Die Saison neigte sich dem Ende zu und die Planungen für die kommende Spielzeit gingen sich an – und auch wenn der Aufstieg natürlich noch nicht gesichert war, spielte die Möglichkeit des Aufstiegs in den Kaderplanungen natürlich eine Rolle. Es gab einige Streichkandidaten – Rubin Okotie allen vorweg, zudem waren auch Yannick Stark und André Fomitschow mit ihren Rollen unzufrieden und Nicklas Bärkroth hatte mehrfach angedeutet, nach der Saison wieder in heimatliche Gefilde wechseln zu wollen. Der Fokus lag somit vor allen Dingen auf einem neuen Flügelstürmer, wo wir einiges an Kandidaten auf der Liste hatten. Mats Møller Dæhli war zwar nach wie vor unser Wunschkandidat, doch die Chancen auf einen Wechsel bei ihm schätzte ich realistischerweise bei ungefähr 0% ein. Alternativen waren unter anderem Timm Golley aus Frankfurt, Dresdens Marvin Stefaniak und aus der zweiten Mannschaft des FC Chelsea der dänische Juniorennationalspieler Nikolai Laursen. Doch am weitesten kamen wir in Verhandlungen mit dem norwegischen Nationalspieler Zlatko Tripić, der aktuell für die SpVgg Greuther Fürth auf Torejagd ging. Mit dem Verein waren wir schnell einig und verständigten uns auf eine Ablöse in Höhe von 1.000.000€, und auch mit dem Spieler verhandelten wir relativ zügig. Tripić selbst hatte zwar klargestellt, dass jegliche Verhandlung bis Saisonende nur über seinen Spielerberater laufen sollte, doch mit dem kam ich gut aus und wir einigten uns schnell auf ein Jahresgehalt von 600.000€, trotzdem der Spielerberater – der neben dem Alt-Ehrwürdigen Namen 'Hartmann' auch einen imposanten Schnauzbart trug – in der selben Agentur arbeitete wie derjenige, der mich in den Verhandlungen mit Møller Dæhli gelinkt hatte. Doch wenige Stunden vor der Vertragsunterzeichnung ereilte mich eine SMS von Tripić persönlich, der mich mit der recht unhöflich vorgetragenen Unzufriedenheit über das aktuelle Gehaltsangebot ein Wenig aus dem Konzept brachte. Als ich dann noch unter meinen E-Mails eine Forderung des Spielerberaters Hartmann fand, der eine Gehaltserhöhung auf 900.000€ per annum forderte, riss mir der Geduldsfaden und ich brach die Verhandlungen ab. Doch die Sache kam mir mehr als ungewöhnlich vor, und so setzte ich Dreizehn auf die Angelegenheit an – der sich schon nach wenigen Tagen bei mir meldete und nachdem wir uns knapp zwei Stunden unterhalten hatten, vereinbarte ich einen Termin mit Pinturicchio für den nächsten freien Termin.
Für das Treffen hatte ich mir die Identität eines kleinen Spielerberaters geliehen, der sich ein Bewerbungsgespräch erbeten hatte, und um ja keinen Zweifel zu wecken hatte ich als Treffpunkt ein Hotelzimmer in Frankfurt vorgeschlagen. Doch schon als ich aus dem Flugzeug stieg, bereute ich diese Entscheidung und als ich im Taxi durch die Innenstadt saß, war mir der Geschmack an der Stadt endgültig vergangen. Frankfurt war im Grunde eine Stadt wie ein Paar schlecht Gemachter Brüste: Es passte einfach gar nichts. Der innerstädtische Reiz Leverkusens oder Wolfsburgs traf heute auf die warme Sonne Südfrankreichs, Hannoveraner Vorstadtfußgängerzonenflair kombiniert mit einer Anzugträgerdichte wie im schlimmsten Teil der Wall Street. Ich hasste es. Ich betrat nach längerer Taxifahrt das Hotel und ging in das gebuchte Zimmer – wo Pinturicchio mich bereits erwartete.
