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  1. Linker Patriotismus?

    #1
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    Standard Linker Patriotismus?

    Eine Debatte, welche schon lange geführt wurde und welche nun durch die Rede Özdemirs im Bundestag noch einmal eine neue und wie ich finde interessante Perspektive bekommt:
    Was bedeutet Deutsch-Sein? / Für was steht Deutschland?

    Er hat sich in seiner emotionalen und sicher nicht sachlichen Rede gezielt gegen Vorstellungen der AfD vom Deutsch-Sein gestellt. Diese hatte die Causa Yücel in diesen Rahmen gesetzt: Ist Deniz Yücel Deutscher? Hasst er Deutschland nicht sogar? Zeigen sich in der Person Yücel Probleme mit der doppelten Staatsbürgerschaft?

    Bis dahin erstmal nichts wirklich Neues, aber das soll jetzt kommen. Ich hatte es in einem anderen Thread bereits verlinkt: Der Politikwissenschaftler Mounk hat nicht als Erster darauf hingewiesen, dass man der Debatte um Patriotismus oder Leitkultur aus linker bzw. liberaler Sicht etwas entgegen setzen müsse. Statt einem exkludierenden, rechten Patriotismus solle ein inklusiver, linker Patriotismus geschaffen werden. Die Rede Özdemirs kann zumindest als Reaktion auf den Nationalismus und geforderten Patriotismus der AfD gesehen werden, denen er etwas entgegensetzen will.
    Da stellt sich natürlich die Frage, ob das, ein linker und damit inklusiver Patriotismus, notwendig ist? Ist es überhaupt sinnvoll bzw. effektiv gegen den Nationalismus und rechten Patriotismus der AfD?

    Özdemir hat es vor allem über einen Verfassungspatriotismus versucht. Deutschland steht demnach für seine Werte der Verfassung: Meinungs- und Pressefreiheit sprach er an und sprach diese Werte der AfD ab. Das wurde eigentlich auch in der Debatte um die Leitkultur oft eingewendet, dass wir eben keine brauchen, weil wir unser Grundgesetz haben, das uns die entscheidenden und verbindlichen Werte vorgibt.
    Interessant finde ich persönlich ja auch den kölschen Lokalpatriotismus, der meiner Meinung nach ein gutes Beispiel für einen identitätsstiftenden, aber doch sehr linken und inklusiven Patriotismus sein könnte. Da könnte ich jetzt viel zu schreiben, aber ich möchte es kurz halten und einerseits auf das kölsche Grundgesetz verweisen und einen Artikel hervorheben ("Jede Jeck is anders") sowie auf ein Lied der Bläck Föös ("Unser Stammbaum", in dem es unter anderem heißt "Su simmer all he hinjekumme, mir sprechen hück all dieselve Sproch. Mir han dodurch su vill jewonne. Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing. Dat es jet, wo mer stolz drop sin."). Zum kölschen Lokalpatriotismus gehört also gerade die Toleranz und der Stolz auf die Vielfalt in der Stadt.

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  2. AW: Linker Patriotismus?

    #2
    Fußballgott Avatar von Pinturicchio
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    Standard AW: Linker Patriotismus?

    Mir zu viel Patriotismus im Text, nix verstanden, Politik nicht mein Hauptfachgebiet.
    aber die Rede von Özdemir fand ich sogar sehr gut.

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  3. AW: Linker Patriotismus?

    #3
    Spitzen-User Avatar von marc
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    Standard AW: Linker Patriotismus?

    Was heißt "inklusiver" Patriotismus?

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  4. AW: Linker Patriotismus?

    #4
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    Standard AW: Linker Patriotismus?

    So hat es Mounk beschrieben, auf den ich mich damit bezogen habe:

    Deshalb glaube ich, dass es der viel bessere Ansatz ist, für einen inklusiven Patriotismus zu kämpfen, indem man sagt: Ja, es bedeutet etwas, Deutscher zu sein. Und wir verbinden damit etwas. Aber wir kämpfen darum, dass jeder da mit eingebunden sein kann, dass ein Schwarzer oder ein Muslime oder ein Hinduist oder ein Jude genauso Deutscher sein kann wie jemand, der weiß und christlich ist und dessen Ur-Ur-Ureltern schon in Deutschland gelebt haben. – Das halte ich für die bessere Art, mit dem negativen Potenzial, mit dem gefährlichen Potenzial des Nationalismus umzugehen, als zu sagen, nein, wir überlassen den Nationalismus vollkommen den Rechten.

