„Also Jungs! Darauf haben wir uns die letzten Wochen vorbereitet, und heute müsst ihr der Fußballwelt zeigen, dass Hobro reif ist für diese Liga!“ mit diesen Worten beendete ich meine Ansprache und schickte die Mannschaft auf den Rasen. Gleich würde es losgehen gegen den Gastgeber SönderjyskE, und die Aufregung einiger Spieler war deutlich zu spüren. Natürlich war ich auch aufgeregt, aber das ließ ich mir vor den Spielern nicht anmerken – auch wenn mein Co-Trainer das sehr wohl zu bemerken schien und mir beim herausgehen nochmal auf die Schulter klopfte und sagte: „Das wird schon.“ Ich nickte nur stumm und nahm auf der Trainerbank platz.
Aufstellung SönderjyskE: Skender – Marxen, Kanstrup, Lodberg, Paulsen – Madsen – Absalonsen, Guira, Hansen, Songani – Pourié
Aufstellung Hobro IK: Rask – Tjørnelund, Justesen, Egholm, Bøge – Thygesen, Danborg – Hvilsom, Antipas, Bersang – Böðvarsson
Peter Rasmussen pfiff die Begegnung an und mit einem Schlag war die Anspannung und Aufregung verflogen und ich lenkte meine volle Konzentration auf das Spielgeschehen, altmodisch mit Notizblock und Bleistift auf dem leeren Platz neben mir. Die Gastgeber hatten Anstoß und waren natürlich erpicht darauf, gegen den Underdog zu gewinnen und drängten gleich auf das erste Tor. Doch damit hatten wir gerechnet und die Mannschaft hielt gut dagegen, stellte den deutschen Stürmer im SönderjyskE-Dress, Marvin Pourié, gut zu und so war der erste Abschluss des Spiels ein eher harmloser Distanzschuss von Songani. Auch unsere offensive war zunächst noch sehr harmlos, dann aber passierte es – ein kapitaler Schnitzer brachte das erste Tor. Egholm wollte einen Ball auf Thygesen spielen, doch er übersah Johan Absalonsen. Der Linksaußen spitzelte dazwischen und bediente Marvin Pourié, der viel zu ungedeckt dastand und eiskalt einnetzte – ein echter Fehlstart nach sieben Minuten. Dooh jetzt zeigte sich, was unsere Stärke diese Saison sein könnte: Die Spieler ließen den Kopf nicht hängen, und noch ehe der Ball am Anstoßpunkt lag, wurde der Unglücksrabe von zweien seiner Mitspieler getröstet. In der Folgezeit lief das Spiel dann etwas ruhiger ab, die Gastgeber wollten nicht zu viel riskieren und wir fanden gegen die nun tief stehende Mittelfeldreihe nur selten eine Lücke. Doch um unsere Pausenansprache positiver und die Eigene negativer zu gestalten, ließ sich auch der Gegnerische Schlussmann Marin Skender noch zu einem kapitalen Bock hinreißen: Der kroatische Schlussmann fing eine Flanke von Tjørnelund ab und rollte sich den Ball zum Abschlag hin, doch Mads Hvilsom schaltete schneller, spitzelte dazwischen und versenkte den Ball zum 1:1 im Tor, was dann zur Halbzeit aufgrund starker 25 Minuten zum Ende hin auch verdient war.
