Zehn Leichtathletik-Stars, die keiner kennt
Usain Bolt und Tyson Gay? Na klar! Elena Isinbaeva? Kennt auch jeder. Aber wer ist eigentlich Pamela Jelimo? Mit der Leichtathletik-WM in Berlin rückt eine Sportart in den Vordergrund, die ansonsten wohl nur alle vier Jahre bei Olympischen Spielen eine ähnliche Aufmerksamkeit genießt. So ist es kein Wunder, dass viele Stars der Szene nur Insidern ein Begriff sind. sportal.de stellt zehn vor.
Pamela Jelimo
Der Weltrekord über 800 Meter stammt aus einer Zeit, als Frauen manchmal aussahen wie Männer und der kalte Krieg noch auf den Sportplätzen dieser Welt fortgesetzt wurde. 1983 lief Jarmila Kratochvilova aus der damaligen Tschechoslowakei die zwei Stadionrunden in 1:53,28 Minuten, es ist der älteste noch bestehende Weltrekord in der Leichtathletik. Seither ist diese Zeit in Stein gemeißelt.
Doch es gibt eine Läuferin, die diese Rekord gefährden könnte: Pamela Jelimo! Die 19-Jährige ist eines der zahlreichen Laufwunder aus Kenia. Ihr Aufstieg in der Saison 2008 war atemberaubend. Sie begann ihre Karriere als Sprinterin über 100, 200 und schließlich 400 Meter, doch die Entwicklung stagnierte. Ende 2007 begann sie mit ihrem Coach den Umstieg auf die 800 Meter.
Ihr erstes Rennen lief sie im April 2008 bei den kenianischen Trials für die Afrikameisterschaft. Sie wurde auf Anhieb Zweite. Bei den Titelkämpfen Anfang Mai blieb sie in 1:58,70 erstmals unter zwei Minuten und siegte vor Maria Mutola. Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Sie reihte einen Sieg an den nächsten und wurde immer schneller. 13 Rennen blieb sie ungeschlagen. Sie wurde Olympiasiegerin und schnappte sich den Jackpot von einer Million Dollar für sechs Siege bei den Golden-League-Meetings.
Einzig den Weltrekord knackte sie noch nicht. Ende August lief Jelimo in Zürich 1:54,01 Minuten, so schnell wie keine Frau seit Kratochvilova. 2009 musste Jelimo erste Rückschläge hinnehmen. Eine Verletzung zwang sie im Frühjahr zu einer Pause und einem behutsamen Einstieg in die Saison. Dass in Berlin mit ihr zu rechnen ist, bewies sie Ende Juli, als sie bei zwei Rennen schon wieder unter zwei Minuten blieb.
Dayron Robles
Das Jahr 2008 war eigentlich für Liu Xiang reserviert. Der chinesische Volksheld und damalige Weltrekrodler über 110 Meter Hürden sollte einer ganzen Nation den Olympiasieg in Peking schenken. Es kam anders: Im Vorfeld der Spiele verlor er seinen Weltrekord an Dayron Robles (12,87 Sekunden) und dann geriet der Auftritt Liu Xiangs in Peking zu einer nationalen Tragödie.
Trotz Verletzung quälte er sich ins Stadion und versuchte humpelnd den Vorlauf zu überstehen. Nach dem ersten Fehlstart brach er das Unterfangen ab und gab auf. Während die Nation trauerte, war der Weg für Robles frei. Ungefährdet gewann der Kubaner die Goldmedaille und dominierte seither nach Belieben. Liu Xiang wurde an der Achillessehne operiert, kehrte noch nicht wieder auf die Bahn zurück und kann folglich seinen WM-Titel in Berlin nicht verteidigen. Wer soll den 22-jährigen Robles also schlagen? Eigentlich keiner, jedenfalls ist es in dieser Saison noch niemandem gelungen.
Kenenisa Bekele
Zu Beginn seiner Karriere war er 'nur' der legitime Nachfolger seines äthiopischen Landsmanns Haile Gebrselassie, inzwischen ist Kenenisa Bekele längst aus dessen Schatten getreten und selbst zu einer Legende geworden. Insofern ist es fragwürdig, ihn als "Star den keiner kennt" zu bezeichnen. Zumindest in Deutschland konnte sein Bekanntheitsgrad mit seinen unglaublichen Erfolgen aber nicht Schritt halten.
Der 27-jährige hält die Weltrekorde über 5000 (12:35,37 Minuten) und 10.000 Meter (26:17,53) und räumte in den letzten Jahren beinahe alle Titel ab. Im Cross-Bereich dominierte Bekele bereits seit 2002, als er sowohl über die Kurz- als auch über die lange Distanz Weltmeister wurde. Insgesamt holte er seither elf WM-Titel im Gelände. Auf der Bahn gelang ihm 2003 die Wachablösung, als er Gebrselassie über 10.000 Meter besiegte und erstmals Weltmeister wurde.