„Sie wollen umsatteln?“ begrüßte er mich. „Schön, dass sie eingesehen haben, dass sie mir als Trainer nicht das Wasser reichen können und jetzt bei mir anlernen wollen, aber ich weiß nicht, wie sie das dem DFB erklären.“ fügte er süffisant grinsend an.
„Ich bin nicht deswegen hier.“ antwortete ich. „Aber sonst wären sie nicht gekommen.“
„Da haben sie wohl recht.“ stimmte mir der Berater zu. „Also, wo ich schon mal hier bin – was wollen sie?“ fragte er genervt.
„Ihnen eine Geschichte erzählen.“ antwortete ich.
„Oh, Märchenstunde, toll.“ kam es gelangweilt zurück und Herr Weinholz mimte ein Gähnen.
„Hören sie einfach mal zu.“ antwortete ich. „Also, stellen sie sich vor sie sind Vereinsverantwortlicher und verhandeln mit einem Neuzugang. Sie sind sich so weit einig, doch unmittelbar vor der Vertragsunterschrift verlangen erst der Spieler und dann der Berater des Spielers nochmal unfassbar mehr Gehalt.“ erklärte ich den Sachverhalt.
„Ich würde mich fragen, was da los wäre.“ biss Pinturicchio an.
„Das habe ich mich auch gefragt.“ stimmte ich ihm zu. „Und deswegen habe ich ein paar Nachforschungen angestellt. Ihr werter Kollege Hartmann hat die Angebote von mir an den Spieler unrichtig weitergeleitet und viel weniger Gehalt geboten als eigentlich im Spiel war, vermutlich mit dem Ziel dass er im Moment der Unterschrift einen grandiosen Erfolg verbuchen kann, wenn es plötzlich doch mehr ist.“ führte ich aus. „Da die Korrespondenz nur über ihn lief, konnte er das Organisieren, aber irgendwann ist ihm diese Hamlet-Aufführung ein kleines Bisschen aus dem Ruder gelaufen, und als Tripić mich angeschrieben hat, konnte er es nur so noch retten.“
„Schöne Story.“ meinte Pinturicchio. „Wirklich, beeindruckend. Nur dass sie nichts davon beweisen können und irgendwie wirkt das etwas abgedreht.“ ergänzte er. „Und ich vermute ich weiß, worauf sie hinauswollen – ich habe mit den Angelegenheiten von Herrn Hartmann nichts zu tun und Tripić ist voll und ganz sein Mandant.“
„[COLOR="#696969"]Ich weiß, ich weiß.“ unterbrach ich ihn. „Aber ich habe Beweise.“ fügte ich an und griff in meine Aktentasche. Ich holte zwei Hefter mit Unterlagen heraus und warf sie auf den Zimmertisch.
„Was ist das?“ fragte Weinholz.
„Der Beweis.“ meinte ich geheimnistuerisch. „In dem einen Hefter ist sämtliche Mailkorrespondenz zwischen mir und ihrem geschätzten Kollegen. Und in dem anderen die Korrespondenz zwischen ihm und dem Spieler, da passt einiges nicht zusammen. Sehen sie ruhig nach.“ führte ich aus und sah belustigt, wie Herr Weinholz die beiden Hefter griff und sie kurz überflog.
„Aus 600.000€ jährlich wird 300.000€, das ist durchaus verschärft.“ meinte er nur. „Aber woher weiß ich, dass das echt ist?“
„Ich verspreche ihnen, dass es das ist. Wenn sie mir nicht glauben, fragen sie nach.“ meinte ich.
„Na schön.“ antwortete Pinturicchio. „Aber warum zeigen sie mir das?“ fragte er weiter.