Auch nach dem Seitenwechsel behielt meine Mannschaft die Ruhe im Spiel und ließ sich von den eher hektischen Angriffsversuchen der Gastgeber nicht verunsichern. Ich brachte mit Christensen und Nygaard nochmal neuen Esprit auf den Flügeln, womit Coach Jon Dal Andersen wohl nicht gerechnet hatte. Die Mannschaft versteifte sich darauf, die Flügelspieler zu blockieren und fiel in den letzten 15 Minuten so komplett auseinander. Quincy Antipas steckte auf Jón Böðvarsson durch, der mit Tempo an Pierre Kanstrup vorbeizog und uns in Führung brachte. Während im Block der mitgereisten Hobro-Fans ein bengalisches Feuer entzündet wurde, hörte man von den Fans der Gastgeber hauptsächlich Pfiffe. Unsere Mannschaft reagierte mit noch mehr Offensive und so machte erneut Böðvarsson alles klar: Diesmal von Linksaußen kommend spielte ihm Antipas den Ball in den Fuß, der Isländer zog an Lodberg und Kanstrup vorbei und legte den Ball überlegt in die lange Ecke, ehe er jubelnd zum Fanblock abdrehte. Die Messe war gelesen und so nahm ich erst in der Nachspielzeit den letzten Wechsel vor: Beckmann kam für den Doppeltorschützen Böðvarsson, zum einen um Zeit von der Uhr zu nehmen und zum anderen, um dem Debütanten bei einem so gelungenen Auftaktspiel den fälligen Applaus aus dem Gästeblock zu gönnen. Das Spiel ging dann als erstes Spiel von Hobro IK in der Superligaen und gleichzeitig als erster Sieg zuende, und so konnte ich die abschließende Pressekonferenz nach dem Spiel gut gelaunt und schnell zuendebringen, ehe ich mich nach Hause verabschieden konnte.
Torhüter Marin Skender brachte uns mit einem Bock ins Spiel zurück
Der nächste Arbeitstag begann für mich ungewöhnlich. Nachdem ich zunächst meinen „Arzttermin“ wahrgenommen hatte und somit erst gegen Mittag im Büro ankam, fand ich auf meinem Arbeitslaptop einen gelben Klebezettel mit der kurzen Nachricht „In mein Büro – J. Sørensen“. Ich seufzte, stand wieder auf und humpelte den Weg durch den Flur zum Büro meines Chefs, nicht ohne mir vorher noch eine Oxycodon zu gönnen. Ich trat in das Büro und sah neben meinem Chef auch einen zweiten Anzugträger, der mit schmierigen Haaren und einem breiten Lächeln auf dem für die Gäste vorgesehenen Stuhl saß.
„Ahh, Herr Mikaelsson, wie schön sie zu sehen!“ quakte mir der aalglatte Mann im Aufstehen entgegen und streckte mir zur Begrüßung die Hand entgegen. Ich ignorierte ihn und humpelte an ihm vorbei zum Sessel von Jesper Sørensen.
„Sie wollten mich sprechen?“ fragte ich, ohne auf den perplex neben mir stehenden Schleimbeutel zu achten.
„Ganz richtig, wie schön dass sie es nach ihrem Arzttermin so pünktlich geschafft haben. Zunächst einmal meinen Glückwunsch zum Sieg gestern, und Jón Böðvarsson hat sich ja doch ganz ausgezeichnet gemacht, wobei ich ihn jetzt natürlich nicht vorschnell loben will-“
„Sie haben ihn deutlich vorschneller schon kritisiert, ich denke ein wenig Lob wird er verkraften.“ funkte ich dazwischen.
Seine Miene verfinsterte sich etwas, ehe er – ohne auf meine Worte einzugehen – fortfuhr. „Jedenfalls haben wir heute andere geschäftliche Dinge zu klären. Der Mann neben ihnen ist Herr Benediksen, er arbeitet für die Agentur „First Touch“ und ist wegen eines seiner Klienten hier.“
Spielerberater, das passte perfekt zum schmierigen Auftreten des Mannes neben mir.
„Und um wen geht es?“ fragte ich, ich wollte dieses Gespräch möglichst schnell hinter mich bringen.
„Um ihren Torhüter Jesper Rask. Er hat zwar noch Vertrag bis 2016, aber Herr Sørensen hat mich informiert, dass ein Angebot Höhe von 400.000€ von Nordsjaelland vorliegt, und das der Verein diese Ablösesumme gerne einstreichen würde. Wir wollten uns nur vergewissern, dass sie -“
„Nein.“ funkte ich dazwischen. Ich konnte es nicht gebrauchen, dass man mir in der Saison meinen Stammtorwart wegkaufte.