In Berlin könnte er über diese Distanz mit dem vierten Erfolg in Serie erringen und damit seinem Landsmann (1993 bis 1999) nacheifern. Allerdings ist er in dieser Saison diese Strecke noch gar nicht gelaufen. Ob Bekele wie in Peking einen Doppelstart riskiert und auch die 5000 Meter läuft, bleibt abzuwarten. Der nur 1,60 Meter große Bekele verfügt gleichermaßen über Tempohärte und einen gnadenlosen Schlussspurt, was es in den letzten Jahren beinahe unmöglich machte, ihn zu besiegen. Drei Olympiasiege untermauern dieses eindrucksvoll.
Nelson Evora
Als Sohn kapverdischer Eltern wurde Nelson Evora in der Elfenbeinküste geboren. Seit 2002 besitzt er einen portugiesischen Pass und poliert seither die Medaillenbilanz der Iberer auf. Der 25-Jährige wurde Weltmeister 2007 und Olympiasieger 2008. Als Dreispringer ist das durchaus bemerkenswert, da die Leistungsdichte in dieser Disziplin extrem hoch ist. So bietet sich Evora nun die große Chance, als erster Dreispringer der Geschichte, seinen WM-Titel zu verteidigen. Das gelang nicht einmal seinem großen Vorbild und Weltrekordhalter Jonathan Edwards. Zuzutrauen ist Evora dieses Kunststück allemal.
Er ist ein echter Wettkampftyp, der auf den Punkt seine Leistung abrufen kann. 2007 stellte er bei der WM mit 17,74 Metern seine persönliche Bestmarke auf, in Peking kam er mit 17,67 Meter ganz nah heran. Doch das soll nicht das Ende der Fahnenstange sein. "18 Meter zu springen wäre ein Traum, aber der Titel genießt meine Priorität", erklärte er im Vorfeld der WM. Evora ist übrigens auch ein hervorragender Weitspringer und wurde 2006 bei der EM in Göteborg Sechster. In Berlin will er über einen Doppelstart kurzfristig entscheiden.
Irving Saladino
Mit Sebastian Bayer hat Deutschland endlich wieder einen Weitspringer von internationalem Format, favorisiert sind in Berlin jedoch andere. Irving Saladino zum Beispiel. Der 26-Jährige bescherte Panama in Peking das erste Olympia-Gold überhaupt. Ein Jahr zuvor war er in Osaka bereits Weltmeister geworden. Angesichts seines Alters gehört ihm mit Sicherheit die Zukunft, in der Gegenwart lauert mit dem sechs Jahre älteren Dwight Phillips noch ein ganz gefährlicher Rivale.
Der Amerikaner war ebenfalls schon Weltmeister und Olympiasieger und hegt wie Saladino einen großen Traum. Was Bob Beamon (8,90) und Weltrekordler Mike Powell (8,95) nicht schafften, wollen die aktuell stärksten Springer der Welt vollbringen: den ersten Satz über neun Meter. "Es ist ein Traum, aber es ist möglich", erklärte Saladino gegenüber der spanischen Zeitung As. Seine bisherige Bestweite beträgt 8,73 Meter. Das ist ein Zentimeter weniger als sein Rivale Phillips bisher sprang.
Gerd Kanter
Kanter-Siege gab es in den letzten Jahren reihenweise. Der Este hat unglaubliche 28 Mal in Serie den Diskusring als Sieger verlassen. Angesichts dieser Dominanz dürfen wohl nur kühne Optimisten ernsthaft an einen Erfolg von Deutschlands Hoffnungsträger Robert Harting glauben.
In Estland ist der 30-Jährige ein Star. Nach seinem WM-Sieg 2007 wurde er in der Heimat zum Sportler des Jahres gewählt, nach Olympiagold in der folgenden Saison wurde ihm eine Briefmarke gewidmet. Ein Denkmal wird ihm womöglich erst gesetzt, wenn er auch noch den 23 Jahre alten Weltrekord von Jürgen Schult (74,08 Meter) bricht. 2006 war er mit 73,38 Metern schon ganz nah dran.
Valerie Vili
Die Neuseeländerin ist mit 1,96 Meter Körpergröße und einem Gewicht von 120 Kilogramm nicht nur eine imposante Erscheinung, sondern sie hat auch optimale Voraussetzungen für das Kugelstoßen. Diese setzt sie seit ihrem 14. Lebensjahr konsequent in Leistung um. Ihre derzeitige Vormachtstellung ist das Produkt einer kontinuierlichen Entwicklung.