„Ganz einfach.“ begann ich und lächelte. „Ich habe sie einmal aufs Kreuz gelegt und dann sie mich, wir sind quitt.“ fügte ich hinzu und vernahm ein gefälliges Nicken. „Aber sie ticken so wie ich – sie sind gnadenlos pragmatisch und opportunistisch und wir könnten einander nutzen.“
„Wie meinen sie das?“ fragte er und hob eine Augenbraue. „Und wo ist der Zusammenhang?“
„Nun ja, einen Verbündeten in einem der Vereine mit der besten Nachwuchsabteilung Deutschlands zu haben, kann für einen Spielerberater sicher nützlich sein und ein Verbündeter bei einer der größten Berateragenturen Deutschlands nützt mir wiederum.“ meinte ich. „Und sehen sie sich an, sie haben bereits mit Anfang 30 einige erstklassige Mandanten, ein Top-Talent, ihr Büro ist jetzt schon ein Eckbüro knapp unter der Chefetage. Sie haben ein Auge für Talent und ein Geschick fürs Geschäft und wir beide wissen, dass sie diesen Laden schmeißen werden bis sie 40 sind.“
„Und sie denken, ich merke nicht, dass sie mir Honig ums Maul schmieren?“ fragte Pinturicchio.
„Ich erkläre nur, warum ich mit ihnen zusammenarbeiten will.“ antwortete ich. „Und das hier ist mein Angebot an sie.“
„Wie meinen sie das?“ fragte er.
„Nun, wie ich das sehe haben sie damit drei Möglichkeiten.“ meinte ich und begann zu grinsen. „Sie könnten den Arbeitgeber wechseln, dann machen sie das öffentlich und wenn ihr Laden den Bach runtergeht, sammeln sie die Scherben auf.“ begann ich. „Oder sie gehen zu ihrem Chef, der wird das regeln und sie bekommen ein Sternchen neben ihrem Namen. Oder sie gehen direkt zu Hartmann und sehen, was er sich ihr Schweigen kosten lässt.“ sagte ich und lächelte.
„Sie wissen, was ich tun werde, oder?“ meinte er und ich nickte. „Und was wollen sie dafür?“
„Einen Verbündeten, langfristig gesehen.“ antwortete ich. „Und kurzfristig will ich meine Wunschlösung für den Flügel.“ fügte ich hinzu.
„Tripić? Ich habe ihnen doch schon gesagt, ich habe da keinen Einfluss, er ist –“
„Nicht Tripić. Meine Wunschlösung.“ unterbrach ich.
„Mats Møller Dæhli.“ stellte Nikolas Weinholz fest.
„Ganz genau.“ antwortete ich. „Ich weiß nicht, ob sie ihm mein Angebot wirklich vorgelegt haben und ich glaube, ich will das auch nicht wirklich wissen. Aber sie können ihn definitiv überzeugen, denn sie wissen so gut wie ich, dass wir spätestens nächste Saison aufsteigen, falls es dieses Jahr doch nicht klappen sollte.“ führte ich aus.
„Gut, aber ich will noch ein bisschen mehr. Zukünftige Zusammenarbeit schön und gut, aber ich will noch einen Mandanten jetzt.“ meinte der Berater.
„Und wie soll ich das anstellen? Jeder Spieler in meinem Kader hat schon einen Berater, da kann ich nur noch wenig Einfluss drauf nehmen.“ fragte ich zurück.
„Kein Spieler, der aktuell für sie spielt. Denken sie über den Tellerrand hinaus.“ antwortete Pinturicchio.
„Sie meinen Leonardo Silva Sousa.“ stellte ich fest – der brasilianische Verteidiger wurde nach wie vor von seinem Vater beraten.
„Ganz genau.“ antwortete Pinturicchio. „Er hat das Zeug, um in ein paar Jahren zur Weltspitze zu gehören. Und für junge Fußballer ist die Welt hier ein Haifischbecken, da braucht er einen guten Berater.“ fügte er hinzu.
„Wie selbstlos von ihnen.“ antwortete ich.
„Natürlich. Also?“ fragte er nach und stand auf.
„Bekomme ich Møller Dæhli?“ fragte ich nach.
„Wenn ich Silva Sousa bekomme.“ kam es knapp zurück und er hielt mir die Hand hin.
„Dann haben wir einen Deal.“ antwortete ich und schlug ein.
Quellen: Tripić, Møller Dæhli |
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