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  5. AW: Linker Patriotismus?

    #5
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    Standard AW: Linker Patriotismus?

    Kann jeglichem Patriotismus nichts abgewinnen. Dazu später mehr ausführlich.

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  6. AW: Linker Patriotismus?

    #6
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    Standard AW: Linker Patriotismus?

    An sich ein interessanter Ansatz aber Patriotismus ist eig immer gefährlich. Egal ob links oder rechts.
    Zumindest wenn es solche Auswüchse bildet wie es zur Zeit ist. Denn die meisten "Rechten" verstecken sich nur hinter dem Patriotismus und wollen dort ihren Fremdenhass oder die Angst verstecken.

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  7. AW: Linker Patriotismus?

    #7
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    Standard AW: Linker Patriotismus?

    Zitat Zitat von forza juve Beitrag anzeigen
    An sich ein interessanter Ansatz aber Patriotismus ist eig immer gefährlich. Egal ob links oder rechts.
    Zumindest wenn es solche Auswüchse bildet wie es zur Zeit ist. Denn die meisten "Rechten" verstecken sich nur hinter dem Patriotismus und wollen dort ihren Fremdenhass oder die Angst verstecken.
    Das stimmt auf jeden Fall, auch von Der Linken gab es ja schon nationalistische Töne. Linker Patriotismus trifft es dann vielleicht wirklich nicht so gut wie inklusiver Patriotismus. Auch dabei, dass viele hinter dem Patriotismus eben einfach nur Fremdenhass und Angst verstecken, stimme ich dir voll zu.
    Die Frage ist ja nur, was dagegen machen und ob es dann ein Ansatz sein kann, einen anderen Patriotismus zu schaffen, der eben wie zum Beispiel beim kölner Lokalpatriotismus die Toleranz schon beinhaltet und Fremdenhass als fremd / nicht zu Köln passend brandmarkt. Beim Fußball versucht man dies ja auch durch die Betonung ("Die Welt zu Gast bei Freunden", "Fußball gegen Rassismus", "Fußball als Integrationsinstanz") und es zeigt sich eine Kontroversität, denn Fußball hat wie bei der WM ja durchaus auch das Potenzial, für nationalistische Meinungen missbraucht zu werden.

    Ein weiteres Beispiel zu der Debatte, wie man Deutsch-Sein uminterpretieren könnte ist das (wie ich finde fantastische) Lied und Video von Böhmermann Be Deutsch. (Sidenote: Wäre mMn ein perfekter Beitrag von Deutschland beim ESC gewesen):


    Ein mMn sehr gelungenes Beispiel, wie man Deutsch-Sein in einem inklusiven Sinne uminterpretieren kann und zum Beispiel den Diskurs darüber nicht der CSU und der AfD überlässt.

    Aber vielleicht sind das sogar zwei verschiedene Aspekte: Patriotismus und Deutsch-Sein / Leitkultur / deutsche Identität.

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    Geändert von tibo (03.03.2018 um 19:24 Uhr)
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  8. AW: Linker Patriotismus?

    #8
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    Standard AW: Linker Patriotismus?

    Patriotismus von linker Seite zu vereinnahmen, halte ich für eine schlechte Idee. Alles, was Patriotismus grundsätzlich ausmacht, ist zutiefst reaktionär und verweigert sich all den möglichen linken Idealen, für die man sich einzusetzen versucht. Eine Welt ohne Grenzen, eine Überwindung des Kapitalismus, eine Veränderung der Gesellschaft, ein soldiarisches Miteinander (usw.), ist mit patriotischen Ideen oder Merkmalen einfach unvereinbar. Allerdings kenne ich die Debatte und gerade in bürgerlich-linken Kreisen regen sich die Stimmen, dass man doch auch "mal auf was stolz sein sollte". Exemplarisch werden da meist eins oder mehrere von folgenden Themen genannt:

