Kunstrasen hin, Kunstrasen her - jetzt gilt's: Mit Blick auf den Roten Platz und die Kremlmauer hat Joachim Löw sein Elite-Kollektiv um Kapitän Michael Ballack auf das Spiel des Jahres gegen Russland eingeschworen und Gedanken an eine Niederlage im WM-Showdown zum Tabu erklärt.
Bloß nicht verlieren heißt das Motto des Bundestrainers, der einen Sieg in Moskau und das direkte Ticket für Südafrika 2010 zwar als Ziel ausgibt - aber schon über einen Punkt im ausverkauften Luschniki-Stadion jubeln würde. "Wir müssen nicht unbedingt
gewinnen. Wir müssen nicht auf Teufel komm raus alles auf eine Karte setzen", erklärte Löw bei einer Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft vor mehr als 100 Medienvertretern im noblen Hotel Baltschug Kempinski am Moskwa-Ufer.
Bestens vorbereitet
Löw geht mit einem "guten Gefühl" in das wohl entscheidende WM-Qualifikationsspiel am Samstag. Alle 22 Akteure sind einsatzbereit. "Wir haben alles Menschenmögliche getan", sagte der DFB-Chefcoach nach fünf Tagen akribischer, aber nicht reibungsloser Vorbereitung. Seit der Ankunft in Moskau "steigt die Spannung und Konzentration von Stunde zu Stunde", betonte Löw.
Auch Philipp Lahm fiebert der Stunde der Wahrheit entgegen: "Es ist ein Top-Spiel, mit
Sicherheit das wichtigste in diesem Jahr", sagte der Abwehrspieler, der von Löw wieder auf die linke Seite beordert werden dürfte. Führungsfigur Ballack ist sich sicher: "Wir werden das nötige Ergebnis erreichen."
Die DFB-Elf würde mit einem Sieg vorzeitig die Qualifikation für 2010 schaffen. Bei einem Unentschieden bliebe die Chance, sich mit einem Erfolg in der abschließenden Partie am kommenden Mittwoch in Hamburg gegen Finnland als Spitzenreiter der Gruppe 4 den Weg über die nervenzehrende Relegation (14./18. November) zu ersparen.
Gedanken an das Hinspiel
"Diese Ausgangslage ist ein Stück weit mit ausschlaggebend für die Taktik", verriet Löw. "Wir müssen defensiv kompakt stehen, mit elf
Spielern hinter den Ball kommen und in der Lage sein, mit allen Spielern zu verteidigen", ordnete der 49-Jährige als Marschrichtung an, um die erste Auswärtsniederlage einer DFB-Elf in 79 Jahren WM-Ausscheidung zu verhindern.
Konzentration heißt Löws Zauberwort. Kleinigkeiten werden das Spitzen-Duell entscheiden. "Wenn einige
Spieler nur auf 90 Prozent kommen, dann werden wir sehen, dass die Russen brandgefährlich sein können", warnte Löw. Auf Erfahrung kommt es für Lahm gegen die technisch versierten und in WM-Qualifikations-Heimspielen noch unbesiegten Russen an.
"Wichtig ist, dass es einen Kern gibt, der das Heft in die Hand nimmt", sagte der Bayern-Verteidiger. Miroslav Klose appellierte, den Geist von Dortmund nach Moskau zu übertragen: "Wir sind nicht nervös, aber natürlich auch nicht entspannt. Der Gegner ist uns ja nicht unbekannt, wir haben schon gegen ihn gespielt - und zwar erfolgreich. Das 2:1 im Hinspiel muss für uns der Maßstab sein."
Play it again, René!
Zum Déjà-Vu soll die Russland-Partie auch für
Torwart René Adler werden. Der Leverkusener vertritt wie im Hinspiel den maladen Robert Enke und könnte mit einem erneuten Gala-Auftritt ganz wichtige Punkte im Kampf mit Enke, Tim Wiese und Manuel Neuer um den Platz im deutschen WM-Tor machen. Seit 207 Länderspiel-Minuten ist Adler ohne Gegentor. Ist die Weste auch nach dem Spiel gegen Russland weiter weiß, hätte der Leverkusener auch persönlich einen großen Schritt Richtung Nummer 1 in Südafrika gemacht.
Vor dem mit bislang sechs Länderspielen noch unerfahrenen Adler wird Löw den bewährten Größen vertrauen und sein Team um das Gerüst Per Mertesacker, Lahm, Ballack, Bastian Schweinsteiger und Klose bauen. Der WM- und EM-erprobte Arne Friedrich wird wieder zum heißen Kandidaten als rechter Verteidiger und damit möglicher erster Kontrahent von Andrej Arshavin.
Arshavin im Fokus
Russlands Dribbelkünstler ist für Löw der Dreh- und Angelpunkt im Spiel des EM-Halbfinalisten. "Er gehört zu den absoluten Führungsspielern. Wir müssen die 1:1- Situationen gegen ihn gut lösen", forderte Löw. Ein Handicap bleibt der Kunstrasen, auf dem die DFB-Auswahl erstmals ein Länderspiel bestreitet. "Wir hatten mit dem Platz Probleme und Schwierigkeiten. Aber die Spieler gewöhnen sich besser an das ungewohnte Terrain", berichtete der Bundestrainer.
Einen letzten Check des Plastik-Grüns absolvierten die DFB-Profis 25 Stunden vor dem Anpfiff im Luschniki-Stadion. Der Kunstrasen könne auch noch die geplante Aufstellung kurzfristig beeinflussen, sagte Löw. "Es gibt schon noch zwei, drei Möglichkeiten, was die Besetzung betrifft."
Quelle: sportal.de