mich auf den Weg in sein Büro.
„Ahh, Herr Mikaelsson, frohes neues Jahr und schön, dass sie schon da sind.“ begrüßte mich mein Chef freundlich. Da stimmte doch irgendwas nicht, als wir uns vor einer Woche das letzte Mal sahen, hatte ich ihm immerhin gehörig den Kopf gewaschen.
„Ja, danke, warum haben sie mich hergerufen?“
„Nun, wir wollten ihnen etwas mitteilen.“
Ich fuhr herum. Neben der Tür stand ein Mann, groß, gut gebaut und dem schmierigen Erscheinungsbild nach Spielerberater.
„Wer sind sie?“ fragte ich, nur um sicher zu gehen.
„Rasmus Berggren, Spielerberater für MB Sports.“
Ich überlegte, welcher meiner Spieler dort seinen Vertrag unterzeichnet hatte, doch es fiel mir nicht ein. „Und was wollen sie?“ fragte ich so unfreundlich.
„Es geht um einen meiner Klienten, einen ihrer Spieler.“
„Und um wen, wenn man fragen darf?“
„Um Quincy Antipas.“ schaltete sich Jens Sørensen ein. „Wir wollten sie informieren, dass-“
„Nein.“ ging ich dazwischen. Von Angeboten für Leistungsträger hatte ich genug.
„Nun, ich denke, das haben sie nicht mehr zu entscheiden. Quincy hat bereits einen neuen Vertrag unterschrieben, bei Norwich City. Aber das wussten sie sicherlich, die Vereine hatten sich ja schon vor ein paar Tagen auf die Ablösesumme geeinigt.“ sagte er mit einem schmierigen Lächeln auf den Lippen. Ich drehte mich um und funkelte Jens Sørensen an, der eine Unschuldsmine aufsetzte und dem Spielerberater mit einem Kopfnicken bedeutete, er könne jetzt gehen. Die Tür fiel zu und er sah mich an, wohl wissend, dass ich ihm gerne den Kopf abreißen würde.
„Sie müssen das verstehen, es gab ein Angebot von über 1.000.000€ und-“
„Ich muss garnichts verstehen!“ brüllte ich ihn an.
„Sigurður, es-“
„Nein, kommen sie mir nicht mit Sigurður. Wir saßen hier – in diesem Büro, an diesem Schreibtisch, als sie mir zugesichert haben, sie würden diese Ego-Nummern bleiben lassen! Eine Woche später ist mein bester Spieler der Hinrunde weg, ohne dass ich auch nur ein Wort davon mitbekommen habe. Und ich werde ihnen sagen, was sie jetzt machen: Für Hansen und Christensen liegen bald Angebote vor, die werden sie annehmen. Und ich kümmere mich in der Zeit um neue Spieler für Rechtsaußen, für die Innenverteidigung und dank ihnen für das offensive Mittelfeld. Und egal, welchen Spieler ich überzeugen kann – ich werde ihn bekommen, ist das klar!“
„Aber ich-“
„Ist. Das. KLAR?!“
„Hören sie, so lasse ich nicht mit mir reden!“ brach es jetzt aus Jens Hammer Sørensen heraus, wohlwissend, dass er mich an den Rande der Weißglut gebracht hatte und die Situation wohl eskalieren würde.
„Ich bin hier für das Management zuständig, nicht sie! Und wenn ich ihnen sage, dass es finanziell und wirtschaftlich so besser war, dann haben sie das gefälligst zu akzeptieren! Wir werden über neue Spieler ZUSAMMMEN entscheiden, und nach der Saison sehen wir dann weiter, ob ich jemanden mit ihrem Verhalten hier weiter dulde!“
„Aber-“
„Und jetzt raus!“
„Und was ist mit-“
„Raus!“ schrie er mich an, und ich nickte stumm und ging wieder aus dem Büro.
Mit neuen Spielern würde also erst demnächst verhandelt werden, und tatsächlich kam Jens Hammer Sørensen erst knappe zwei Stunden später in mein Büro und wir redeten tatsächlich ruhig und sachlich über Neuverpflichtungen – es war schon irgendwie freakig, aber ich verkniff mir alle schlechten Witze zu Bipolarität, die mir in den Sinn kamen.