    a) der Umgang mit der NS-Zeit: Besonders auf die Erinnerungskultur könne man doch als Deutscher stolz sein, vgl. dazu unter anderem die Rede von Özdemir. Ja, die Aufarbeitung der Nazi-Diktatur und der Shoah war im Vergleich zu anderen Ländern gut und war und ist besser als nichts, aber weit davon entfernt, perfekt zu sein. Immerhin saßen bis in die neunziger Jahre lupenreine Nazis in deutschen Parlamenten, Kurt-Georg Kiesinger konnte sogar Bundeskanzler werden. Unter Jüngeren entsteht häufig der Eindruck, man habe mit all dem ja gar nichts mehr zu tun. Es ist allerdings etwas komisch, als (Ur-)Enkel darauf stolz zu sein, dass man das verurteilt, was der (Ur-)Großvater begangen hat. Zumal sich nun wirklich die wenigsten damit rausreden können, sie haben damals von all dem nichts gewusst, vgl. dazu die vor kurzem erschienene Studie, dass die Gestapo lediglich 11% ihrer Opfer selbst ausfindig gemacht hat. Mal abgesehen davon, dass der wieder aufkommende Antisemitismus bzw. Rechtsruck das beste Gegenargument ist, dass man aus alledem gelernt habe und das nie wieder passieren könne.

    b) Deutschland sei doch ein Einwanderungsland: Ja, ist es. Aber die ach so tolle Willkommenskultur verschleiert, dass in diesem Land ein Großteil der Menschen (extrem) rassistisch eingestellt ist, vgl. Umfrageergebnisse für die AfD + noch rechtere Parteien. Genauso verschleiert sie auch, dass hier ganz nebenbei - ohne große Debatten - gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die keineswegs auf eine Integration von Geflüchteten abzielt, sondern vielmehr auf eine Ghettoisierung und Ausweitung der Zahl prekär Beschäftigter, vgl. dazu den Plan der (evtl.) kommenden Bundesregierung in Zukunft hier ankommende Menschen für bis zu drei Jahre in Internierungslagern festzusetzen. Dagegen gibt es in der breiten Masse der Bevölkerung absolut kein Aufbegehren. Staatliche Diskrimierung wird hier schweigend mitgetragen und dieses Verhalten steht konträr zu einem angeblich so offenen Land.

    c) Die Verfassung: Ganz beliebt und unglaublich von Jan Böhmermann befeuert ist der "Verfassungspatriotismus" - jegliche Diskussion mit dem Verweis auf's Grundgesetz erstickt, denn dieses würde wirklich toll sein und sowas wie in Amerika zum Beispiel wäre hier ja nicht möglich. Die deutsche Verfassung ist nun wirklich nicht schlecht, doch ist auch sie in einem geschichtlichen Kontext entstanden, das erklärt unter anderem auch, wieso immer noch Nazi-Paragraphen vorzufinden sind. Zudem erscheint mir ein ständiger Verweis auf das Grundgesetz als unglaublich konservativ und keineswegs zielführend, wolle man sich an gesellschaftliche Veränderungen anpassen. Denn eine fortlaufende Veränderung und Diskussion um Änderungen an der Verfassung sind nötig, um überhaupt eine zeitgemäße Zielvorgabe für eine Gesellschaft bilden zu können. Grundsätzlich sollte das ganze Grundgesetz in Frage gestellt werden müssen und nicht als "Leuchtturm der Demokratie" verklärt werden.

    Insgesamt stehe ich absolut allem, was sich als irgendwie identitätsstiftend oder gruppenbildend versteht, kritisch bis ablehnend gegenüber. Ein "Wir sind Weltmeister" müsste in der Logik vieler (Party-)Patrioten gleichberechtigt neben einem "Wir schieben Menschen in Kriegsgebiete ab", einem "Wir zünden Flüchtlingsheime an" stehen. Sich nämlich beim einen damit herauszureden, dass man doch selbst kein Rassist sei, würde ich entgegenhalten, dass man selbst ja auch nicht in Brasilien auf dem Platz stand. Vor allem bildet ein Patriotismus immer Gruppen, die sich gegenseitig ausspielen, Gruppen, in denen man sich zwangsläufig mit Sachen gemein macht, die man selbst gar nicht teilt. Jemand der Fahnen schwenkend bei der WM durch die Straßen läuft, ordnet sich beim Public Viewing in die gleiche Gruppe ein, wie der Rassist, der danach aus Frust seinen Dönermann verhauen geht. Kein wie auch immer gelagerter Patriotismus widersetzt sich der Gruppenbildung, der Ausgrenzung von anderen, der moralischen Hervorhebung.

