'Verdammt, geh weg, Alter!' rief ich schon ein wenig genervt Matthias Ginter zu,
'wenn ich die erwische, mische ich dir in Thailand Käfer unter deinen Salat!' Auf dem schier endlos langen Flug war ich der einzige, der versuchte, dem Jetlag schon vorzubeugen und versuchte zu schlafen, was ein gefundenes Fressen für meine nervenden Teamkollegen war. Dabei war das Ohrläppchenzwicken von Matthias noch das harmloseste, Ilkay bekam sich kaum noch ein vor Lachen, nachdem ich von ihm eine Cola-Dusche bekommen hatte und ihn danach durch das halbe Flugzeug verfolgte und mit M&M's bewarf. Unglücklicherweise traf ich mit einem genau in den offenen Mund von Thomas Tuchel, der sich dadurch eine Mahlzeit ersparte, uns aber für die Undiszipliniertheit ordentlich rüffelte. So ein 10 Stunden Flug war schon extrem anstrengend und so waren wir alle froh, als wir endlich in Tokio landeten. Eine Woche würden wir hier bleiben, genauer gesagt 6 Tage, danach ging es weiter nach Thailand, wo wir auch noch 5 Tage verbringen würden und uns auf die Saison vorbereiten wollen. Noch einmal den Bayern den Kampf ansagen, das war unser Motto, auch wenn es schwierig werden würde, bei 5 Punkten Rückstand und einem verbleibenden direkten Duell auswärts.
Eine frische Brise bließ mir entgegen, als wir gegen Mittag aus dem Flieger stiegen. Ich konnte nicht beschreiben, wonach es hier roch, aber zum einen roch es frisch und zum anderen roch es wie in einem Raum, in dem ein Monat lang nicht gelüftet wurde. Die gewaltige Skyline der japanischen Hauptstadt lag vor uns, als wir mit dem Bus von Flughafen zu unserem Hotel gebracht wurden. Tausende Menschen und zäher Verkehr war die nächste Geduldsprobe, auf die wir gestellt wurden. Das Programm war ziemlich dicht und auch wenn als erstes Regeneration angesagt war und heute nur abends eine lockere Trainingseinheit auf dem Plan stand, galt unsere Konzentration dem ersten Gegner, Kawasaki Frontale. Weitere Testspielgegner waren der Zweitliga Aufsteiger Fukushima United und Guangzhou Evergrande, in Thailand würden wir noch auf Muangthong United und den vietnamesischen Meister Hà Nội T&T FC treffen.
Kawasaki Frontale 1:4 Borussia Dortmund
Tore: Okubo; Tătărușanu (3), Mkhitaryan
Fukushima United 0:8 Borussia Dortmund
Tore: - ; Tătărușanu (4), Gündogan (2), Reus, Ramos
Borussia Dortmund 2:2 Guangzhou Evergrande
Tore: Reus, Mkhitaryan; Jackson Martinez (2)
Unsere Asien-Tour begann durchaus vielversprechend und auch wenn wir uns zu Beginn gegen tiefstehende und aggressiv attackierende Japaner schwer taten fuhren wir am Ende doch einen klaren 4:1 Sieg gegen Kawasaki Frontale ein. Einen guten Eindruck hinterließen auch die beiden aus der B-Mannschaft mitgereisten Spieler Joseph-Claude Gyau und Burak Camoglu. Spielerisch waren wir den Gastgebern klar überlegen und das Zusammenspiel zwischen Ilkay und mir funktionierte einmal mehr perfekt, was mir in der zweiten Halbzeit einen Hattrick in 18 Minuten ermöglichte. Den Ehrentreffer der nie aufgebenden und tapfer kämpfenden Japaner erzielte Okubo in der Nachspielzeit.
Im zweiten Spiel, welches eher nur als Benefizspiel gegen den unterklassigen Gegner gedacht war, gelang und dann ein Kantersieg. 4 Treffer konnte ich beim 8:0 Sieg gegen den Zweitligisten Fukushima United beisteuern, Ilkay Gündogan erzielte auch zwei Tore, ebenso wie Marco Reus und der später eingewechselte Adrian Ramos. Wichtiger als das Spiel ansich war die Aktion nach dem Spiel, als wir als Mannschaft geschlossen die Einnahmen und Spenden an die immer noch krisengebeutelte Region übergaben, der Atomunfall war nach wie vor allgegenwärtig.
