Das nächste Pflichtspiel stand an und mit dem MSV Duisburg stand ein Gegner an, der Tief in den Tabellenkeller gerutscht war und dringend einen Sieg brauchte. Doch die Gäste aus dem Ruhrgebiet kamen gegen unsere unveränderte Startelf nicht zum Zug und mauerten sich von Beginn an in der eigenen Hälfte ein. Immerhin konnten sie so unsere Offensivbemühungen nahezu durchgehend im Keim ersticken, doch ein genialer Moment reichte aus: Pereira ließ einen Pass von Adlung durch und das Leder kam zu Marius Wolf. Dessen Flanke köpfte Jón Daði Böðvarsson aus vollem Lauf aufs Tor. MSV-Keeper Ratajzack faustete den Ball weg, doch der in den Sechzehner aufgerückte Dominik Stahl hielt die Schläfe in den Ball und nickte das Leder mühelos in die Maschen. In der Folge versuchte Duisburg dann folgerichtig selber in die Offensive zu kommen, doch viel sprang nicht dabei heraus – lediglich ein Schussversuch von Giorgi Chantuira nach einer guten halben Stunde, den Michael Ortega jedoch ohne Schwierigkeiten parieren konnte. Auch in Durchgang zwei wurde das Spiel nicht zwingend besser, Dennis Grote lieferte mit der einzigen Schussszene der Duisburger nach dem Wechsel einen eindrucksvollen Nachweis, wieso man als Fußballspieler beidfüßig sein sollte. Kurz vor dem Abpfiff fiel dann die Vorentscheidung: Der eingewechselte Nicklas Bärkroth kam nach Doppelpass mit Adlung zur Flanke und schlug den Ball flach nach innen. Dort grätschte Dausch vor Böðvarsson in den Ball und bezwang so den eigenen Keeper – was den Endstand darstellte.
Der Kopfballtreffer von Dominik Stahl leitete unseren Sieg ein
In der Woche nach dem Trauerspiel gegen die Zebras stand am Mittwochabend das Topspiel gegen den SV Werder Bremen an – zu Gast in der Wesermetropole stellte ich auf fünf Positionen um: Fomitschow, Sørensen, Buch, Rzatkowski und Okotie kamen neu in die Startelf. Das Spiel bestimmten zwischen den beiden besten Offensiven der Liga jedoch zunächst Standards: Nach Foul von Gálvez an Wolf trat Pereira einen gefährlichen Freistoß, den Felix Wiedwald jedoch zur Ecke klären konnte. Auf der Gegenseite wurde ein indirekter Freistoß von Izet Hajrovic zur Ecke geblockt, nach der Jannik Vestergaard mit einem Distanzschuss Michael Ortega zu einer Glanzparade zwang. Erneut gab es Ecke, diesmal wurde sie vor den Strafraum geklärt – doch Fomitschow stellte sich gegen Fin Bartels mehr als ungeschickt an und verursachte einen Freistoß aus gefährlicher Flankenposition. Hajrovic trat den Standard nach innen, dort wuchtete Vestergaard seine 1,99 Meter in die Luft, übersprang Sørensen um einen knappen halben Meter und köpfte unhaltbar zur letztlich nicht unverdienten Gästeführung ein. Nach der Pause kamen wir besser in die Partie, was auch an der Systemumstellung auf ein 4-1-4-1 lag. Hjálmar Magnússon hatte die beste Szene der Anfangsphase, doch der isländische Juniorennationalspieler verfehlte das Tor knapp. Auch Andreas Pereira hatte noch einen Schuss in Petto, doch der Distanzversuch des Spielmachers landete am Querbalken. Auf der Gegenseite hatte der eingewechselte Jóhansson die Riesenchance auf den zweiten Treffer: Der US-Amerikaner schüttelte im Laufduell André Fomitschow ab und legte sich den Ball auch am herausstürzenden Ortega vorbei, doch aus spitzem Winkel verfehlte er das Tor dann. Noch bitterer traf es allerdings Marnon Busch: Der