Nun spricht der Kapitän. Erstmals nach seiner harschen Kritik an Joachim Löw hat sich Michael Ballack zu Wort gemeldet. In einer Pressemitteilung kündigte der Chelsea-Star eine Entschuldigung beim Bundestrainer an. Bereits zuvor wurden neue Wege eingeleitet. Laut einer Pressemitteilung des DFB haben die beiden Streithähne erneut telefoniert. Ergebnis: Ein Treffen findet in Deutschland statt, und zwar dann, wenn der 31-Jährige von seiner Verletzung genesen und reisefähig ist.
"Ich werde mich in kürzester Zeit mit Joachim Löw zusammensetzen, sobald es mein Gesundheitszustand zulässt, und werde mich für mein Verhalten bei ihm entschuldigen", ließ der England-Legionär am Samstagabend in einer Pressemitteilung verlauten.
Ballack räumte zugleich selbstkritisch ein, dass er den falschen Weg gewählt habe. Dass er für seinen Gang an die Öffentlichkeit Kritik bekommen werde, habe er zwar geahnt, "dass es allerdings dieses Ausmaß annehmen würde, hätte ich nicht erwartet", heiß es weiter. "Und somit muss ich leider feststellen, dass es ein Fehler war, diesen Weg zu wählen".
Ballack meinte, er habe nicht die Absicht gehabt, den Bundestrainer anzugreifen, "sondern in erster Linie, Mitspieler zu schützen und zu unterstützen in der jetzigen schwierigen Situation in der sie steckten". Er schätze Löw sehr.
Das Interview in der FAZ sei situations- und nicht personenbezogen gewesen. "Ich wollte niemanden persönlich angreifen aber offen und kritisch Dinge ansprechen, die mir als Kapitän am Herzen lagen", sagte Ballack, der sich zum Inhalt des Interviews ansonsten nicht weiter äußern wollte.
Bereits am Samstagnachmittag hatten sich Löw und Ballack in einem Telefonat auf ein Vier-Augen-Gespräch geeinigt, das in Deutschland stattfinden soll. Dies teilte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit.
Der Genesungsprozess bei Ballack soll nach dessen Fußoperation nicht unterbrochen werden, deshalb werde abgewartet, bis im Laufe der Woche die Fäden an den Operationsnarben gezogen werden. "Ein genauer Termin steht deshalb noch nicht fest, das Gespräch soll aber baldmöglichst stattfinden", so DFB-Mediendirektor Harald Stenger am Samstagabend.
DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger stärkte dem DFB-Trainer am Samstagmittag jedenfalls den Rücken für das anstehende Vier-Augen-Gespräch. "Wenn der Bundestrainer aus dem Gespräch heraus das Gefühl gewinnt, das Vertrauensverhältnis ist doch stark gestört, dann muss er die Entscheidung treffen, die er für richtig hält", so Zwanziger im DSF.
Löw tief getroffen
Zuvor hatte Löws langjähriger Anwalt Christoph Schickhardt noch kräftig Öl ins Feuer gegossen. "Er war zuerst völlig fassungslos und enttäuscht von seinem Kapitän. Speziell der Vorwurf, mangelnden Respekt zu zeigen, hat ihn tief verletzt", sagte der Advokat in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung. "Da ist ihm der Kragen geplatzt. Für ihn ist Respekt geradezu eine Handlungsmaxime."
Wenn es zum geplanten Treffen zwischen dem Bundestrainer und seinem Spielführer kommt, sei "das Wort Gespräch in diesem Zusammenhang der falsche Begriff. Anhörung trifft die Sache wohl besser. Von deren Verlauf macht der Bundestrainer seine Entscheidung abhängig", erklärte der Ludwigsburger Sportanwalt, der sich mit diesen harschen Aussagen in den Zwist kräftig mit einmischte.
In Schickhardts Augen sind die Äußerungen des Chelsea-Spielers "sowohl inhaltlich als auch in der Form völlig daneben". Ballack habe die Kugel ins Rollen gebracht, "es liegt an ihm, sie wieder zu stoppen. Er muss eine Situation schaffen, die es Joachim Löw ermöglicht, ihn zu berücksichtigen. Ich weiß im Moment nicht, wie Ballack die Kurve kriegen will."
"Der Nationaltrainer hat sehr viel Zeit. Ich hätte mich gleich ins Flugzeug gesetzt und wäre zum Spieler geflogen."
Ottmar Hitzfeld über die Verzögerung des Treffens zwischen Ballack und Löw.
Schickhardt scloss auch einen Rauswurf Ballacks keineswegs aus. Der Anwalt sagt, für den Kapitän würde die Tür für interne Kritik "sperrangelweit" offen stehen, "niemand sollte sich aber in der Durchsetzungskraft und Konsequenz von Joachim Löw täuschen". Der Bundestrainer werde "angemessen und respektvoll mit ihm umgehen - das schließt die Möglichkeit jeder Entscheidung ein", wird der polternde Schickhardt zitiert.
Hitzfeld: "Und nun geht Vertrauen kaputt"
Auch Ottmar Hitzfeld befürchtet, dass viel Porzellan zerschlagen wurde. Er sei "gespannt, wie Jogi Löw dieses Problem lösen kann. Das ist eine schwierige Situation, weil Jogi Löw bekannt dafür ist, dass er sehr ehrlich ist und Vertrauen zu seinen Spielern aufbaut. Und nun geht Vertrauen kaputt", sagte der Schweizer Nationalcoach dem Bezahlsender Premiere.
Bei dem Machtkampf mit seinem Kapitän sieht Hitzfeld Löw deutlich im Nachteil. "Meine Philosophie ist immer: Wehret den Anfängen. Wenn irgendwo schon eine kleine Unstimmigkeit da ist, sollte man sofort auf das Problem zugehen und versuchen, es zu lösen", sagte der ehemalige Bayern-Coach. "Sobald ein Problem öffentlich wird, wird es schwierig. Dann gibt es viele Experte und viele Meinungen. Da kann man als Trainer nur verlieren."
Aus diesem Grund hätte er sich auch von Löw eine schnellere Reaktion gewünscht. "Der Nationaltrainer hat sehr viel Zeit. Ich hätte mich gleich ins Flugzeug gesetzt und wäre zum Spieler geflogen, um das unter vier Augen zu besprechen und aus der Welt zu räumen", so der 59-Jährige.
In die gleiche Kerbe hieb auch Bayern-Manager Uli Hoeneß. "Man hätte schon längst ein Flugzeug nach London nehmen können, dann wäre die Sache längst aus der Welt", sagte er bei Premiere.