Am Abend vor unserer Weiterreise nach Thailand spielten wir noch gegen Gunagzhou Evergrand auch China. Es war der stärkste Gegner dieser Tour und die Millionentruppe von Luis Felipe Scolari forderte uns über 90 Minuten. Vorallem Superstar Jackson Martínez bekam unsere umgestellte Defensive überhaupt nicht in den Griff, der Kolumbianer konnte nach Reus' bzw. Mkhitaryan's Treffer jeweils ausgleichen. Ich kam diesmal in der Schlussphase für Adrian Ramos, als es bereits 2:2 stand, ein Schuss ging knapp am langen Eck vorbei, ansonsten konnte ich aber wenig Akzente setzen.
Der nächste Tag war stand wieder ganz im Sinne des Ortswechsels. Im dichten Mittagsverkehr quälten wir uns im Bus im Schneckentempo aus Tokio hinaus und der geplante Abflug um 14 Uhr verzögerte sich auf 17:30 Uhr und so landeten wir erst um kurz nach Mitternacht in Phuket. Das Abendtraining fiel deshalb aus, die taktische Besprechung für das Spiel gegen Muangthong United fand im Flugzeug statt, wirklich viel wussten wir über den Gegner nicht und Thomas Tuchel meinte, wenn wir uns auf unsere Tugenden berufen würden, müsste das ohne Probleme klappen, ein waghalsiger Plan?
Muangthong United 2:1 Borussia Dortmund
Tore: Dangda (2); Tătărușanu
Borussia Dortmund 4:0 Hà Nội T&T FC
Tore: Tătărușanu (2), Ginter, Ducksch; -
So 'gut' wir uns auch vorbereitet hatten, so anders präsentierte sich der thailändische Club Muangthong United uns. Ex-Almeria Legionär Teerasil Dangda brachte die Heimmannschaft früh in Führung, welche ich von der Bank aus beobachten durfte, Adrian Ramos begann dieses Mal. Die Thailänder zeigten keinerlei Respekt vor uns und vorallem der Brasilianer Cleiton Silva spielte unsere Defensive schwindelig. Der extrem wendige und flinke Flügelspieler war der beste seiner Mannschaft und auch wenn es bei den Hereingaben oft an Präzision fehlte, stand Dangda trotzdem oft richtig. Ich kam dann zur Pause ins Spiel und konnte nur wenige Mintuten nach meiner Einwechslung den Ausgleich erzielen, aber Dangda setzte kurz vor dem Schlusspfiff den Schlusspunkt, eine extrem unnötige und peinliche Niederlage, doch wir hatte daraus definitiv unsere Lehren gezogen. So, oder so ähnlich wollten wir auch gegen die Bayern agieren, ohne Respekt und mit Pressing und so ganz ohne Vorbereitung ging es eben auch gegen ein sogenanntes 'No-Name-Team nicht.
Zum Abschluss ging es noch gegen den vietnamesischen Meister Hà Nội T&T FC. In dieser Partie ließen wir aber keinen Zweifel aufkommen, zeigten eine gute Leistung und nach zwei Toren von mir einem Gewaltschuss von Matthias Ginter, der unter kräftiger Mithilfe des wild um sich fuchtelnden Schlussmannes Dương Hồng Sơn den Weg ins Tor fand, stand es nach 14 Minuten bereits 3:0. Irgendwie legten die Vietnamesen dann aber alles in die Zweikämpfe und brachten immer wieder einen Körperteil vor unsere Abschlüsse dazwischen. Zur Pause kam dann Marvin Ducksch als zweite Spitze und wir versuchten ein 4-4-2 System. Zwar konnte der Joker nach Zuckerpass von Marco Reus das 4:0 erzielen, aber viel gelang uns im neuen System nicht, welches wir damit als gescheitert zu den Akten legten. Für den Abend bekamen wir frei und da unser Flieger erst morgend spät Abends um 22:00 Uhr zurück nach Dortmund gehen würde, entschlossen wir uns, ein wenig das Nachtleben von Phuket unsicher zu machen.
