Mitten in der Nacht wachte ich durch einen Albtraum schweißgebadet auf und hatte einen Puls, als hätte ich gerade ein Cupspiel inclusive Verlängerung gespielt. Ich braucht einen kurzen Augenblick, nachdem ich auf der Bettkante sah und mich beruhigte, um aufzustehen und mir das Gesicht mit kaltem Wasser zu spülen. Ich blickte in den Spiegel, zum Glück hatte die Aufregung noch keine Falten hinterlassen, aber ich brauchte einen klaren Kopf, so konnte es nicht weitergehen. Immer wieder fielen mir dabei Ciro's Worte ein, hatte ich mich wirklich schon entschieden? Konnte eine Nacht alle Gefühle für Ioana, die ich mir in 3 Jahren Beziehung aufgebaut und angeeignet habe, wirklich einfach so ausradieren? Weshalb jetzt plötzlich die Zweifel? Ein normaler Mensch würde in solch einer Situation wohl zum Psychologen gehen, ein Schürzenjäger ins nächste Puff, da ich aber weder etwas von Psychologen hielt und Puffbesuche als Profifußballer nicht besonders imagefördernd waren, brauchte ich einen dritten Weg. Ich brauchte jemanden, der mich gut kennt, der auch Ioana kennt und von der Art und Weise eher Nordländer ist.
So kam mir mitten in der Nacht also die Idee Nicklas Bendtner anzurufen, welcher jedoch wenig gesprächig war und mit ein paar kurzen dänischen Schimpfwörtern wieder auflegte. Keine paar Minuten später klingelte mein Handy und auf dem Handy leuchtete Bogdan's Nummer. Ich hob ab und offensichtlich hatte er damit gerechnet, trotz der Tatsache, dass es kurz nach halb 5 Uhr morgens war.
'Sorin, Alter, ich hoffe ich habe dich nicht geweckt, aber kannst du mir einen Rat geben? Du hast ja Erfahrung damit, eine Frau länger als einen Monat zu treffen, wie läuft sowas im Normalfall? Muss man viel tun, um so etwas dauerhaft aufrecht zu halten, oder muss ich mich lediglich damit abfinden, nur noch ein und dieselbe Frau zu poppen?'
'Nein, Bogdan, im Normalfall läuft alles 2 Jahre lang super, danach schwängerst du sie, vergnügst dich eine Nacht in Thailand und die Zweifel gewinnen Oberhand!' gab ich ihm sarkastisch als Antwort.
'Soll das heißen, du hast.... das hätte ich echt nicht gedacht, Sota.'
'Wieso? Hast du vergessen, wie ich, wie wir früher waren?'
'Neeeein, wie könnte ich das denn, das war zu legendär, aber zu Silvester oder die anderen Male, als wir uns getroffen haben, wirktest du so verändert, so reif, dass ich dachte, ich würde den alten Sota nie mehr sehen. Lass dir was sagen, Alter, wirf das nicht alles hin, ich kann sie zwar nur bedingt leiden, weil sie mich, denke ich, hasst, aber wenn ich sehe wie glücklich ihr seid, wie du dich verhältst, wenn du mit ihr zusammen bist, dann beneide ich euch beide schon um das, was ihr habt!'
Ich schluckte kurz, mit so einer Reaktion, noch dazu von Bogdan hätte ich am wenigsten gerechnet. 'Gib mir mal Bogdan ans Telefon!' scherzte ich.
'Sota, ich bins schon. Denk mal darüber nach, würdest du es nicht bereuhen, wenn du morgens nicht mehr neben Ioana aufwachen würdest?'
'Sag mal, bist du wieder komplett blau, oder was ist mit dir los?'
'Nein, Alter, ich kann nicht blau sein, ich muss ernst bleiben, hab gleich ein Date. Aber ernsthaft, gib das nicht auf, bloß wegen irgendeinem Urlaubsfick!'
'Und wieso kann ich diesen dann nicht vergessen?'
'Subkutane Unterbewusstseinserinnerungen, Alter!'
'Was für Dinger? Sind die ansteckend?'
'Dein Unterbewusstsein spielt dir einen Streich, die Situation in der du dich befindest mit der Vaterrolle will noch nicht so wirklich da oben rein und deshalb flüchtest du dich in die heile Welt, die Thailänderin und diese Erinnerung gauckelt dir nun das Ideal vor, nach welchem du leben möchtest!'
