Die Festtage an Weihnachten waren bereits überstanden, und ehe der ganze Schlamassel an Neujahr von vorne losgehen würde, hatte ich einen Termin bei meinem Vorgesetzten Jens Hammer Sørensen. Der hatte es zwischen all den anderen Aufgaben, die er an seine Mitarbeiter delegierte, geschafft, einen Termin für die Kaderplanung anzusetzen. Es würde wohl vorrangig darum gehen, welche der insgesamt 12 auslaufenden Verträge verlängert werden würden und welche nicht. Ich war pünktlich und ich hatte meine Hausaufgaben gemacht – ich wusste genau, wen ich halten wollte und wen nicht und auch, wen ich schon im Winter abgeben wollte.
„Sie haben aber einen ganz schönen Berg von Akten mit.“ begrüßte ich Jens Hammer Sørensen, als er in mein Büro kam.
„Und sie haben eine seltsame Weise, jemanden zu begrüßen.“
„Ich sehe hierdrin weniger ein Austauschen von Höflichkeitsfloskeln, als vielmehr eine Menge Arbeit.“
„Gut, dann fangen wir eben direkt an. Bei folgenden Spielern läuft der Vertrag zum 30.06. aus: Martin Pedersen, Thomas Hansen, Mads Justesen, Rasmus Ingemann, Rune Hastrup, Mikkel Thygesen, Martin Thomsen, Lasse Thomsen, Rasmus Christensen, Mads Jessen, Ruben Nygaard und Dennis Høegh. Fangen wir am besten mit denen an, die sie nicht verlängern wollen. Wenn ich ihre Worte von neulich richtig deute, sind das nämlich so einige, oder?“
„Ganz genau. Gerade heraus gesagt sind es die meisten. Justesen, Thygesen, Jessen und Nygaard will ich halten, unbedingt. Der Rest kann von mir aus gerne gehen. Bei Harstup und Lasse Thomsen ließe ich noch mit mir reden, sie sind noch jung und entwicklungsfähig. Aber der Rest, keineswegs.“
„Das sind dann sechs bis acht Abgänge, ohne irgendeinen finanziellen Gewinn.“
„Das sind sechs Spieler, die in der Hinrunde zusammen –“ ich sah auf meine Notizen „– 21 Spiele gemacht haben, kaum einer hat mal über 90 Minuten gespielt. Und das gäbe uns auf den Positionen finanziellen Freiraum für Neuverpflichtungen mit Erstligaqualität. Denn die hat der Kader aktuell nicht in der tiefe. Die Startelf ja, doch dahinter sind das durchschnittliche Zweitligaspieler. Für die bekämen sie auch sonst kaum einen Penny.“
„Gut, da dürften sie sogar mal recht haben. Und die Verlängerungen, wie stellen sie sich die vor?“
„Wie – ich soll das machen?“
„Sie sollen mir sagen, was sie wollen.“
„Ich will, dass sie verlängern. Möglichst lanfristig, möglichst ohne Ausstiegsklausel. Das müssten sie aber wissen.“
„Und womit soll ich die Spieler überzeugen? Es werden andere Angebote reinkommen.“
„Bei Mikkel Thygesen und Mads Justesen müssen sie nicht viel machen. Mads wurde in der Hinrunde einmal geschont, Mikkel hat keine einzige Minute verpasst. Sie sind beide Stammspieler, so lange sie das können. Mads Jessen und Ruben Nygaard sind Rotationsspieler mit Chancen für mehr, sie kriegen das schon hin.“ sagte ich und stand auf.
„Sie wollen schon gehen?“ fragte mich Jens Sørensen überrascht.