    Abschließend zu diesem langen Text noch ein bisschen Namedropping, denn wie Adorno einst sagte:
    "Wird eine Fußballweltmeisterschaft vom Radio übertragen, deren jeweiligen Stand die gesamte Bevölkerung aus allen Fenstern und durch die dünnen Wände der Neubauten hindurch zur Kenntnis zu nehmen gezwungen ist, so mögen selbst spektakulär verschlampte Gammler und wohlsituierte Bürger in ihren Sakkos einträchtig um Kofferradios auf dem Bürgersteig sich scharen. Für zwei Stunden schweißt der große Anlass die gesteuerte und kommerzialisierte Solidarität der Fußballinteressenten zur Volksgemeinschaft zusammen. Der kaum verdeckte Nationalismus solcher scheinbar unpolitischen Anlässe von Integration verstärkt den Verdacht ihres destruktiven Wesens."

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  9. Folgender Benutzer sagt Danke zu Brokkoli für den nützlichen Beitrag:

    tibo (03.03.2018)

  10. AW: Linker Patriotismus?

    #9
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    Standard AW: Linker Patriotismus?

    a) Dass die Aufarbeitung keineswegs perfekt war, zeigt ja schon, dass sie sehr spät begonnen hat. Auch den anderen von dir genannten Punkten kann ich nur zustimmen. Im Vergleich zu anderen Ländern waren rechte Parteien in Deutschland sehr lange sehr irrelevant (nicht dass es diese nicht gegeben hätte und sie Teilerfolge feiern konnten, aber es geht ja um die Relation zu anderen Ländern), was in politikwissenschaftlichen Schriften mitunter eben auf die Erfahrungen aus dem Nationalsozialismus und eine gewisse Immunisierung (ich meine das war der genutzte Begriff / die genutzte Metapher in etwa) bezogen wurde. Nicht umsonst versucht die AfD ja sehr vieles, die Erinnerungskultur umzudeuten bzw. als mittlerweile irrelevant zu markieren. Eine Betonung dieser Erinnerungskultur (Stolz ist vielleicht das falsche Wort, aber wenn es im Sinne eine Immunisierungsfunktion gegenüber der AfD hilfreich ist, soll es mir recht sein) könnte also durchaus linken bzw. antifaschistischen Idealen zuträglich sein.

    b) Ja, du hast vollkommen Recht damit, dass es Umstände gibt, welche dagegen sprechen, dass wir eine erfolgreiche und gelungene Willkommenskultur geschaffen haben. Ich habe es direkt nach bekannt werden des Koalitionsvertrages im anderen Thread auch kritisiert, dass mit der Politik eine Ausgrenzung mit all ihren negativen Folgen (wie z.B. einer höheren Kriminalitätsrate) geschaffen wird.
    Ich hoffe, ich habe es im Ausgangspost deutlich gemacht, dass ein Patriotismus oder ähnliches nicht zu meinen Idealen gehört, ich mich aber eben frage, ob er, der sogenannte inklusive Patriotismus, helfen könnte. Wie du schreibst, werden die auch von mir kritisierten politischen Maßnahmen schweigend hingenommen bzw. würde ich sagen sogar von sehr vielen deutlich begrüßt. Aber genau da setzt meine Ausgangsfrage ja ein: Könnte das nicht anders sein, wenn eine Willkommenskultur wirklich zu einem deutschen Selbstbild gehören würde? Denn dass ein Stolz auf eine gelungene Willkommenskultur zwangsläufig andere Umstände wie die aktuellen politischen Maßnahmen der eventuellen GroKo verschleiert, würde ich anhand meiner eigenen Person widerlegen. Des Weiteren möchte ich den Text Alexander Häuslers anführen, der zum Potenzial eben jener Aktivierung gegen solche Maßnahmen (sprich: gegen das Schweigen) durch die kölsche Identität bestehend u.a. aus eben jenem Stolz auf die Toleranz differenziert konstatiert:

    Das viel beschworene Kölner Lebensgefühl ist eine Konstruktion, ein umkämpftes Narrativ: "Der" tolerante, bierselige Feier-Kölner spiegelt nicht die vielfältige Lebensrealität der Stadtgesellschaft wider. Andererseits gibt es durchaus stark verbreitete kollektive Identifikationsangebote in Köln, die nicht zuletzt auch immer wieder politisch aufgeladen werden und in kollektiven Aushandlungsprozessen materielle Gestalt annehmen. Die Konstruktion kollektiver Identität in der Stadtgesellschaft funktioniert nach den Mechanismen symbolischer Politik: Durch die Deutung historischer Ereignisse, die Besetzung von tradierten alltagskulturellen Handlungsmustern, von Begriffen, Schlagworten und Parolen wird – analog zu zeitgemäßen Werbestrategien in einer sich medial vermittelnden Welt – kollektive Identität konstruiert. Solche Identitätskonstruktionen können für unterschiedliche Zwecke benutzt und missbraucht werden. In Köln, dem liebevoll-ironisch deklarierten "Biotop für Bekloppte", zeigt sich die Besonderheit des kommunal konstruierten Wir-Gefühls auch darin, dass es regelmäßig zu einer Mobilisierungsressource für kommunales Engagement gegen Rechts nutzbar gemacht wird.
    Kursiv hierbei hervorgehoben, was du ja auch schon geschrieben hast und dem ich zustimmen würde, dass eine Identität nie auf alle zu einer Gruppe Zugehörigen zutrifft. Fett hervorgehoben habe ich hier, was meine Hoffnung bestärkt, dass aber eine gewisse Form des Patriotismus genau das Potenzial hat, das von dir kritisierte Schweigen gegenüber rechten Menschen und rechter Politik zu brechen, indem es eine "Mobilisierungsressource" ist.

    c) Verzeih mir, dass ich den Punkt etwas übergehe, ich finde die ersten beiden interessanter. Nur kurz: Die Verfassung und vor allem die Auslegung dieser ist sehr wohl veränderbar und es wird auch darüber diskutiert (siehe Debatte um die Ehe für alle). Ich denke ich bin nicht sonderlich konservativ, aber gewisse Werte, die auch im GG festgeschrieben sind, sind doch zeitlos (Gleichheit vor dem Gesetz, Meinungs- und Pressefreiheit etc.). Und es ist ganz gut, dass eine Änderung des GG nicht leicht ist, denn es schützt ja nicht nur manche "Nazi-Paragraphen", sondern auch Paragraphen, die in meinem und deinem Interesse sind. Insofern kann das GG mMn durchaus ein "Leuchturm der Demokratie" sein, denn Demokratie verfolgt ja keine ideologischen Ziele, sondern ist erstmal nur eine politische (Grund-)Ordnung.


    Insgesamt würde ich folgern: Wenn die These ist, dass ein gelungener inklusiver Patriotismus erfolgreich gegen rechtes Gedankengut und rechte Politik sein kann, dann kann die aktuelle Lage in Deutschland diese These nicht direkt widerlegen, denn diesen erfolgreichen, kollektiv geteilten inklusiven Patriotismus gibt es Stand jetzt noch nicht. Bei den beiden Beispielen, der Erinnerungs- und der Willkommenskultur, finde ich aber durchaus Anhaltspunkte, welche die These unterstützen könnten. Nur deshalb denke ich, ist eine Auseinandersetzung mit der These sinnvoll. Die These beschäftigt mich nicht aus idealer, sondern aus pragmatischer Sicht. Ich denke nämlich nicht, dass Patriotismus oder etwas Identitätsstiftendes und Gruppenbildendes zwangsweise zum Ausspielen von Gruppen gegeneinander führt, sondern sehe (wie forza_juve es auch schon schrieb) natürlich in erster Linie die Gefahr darin als sehr bedenkenswert. Des Weiteren würde ich es nicht teilen, dass etwas Gruppenbildendes oder Identitätsstiftendes nicht zuträglich für linke Ideale wäre. Dies könnte die Arbeiterbewegung als Beispiel widerlegen.

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