'Alter, wo hast du das her, und was mache ich dagegen?'
'Ich lese! Beschäftige dich mit den Kindern, vergiss die Erinnerungen und lebe dich in deine neue, richtige Welt ein, dann wird das ganz von alleine............... Oh, Alter, ich muss wirklich los!'
'Bis bald, Bogdan, danke. Du bist ein echter Freund!'
Ich hatte nie erwartet, dass ein Gespräch mit Bogdan die Problematik lösen würde, aber seine Worte und Ciro's Verwunderung über meinen scheinbar schnellen Entschluss schienen Sinn zu ergeben. Während ich Diana und Florin in ihrer Wiege beim Schlafen zusah, wurde mir klar, dass ich nicht einfach hier alles stehen lassen könnte und weggehen kann. Auch wenn mir vielleicht momentan die Situation Angst machte, ich würde es bereuhen und mir würde ein Teil meines Lebens fehlen.
Am Morgen, eigentlich war es schon fast Mittag, weckte mich Ioana, besser gesagt, war es Florin, dessen winzig kleine Finger meine Nase berührten und sie mit einer Trommel verwechselten. Ioana saß auf dem Bett neben mir und hatte die Zwillinge mitgenommen. Mir fielen sofort Bogdan's Worte wieder ein und ich befolgte seinen Rat und spielte mit meinen Kindern. Auch wenn ich nicht wusste, ob Kinder, die erst etwa einen Monat alt sind, alle Worte um sich herum wahr nehmen würden, sprach mich Ioana an, als sie die Zwillinge gestillt und wieder in die Wiege zurückgelegt hatte, ob denn alles ok sei.
Ich überlegte kurz und meinte dann nur kurz: 'Ja, jetzt ist es das zum Glück wieder!'
'Was hat deine Meinung geändert, dass du dich also doch für mich, für uns entschieden hast?'
'Woher weißt du das?'
'Sorin, ich bin doch nicht blind. Du warst nach der Asien-Tour so verändert, so passiv und neben dir, dass ich eins und eins zusammengezählt habe. Ehrlich gesagt, war ich darauf vorbereitet, weil ich weiß, wie dein Leben früher aussah und nun dieser Wandel um 180 Grad.'
Ich seufzte einmal kurz durch: 'Ja, das kann einen ordentlich aus der Bahn werfen. Aber letztendlich ist mir klar geworden, dass es ein Fehler war, ein gewaltiger Fehler und dass ich das hier nicht missen möchte. Gib mir Zeit, dass ich das alles wirklich annehmen kann, aber das ist es, was ich will, das weiß ich jetzt genau! Verzeihst du mir'
Ich setzte meinen besten Hundeblick auf und hoffte, damit durchzukommen, auch wenn die Chancen auf einen Royal Flush in einem Kartenspiel ohne Assen besser standen.
'Ist ok, Sorin. Ich verzeihe dir! Ich weiß, dass du nicht perfekt bist, wenn ich das wollte, müsste ich einen Roboter heiraten, jeder macht Fehler, solange man wieder auf den rechten Weg zurückfindet, ist alles in Ordnung.'
Das hatte ich wahrlich nicht erwartet, ich hatte schon einiges an Mist gebaut, aber dass ich mich hier lediglich als Idioten mit Fehlern hinstellen lassen musste, welcher ich zweifelsohne auch war, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ich umarmte Ioana, küsste sie und flüsterte ihr 'ich liebe dich' ins Ohr.
'Ich liebe dich auch, Sorin. Wer hat den Ausschlag gegeben?' hakte Ioana nach.
'Was meinst du?'
'Mit wem hast du gesprochen, dass du dich so entschieden hast? Ciro, Burak?'
Ich lachte. 'Nein, mit Bogdan!'
Ioana saß nur mit offenem Mund da, als hätte ich gerade hinter meinem Rücken ein drittes Kind hervorgeholt und 'Überraschung' gerufen, alles was ich danach noch vernahm waren ein paar murmelnde Geräusche, die nach 'da habe ich mich wohl in ihm geirrt' klangen. Aber wie sagt man so schön, jeder macht einmal Fehler!
Quelle: Zwillinge |
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