So lange Christensen und Hansen noch nicht weg waren, konnte ich noch nicht mit neuen Spielern für ihre Positionen verhandeln, doch für das Offensive Mittelfeld sehr wohl. Ich war fest entschlossen, nicht allzu viel zu investieren, um auf anderen Positionen noch handeln zu können – und das gelang dann auch. Nachdem ich die nächsten Tage und Nächte fast ausschließlich am Laptop und Telefon verbracht hatte, konnte ich den ersten wahrlich internationalen Neuzugang vermelden: Andreas Hugo Hoelgebaum Pereira, geboren 1996 im belgischen Duffel, aufgewachsen in den Niederlanden und aktueller Jugendnationalspieler Brasiliens wechselte für rund eine halbe Million Euro aus der U21 von Manchester United zu uns. Der Vertrag des gerade 19 Jahre jungen Talentes lief bis 2019 und das ohne Ausstiegsklausel, lediglich Manchester United musste ich eine Rückkaufoption zugestehen – 2017 konnten sie ihn für 1.500.000€ zurückholen, sofern der Spieler dem zutimmte. Doch in der Not erkannte ich auch einen Vorteil des Abgangs von Quincy Antipas: Mads Jessen verlängerte sein Arbeitspapier zu gleichen Bezügen um zwei Jahre bis 2017. Der Winter schritt voran, die Mannschaft begann wieder mit dem Training und Andreas Pereira fand sich gut ins Team ein. Er sprach fließend Flämisch, Portugiesisch und glücklicherweise auch Englisch, so dass die Integration in die Mannschaft gut und schnell von statten ging. Mit Rasmus Christensen (zu York City) und Thomas Hansen (zu Randers FC) wurden dann auch die beiden auf der Abschussliste stehenden Spieler an den Mann gebracht – die finanziellen Entschädigungen hielten sich stark in Grenzen, doch immerhin wurde etwas vom Gehaltsbudget frei. Die Kandidaten für beide Positionen ließen sich schnell auf einen Spieler einkochen und der erste Deal war auch bald unter Dach und Fach: Der kurz vor seinem 20. Geburtstag zu uns wechselnde Danny Kwasi Amankwaa kam für ebenfalls eine halbe Million Euro vom FC Kopenhagen zu uns. Auch hier mussten wir eine Rückkaufoption in den bis 2019 gültigen Vertrag einbauen, jedoch in Höhe von 2.000.000€ – andernfalls hätte Kopenhagen den Spieler wohl nur verliehen. Danny Amankwaa war als Sohn ghanaischer Einwanderer in der dänischen Kleinstadt Oagaer geboren worden und ein echtes Kopenhagener Eigengewächs, welches in der Hinrunde aber nur auf 5 Spiele kam – bei uns würde er Ruben Nygaard mächtig Konkurrenz machen und durfte sich sogar Chancen auf einen Startelfeinsatz machen. Der letzte Wintertransferfenster erforderte dann nicht wie bei Andreas Pereira nur einen kurzen Flug nach England, sondern einen mehrtägigen Aufenthalt in London. Doch am Ende hatte ich auch hier einen Spieler mit im Gepäck – den mit 18 Jahren noch blutjungen dänischen Innenverteidiger Andreas Christensen. Christensen wurde im dänischen Allerød geboren und wechselte 2012 aus der Jugend des FC Brøndby auf die Insel zum FC Chelsea. Bei den Blues kam er jedoch noch nicht für die Profis zum Einsatz und so konnten wir ihn – ohne Rückkaufoption oder Ausstiegsklausel und sogar zu einem leicht verringerten Gehalt – zu uns lotsen. Auch sein Vertrag bei uns sollte bis 2019 gelten, auch er würde zunächst als Ergänzungsspieler kommen, jedoch durchaus mit Chancen für den Stammkader.
Wider Erwarten hatte sich Jens Hammer Sørensen tatsächlich aus den Verhandlungen herausgehalten und mir freie Hand gelassen, doch so langsam musste ich mit ihm wieder zusammenarbeiten – und das taten wir dann auch. Nachdem Dennis Høegh (Mjöndalen IF), Martin Pedersen (Accrington Stanley) und auch Martin Thomsen (Silkeborg IF) neue, ab dem 01.07. geltende Verträge unterschrieben hatten, suchten wir schon nach Verstärkungen für die neue Saison. Einen Torwart brauchten wir jetzt noch nicht, eine neue Nummer 3 würde sich zur neuen Saison immer noch finden. Doch für die Innenverteidigung, das defensive Mittelfeld und für den Posten des Mittelstürmers brauchten wir günstige Alternativen zum bisherigen Kader. Und tatsächlich harmonierten wir gut zusammen und halbierten so die Arbeit: Ich flog nach Aalborg, Jens nach Esbjerg und am Ende der dritten Januarwoche hatten wir die ersten Spielerverpflichtungen für den Sommer unter Dach und Fach. Von Esbjerg fB kam der 26jährige Innenverteidiger Daniel Stenderup und unterzeichnete einen Vertrag bis 2018, von Aalborg BK holten wir den 25jährige Mittelstürmer Anders Kvindebjerg Jacobsen und statteten ihn mit einem Arbeitspapier bis 2019 aus. Die Suche nach einem defensiven Mittelfeldspieler dagegen dauerte länger, auch weil wir hier erstmals eine wirkliche Absage bekamen: Der Routinier Søren Christensen vom FK Haugesund konnte sich nicht mit unseren Forderungen anfreunden und verlängerte stattdessen seinen Vertrag dort. So mussten wir bzw. musste ich das zweite Mal einen Inländer durch einen Ausländer ersetzen: Knapp eine Woche später unterschrieb der 26jährige Isländische Nationalspieler Eggert Gunnþór Jónsson vom FC Vestsjaelland einen Vertrag mit Gültigkeit bis 2017 bei uns. Jónsson, der über viel Erfahrung verfügte und neben 19 A-Nationalmannschaftsspielen und 34 Spielen für die Junioren-Nationalmannschaften Islands schon für Hearts of Midlothian in Schottland, die Wolverhampton Wanderers und Charlton Athletic in England und CF Beleneses in Portugal spielte, brachte es auf insgesamt fast 200 Pflichtspiele in seiner bisherigen Karriere, darunter lief er auch schon mehrmals für die Hearts of Midlothian international auf. Ich war froh, denn der Kader hatte sich trotz des Abgangs von Antipas in diesem Fenster insgesamt wohl verbessert und für den Sommer hatten wir noch einige hochkarätige Neuzugänge präsentieren können.
Quellen: Antipas, Andreas Pereira, Jónsson |