Vili war Jugend-, Junioren- und Senioren-Weltmeisterin, was nur wenigen Sportlern zuvor gelang. In Peking wurde die 24-Jährige zudem Olympiasiegerin. Vili ist in Berlin die wohl sicherste Wette auf eine Goldmedaille. Seit knapp zwei Jahren hat sie nicht mehr verloren. Seit rund fünf Jahren stand sie bei jedem Wettkampf zumindest auf dem Podium. In dieser Saison stellte sie ihre persönliche Bestleistung von 20,69 Meter auf. Mentale Unterstützung bekommt sie von ihrem Ehemann Bertrand. Der Neukaledonier ist Diskuswerfer und bei der WM für Frankreich am Start.
Steven Hooker
Wer an Stabhochsprung denkt, der denkt an Sergey Bubka. Der Ukrainer dominierte in den 80er und 90er Jahren nach Belieben und sprang seinerzeit in neue Dimensionen. In der ewigen Freiluft-Bestenliste steht sein Name 13 Mal an der Spitze. Bubka hält unangefochten beide Weltrekorde (6,15 Meter/Halle und 6,14 Meter/Freiluft). Ganz langsam tastet sich mit Steven Hooker nun ein Athlet in diese Dimensionen vor.
Der Australier überquerte 2008 erstmals die magische Sechs-Meter-Marke und krönte die Saison mit dem Olympiasieg in Peking. Für einen Paukenschlag sorgte der 27-Jährige Anfang dieses Jahres, als er in der Halle 6,06 Meter überquerte. So hoch war außer Bubka noch nie ein Mensch gesprungen. Bei der WM ist er gemeinsam mit Renaud Lavillenie der Topfavorit. Der 22-jährige Franzose sorgte mit 6,01 Meter in diesem Jahr ebenfalls für Furore. Einem tollen Duell steht jetzt nur noch die Gesundheit Hookers im Wege. Im Training zog er sich eine Adduktorenzerrung zu, die seinen Start noch gefährden könnte.
Barbora Spotakova
Keine andere Disziplin ist aus deutscher Sicht so gut besetzt wie der Speerwurf der Frauen. Mit Christina Obergföll und Steffi Nerius schickt der DLV gleich zwei Medaillenhoffnungen ins Rennen. Dumm nur, dass es in der Vergangenheit zumeist eine Athletin gab, die den Deutschen einen Strich durch die Rechnung machte: Barbora Spotakova.
Die Tschechin heimste bei der letzten WM und Olympia jeweis den Titel ein und sorgte 2008 mit 72,28 Meter in Stuttgart zudem für einen neuen Weltrekord. Klar, dass sie nun auch in Berlin mit der Favoritenbürde leben muss. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Obergföll in diesem Jahr mit 68,59 Meter die Bestmarke hält. Nach dem Gesetz der Serie wird sie sich wie bei den letzten beiden Weltmeisterschaften mit Silber begnügen müssen. Nerius belegte bei den letzten drei Titelkämpfen jeweils den dritten Platz.
Tirunesh Dibaba
Sie ist das weibliche Gegenstück zu Kenenisa Bekele und die Ehefrau von dessen Dauerrivalen Sileshi Sihine (Olympia-Zweiter 2004 und 2008). Die Rede ist von Tirunesh Dibaba. Sihine und Dibaba, das ist seit der Hochzeit im Jahr 2008 das Traumpaar des äthiopischen Sports. Sie ist gerade einmal 24 Jahre alt und hat eigentlich schon alles erreicht. Als 18-Jährige mischte sie die Weltelite auf und wurde 2003 in Paris Weltmeisterin über 5000 Meter. Zwei Jahre später in Helsinki wiederholte sie den Triumph und siegte auch noch über die doppelte Distanz. Das hatte zuvor noch keine Frau geschafft. 2007 begnügte sie sich mit einem Start und folglich einem Gold über 10.000 Meter.
In Peking holte sie sich wieder beide Goldmedaillen ab. Nebenbei wurde sie auch schon achtmal Cross-Weltmeisterin. Wenn Dibaba mal nicht gewann, war sie entweder nicht am Start oder aber sie musste Meseret Defar den Vortritt lassen. Ihre äthiopische Landsfrau ist lediglich ein Jahr älter und ebenfalls seit einem halben Jahrzehnt im Geschäft.
Weltmeisterin und Olympiasiegerin war sie auch und nach den neuesten Entwicklungen ist sie auch die Topfavoritin über die 10.000 Meter. Denn alle Fans, die sich auf das erste 10.000-Meter-Duell bei einer WM zwischen Defar und Dibaba gefreut haben, werden trauern. Am Tag vor WM-Beginn musste Dibaba ihren Start wegen einer Verletzung absagen. Gleiches gilt auch für ihren Ehemann Sihine. Dibaba wird immerhin vielleicht die 5000 Meter laufen können.
Lars Ahrens
Quelle:http://www.sportal.de