Zusammen mit Ilkay und Matthias streiften wir durch die Clubs und blieben in einer gemütlichen Art Mix aus Lounge und Strip-Club hängen, wo die Wiederholung irgendeines Fußballspieles im Fernsehen lief. Wir gesellten uns unter die feiernde Menge und fielen als Nicht-Asiaten natürlich sofort auf. Der Nachteil davon war, dass sich die Preise unserer Drinks stark von den auf der Karte angegebenen Preisen unterschieden und ordentlich Trinkgeld abkassiert wurde, dafür waren wir aber innerhalb von wenigen Minuten von einer Schar junger und hübscher Girls umgeben. Ich hielt mich zurück und war in erster Linie an den alkoholischen Spezialitäten des Landes interessiert, während sich Ilkay den Fauxpas leistete und sich ein Bier bestellte. Nach diversen Reisschnapscocktails und anderen exotischen Leckereien später gesellte sich eine weitere junge Frau zu uns, die offensichtlich aber nicht wie die anderen hier 'arbeitete', sondern auch Tourist war. Ich konnte nicht erahnen, ob sie aus einer anderen Region aus Thailand kam oder aus einem anderen asiatischen Land, aber sie hatte etwas spezielles an sich und immer wieder grinste sie mich an und rief mich mit 'Solin', sei es zum tanzen oder dann, wenn die Menschen eine Schlange bildeten und durch die Runde wackelten. Das war mit einem gewissen Alkoholpegel definitiv nicht mehr allzu schwierig, von Mal zu Mal, diese Schlange kam fast alle 30 Minuten einmal vorbei und motivierte uns mitzumachen, schlang sich die junge Frau näher um mich, an meinen beiden Begleitern schien sie überhaupt kein Interesse zu haben. Zwar gestaltete sich die Kommunikation sehr schwierig, da ich des Thai nicht mächtig war und sie nur sehr wenig Englisch sprach. So versuchte sie, mir den Text zu lernen, welcher gesungen wurde, es waren nur 3 oder 4 Zeilen, aber bei den kurzen Zischlauten in unterschiedlichen Tonhöhen geriet ich mit meinen Sprachfähigkeiten schnell an die Grenzen. Doch scheinbar amüsierte sie sich über meine Versuche, Thai zu sprechen prächtig, lehnte sich nahe zu mir hin und sprach kaum einen Meter von meinem Gesicht entfernt immer wieder die Worte nach, die sich so anhörten, wie wenn jemand diverse Gegenstände fallen ließ. Auch wenn ich kein Sprachgenie war, hatte ich die Vermutung, dass das, was sie mir beibrachte nicht Thai war, denn es hörte sich einfach ganz anders an. Kurz nach halb 3 Uhr morgens gingen dann Ilkay und Matthias auf ihr Zimmer, während ich noch eine weitere Schlange abwarten wollte und dann auch ins Bett gehen wollte....
Ich blinzelte vorsichtig und durch die ins Zimmer scheinende Sonne geblendet, aus dem Schlaf erwachend im Zimmer herum. Auf dem Boden lagen diverse Kleidungsstücke, die zweifellos nicht nur einer Person gehören konnten, was mir zwei weiße hohe Schuhe bestätigten. Mein Kopf brummte und auch wenn ich mich noch erinnern konnte, das ich mich gestern in einem Thai-Crashkurs, oder was auch immer es war, versucht hatte, die Erinnerungen an das, was danach passierte waren verschwommen. Ich tastete mit meiner rechten Hand den Boden ab, griff zuerst nach meinen Schuhen, bevor ich eine leere Glasflasche in die Hände bekam, wovon ich aber nicht wusste, womit die einmal befüllt war. Ich kam auch gar nicht dazu, nachzudenken, denn ich vernahm nur ein kurzes Seufzen auf meiner linken Seite und im nächsten Moment hatte ich den Kopf auf meiner Brust und die Hand einer allzu bekannten Person um mich geschlungen. Es war die hübsche junge Frau von gestern, die ähnlich wie ich durch die Sonne geblendet blinzelte, gähnte, mich anlächelte und mir dann ein paar Wörter zuflüsterte, die wie Ching, pong, wang, f.ck und noch etwas mit meinem Namen zu tun hatten. Ein Blick unter die Bettdecke bestätigten meine schlimmsten Gedanken......
Quellen: Japan, Phuket Nachtleben, Brünette
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