„Nun, sie wissen sicherlich, dass sie alleine das nicht zu entscheiden haben?“
„Der Vertrag von Jesper läuft bis 2016. Die Saison hat angefangen, Jesper hat ein gutes Spiel gemacht und ist unsere gesetzte Nummer 1 momentan. Wenn sie -“ ich drehte mich jetzt zu Herrn Sørensen um „- keine Alternative auf Lager haben, die weniger als 400.000€ kostet, bis Mittwoch hier ist und qualitativ nicht von Jesper abfällt, meinetwegen. Ansonsten bin ich als Trainer klar dagegen und würde ihnen sehr sehr stark davon abraten. Noch Fragen?“ gab ich barsch von mir.
„Nun, also...“ stammelte mein Boss, sichtlich verwirrt und nach Worten ringend. Auch dem Anzugträger von First Touch entgleiste für einen Moment seine Miene, doch keine Sekunde später wartete er wieder mit dem schleimigsten und schmierigsten Lächeln auf, dass einem jemals untergekommen war.
„Sie müssen doch aber auch die Position ihres Spielers nachvollziehen können.“
„Möchte er etwa wechseln? Ich glaube nicht, wenn sie ihm nicht in den letzten 24 Stunden einen Floh ins Ohr gesetzt haben!“ Langsam schlug mir dieser Spielerberater wirklich arg aufs Gemüt.
„Nicht zwingend, aber Nordsjaelland ist perspektivisch für ihn eine sehr gute Option.“
„Ach ja? Spielt er dort international? Nein. Spielt er dort überhaupt? Ich denke nicht. Dafür ist David Jensen zu stark. Er wäre also zweiter Torhüter bei einem Verein der gleichen Liga wie der, bei dem er aktuell gesetzter Stammspieler ist!“
„Nun, aber...“
„Warum diskutiere ich überhaupt mit ihnen?! Sie wollen scheinbar, dass Jesper geht, ich will, dass er bleibt und zu entscheiden hat es letztlich keiner von uns beiden.“ Ich drehte mich zu Herrn Sørensen um. „Wenn sie das nächste mal einen meiner Stammspieler während der Saison verkaufen wollen, fragen sie erst garnicht. Ich lehne ab. Und jetzt setzen sie diesen Schnösel vor die Tür und anstelle unser Tafelsilber an die Konkurrenz zu verscherbeln, machen sie mal was produktives. Kümmern sie sich um die auslaufenden Verträge der Schlüsselspieler, oder setzen sie Kaffee auf, mir egal. Ich bin in meinem Büro, falls sie noch Fragen haben.“ Mit diesen Worten machte ich auf dem Absatz kehrt und humpelte aus der Tür in mein Zimmer. Ich wusste, ich hatte einiges zu viel Gesagt und hätte das besser gelassen, aber letzten Endes hatte ich nur die Wahrheit gesagt. Bei 12 Spielern liefen nach dieser Saison die Verträge aus, und darunter waren neben einigen „Reservisten“ auch einige der wichtigsten Spieler vorzufinden – da sollte man eher ansetzen, als in der laufenden Saison einen Stammpieler zu verkaufen. Keine fünf Minuten, nachdem ich mich in meinem Büro hingesetzt hatte, sah ich Herrn Benediksen in Richtung Ausgang davonstampfen. Er sah mit säuerlicher Miene durch meine Bürotür, und ich musste lächeln – so konnte eine Arbeitswoche doch durchaus beginnen, vor allen Dingen da mit Brøndby IF am nächsten Samstag ein echter Top-Gegner zu Gast war.
Jesper Rask blieb auch weiterhin unsere Nummer 1
Quellen: Skender, Rask
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