„Etwa nicht?“
„Oh Nein. In einer halben Stunde wird Miartin Pedersen mit seinem Berater hier auftauchen. Eine halbe Stunde später dann Thomas Hansen mit seinem Berater und das immer so weiter, bis jeder Spieler, dessen Vertrag ausläuft, Klarheit hat, ob er hier bleiben soll und ein Angebot bekommt, oder nicht.“
Ich sah ihn entgeistert an. „Sie Erwarten von den Spielern so eine Entscheidung an einem Tag? Das dauert Wochen und manchmal Monate, bis man sich da einigt, das wissen sie doch.“
„Es geht mir nur darum, schonmal klarzustellen, was die Spieler erwarten und zu erwarten haben und was uns erwartet. Wenn wir uns dann heute schon einigen können, sehr gut – wenn nicht, dann haben wir trotzdem eine Verhandlungsbasis.“
Ich wusste, dass er Recht hatte und vor allen Dingen, dass jeder Widerspruch zwecklos war und so setzte ich mich wieder. Die Gespräche mit den Spielern liefen schleppend und waren ermüdend, und auch wenn ich heute Herrn Bendiksen nicht begegnete, war mir jede Sekunde dieser Verhandlungen zuwieder. Sie erinnern sich nicht an Herrn Bendiksen? Das war der Schleimbeutel, der mir nach dem ersten Spieltag meinen Torwart abschwatzen wollte. Doch er konnte nicht viel dafür, es war nunmal ihr Beruf – so lernte ich heute jeden der Spielerberater hier zu schätzen und vor allen Dingen für ihr parasitäres Verhalten zu verachten. Sie drängten ihre Klienten zu finanziell besseren Verträgen, um selbst die dickste Rendite einzustecken. Doch die meisten der Gespräche liefen gut. Mikkel Thygesen und Mads Justesen, die beiden tragenden Säulen der Mannschaft, unterschrieben noch heute neue Arbeitspapiere bis 2017 beziehungsweise 2018. Auch Ruben Nygaard verlängerte hier bis 2017, auch wenn er im Gegensatz zu den anderen eine leichte Gehaltserhöhung bekam. Die Gespräche mit den Spielern, die keine neuen Verträge bekommen sollten, waren nur nervig. Denn hier saßen wir am längeren Hebel und das wussten auch die Blutsauger der Spieler, die uns von einer Vertragsverlängerung zu überzeugen versuchten, denn eine bessere Addresse als uns würden die Spieler wohl kaum finden. Doch wir blieben in jedem der Gespräche unserem Standpunkt treu und versicherten den Spielern aber auch, bis zum Sommer auf sie als Kaderergänzungen zu setzen und den Zeitpunkt der Veröffentlichung der News, sie würden hier nicht verlängern, ihnen zu überlassen. Lediglich bei zwei Spielern verhielt sich das anders: Rasmus Christensen und Thomas Hansen. Beiden legten wir einen Abgang im Winter nahe und informierten sie darüber, dass wir mit ihnen in der Rückrunde nicht mehr planten. Das hatte mit Sicherheit auch etwas mit dem Streit zwischen mir und ihnen zu tun, vor allen Dingen aber mit ihrer mangelnden Bereitschaft, sich danach weiter reinzuknien und um Einsatzminuten zu kämpfen. Unklarheit gab es am Ende des Arbeitstages so nur noch bei drei Spielern: Rune Hastrup, Lasse Thomsen und Mads Jessen. Während bei Hastrup und Thomsen die Sache davon abhängig war, ob ich bzw. wir günstigere oder bessere Alternativen bekommen würden, war es bei Mads Jessen der Spieler selbst, der nicht verlängern wollte – zumindest aktuell. Jessen war auf der Zehn die klare zweite Geige hinter unserem Top-Vorlagengeber Quincy Antipas, und als solche wollte er hier wohl nicht bleiben. Dennoch sah ich gute Chancen, ihn noch im Verein zu halten.
„Ich sagte ihnen doch, dass es eine Gute Idee war.“ meinte Jens Sørensen zu mir, nachdem der letzte Spieler samt Berater uns verlassen hatte.
„Ich muss es zugeben – sie hatten Recht, das lief wirklich sehr gut.“ stimmte ich ihm zu. Doch dann dämmerte mir etwas – es lief nämlich wirklich, wirklich gut.
„Nein, das lief zu gut.“
„Was?“ fragte Jens mich verduzt.
„Das lief zu gut. Wir haben uns mit drei von vier Spielern noch heute geeinigt, so etwas klappt nie. Bei einem Spieler vielleicht, aber nicht bei dreien auf einmal. Das heißt entweder haben die uns gelinkt – aber das wäre ihnen als erfahrenem Geschäftsmann sicherlich aufgefallen. Also bleibt nur das oder – oder sie haben mich gelinkt. Die Spieler haben heute keinesfalls ihr Angebot das erste Mal vorgelegt bekommen, sie haben schon lange im Voraus mit den Verhandlungen begonnen und das ohne mich. Sie haben überlegt, wen ich wohl haben will und dann haben sie das eingefädelt, mich dabei übergangen und stehen jetzt gut da.“
Jens Sørensens Gesicht verfärbte sich ein wenig und ich wusste, ich hatte ihn ertappt. „Sie haben Recht. Ich habe mit den Spielern und den Beratern ohne sie vorverhandelt, mit allen. Unverbindlich. Und deswegen hatten wir es heute einfach und es ging schnell, wo ist das Problem?“
„Wo das Problem ist?!“ Der Mann war wirklich unglaublich. „Ganz einfach: Das ist keine Ego-Nummer hier, sagen sie mir das das nächste mal vorher – Nein, verhandeln sie garnicht ohne mich! Und jetzt entschuldigen sie mich, ich muss nach Hause!“
„Dann – entschuldige ich mich, es wird nicht wieder vorkommen.“ sagte Jens resigniert.
„Stecken sie sich ihre Entschuldigung sonst wo hin!“
Mit diesen Worten stampfte ich davon – so langsam würden er und ich uns entweder zusammenraufen müssen, oder wir würden nicht lange beide hier bleiben können. Und mein Vertrag lief nur bis Saisonende, seiner bis 2017 – deswegen war ich – auch wenn es mir eigentlich mit jeder Faser meines Herzens zuwider war – für ein Zusammenraufen und hoffte, dass das im Wintertransferfenster passieren würde. Doch heute würde ich ihn nicht um Zusammenarbeit bitten, nicht nachdem er mich scheinbar ohne jedes Schuldbewusstsein hintergangen hatte.
Quellen: Thomsen, Jessen |