Leihspieler war in den Schuss gegrätscht , hatte jedoch nur den Pfosten getroffen – und sich dabei das Knie derart verdreht, dass er nicht wieder auf den Rasen zurückkehrte. Zwei Minuten vor dem Ende hatten wir dann aber die Riesenchance: Magnússon lupfte den Ball mit unbeschreiblicher Passtechnik in den Lauf von Rúrik Gíslason. Der legte sich den Ball an Vestergaard vorbei, der aufgrund seiner doch beeindruckenden Körpergröße den Wendekreis eines mittelgroßen Panzers hatte und unseren Flügelspieler in der Drehung mäßig elegant von den Beinen holte. Es gab Elfmeter – und zudem die Ampelkarte für den Bremer. Ich atmete tief durch und warf eine Oxycodon ein, während Okotie und Pereira diskutierten, ehe sich der Österreicher den Ball schnappte und deutlich machte, selber zu schießen. Doch das Unheil nahm seinen Lauf: Okotie lief an, schickte Wiedwald nach links und schob den Ball dann knapp einen Meter am rechten Pfosten vorbei. Ich vernahm ein deutliches Fluchen hinter mir und konnte mich dem nur anschließen – zudem der Unparteiische die Partie nicht nochmal anpfiff und somit den Sieg für den SVW fest machte.
Nach dem Spiel und der Pressekonferenz machte ich mich auf in die Kabine – es war ein herber Rückschlag und ich wollte nachsehen, wie die Mannschaft die Niederlage weggesteckt hatte. Doch in der Kabine schien das Gesprächsthema nicht die Niederlage zu sein, es herrschte vielmehr ein lauter Streit zwischen Andreas Pereira und Rubin Okotie, während Kapitän Dominik Stahl und Michael Ortega irgendwie zwischen beiden standen und Mühe hatten, die beiden auseinanderzutreiben.
„Das nächste Mal solltest du – wenn du mir schon Ball klaust – wenigstens Tor schießen! Bufão!“ wütete Andreas Pereira auf den Österreicher ein.
„Das würde ich ja, wenn du nicht so demonstrativ genervt sein würdest und mich ablenken würdest! Und ich bin trotzdem der bessere –“
„Haltet sofort die Klappe! Und zwar beide!“ brüllte ich durch die Kabine und binnen Sekunden herrschte absolute Stille.
Die Spieler sahen mich an und gingen dann langsam zu ihren Plätzen. Ortega sah gedankenverloren auf seine Handschuhe, Pereira und Okotie schwiegen und bekamen von Stahl abwechselnd einen missbilligenden Blick zugeworfen.
„Ihr beide kommt mit. Sofort!“ fauchte ich.
Ich schritt durch den Raum und stieß die Tür zum angrenzenden Fitnessraum auf. Ich lehnte mich an eine der Liegen und wartete, bis beide Spieler im Raum waren und die Tür geschlossen hatten. Ich warf eine Oxycodon ein und funkelte beide an.
„Was war da eben los?“ fragte ich schließlich.
„Dieser Idiot da hat mir vor der gesamten Mannschaft unterstellt, ich hätte ihn zum verschießen des Elfmeters provoziert!“ begann Andreas Pereira loszuschimpfen, während Okotie stumm daneben stand. „Dabei hat er den Ball geklaut, und wenn er dann verschießt, kann ich da ja wohl kaum was für!“
„Ich will hier keine Beleidigungen hören. Haben wir uns verstanden?“ sagte ich zu Andreas mit drohender Stimme und wandte ich mich zu Rubin Okotie. „Stimmt das?“ fragte ich ihn.
„Nicht so ganz.“ druckste dieser herum.
„Sondern?“ fragte ich weiter.
„Natürlich! Du hast –“
„Ruhe jetzt! Lass ihn ausreden!“ fiel ich Pereira ins Wort. „Also?“
„Als ich den Ball genommen habe, hat er mir irgendwas auf portugiesisch hinterhergezischt. Und als ich verschossen habe, hat er schadenfroh gegrinst.“ sagte er schließlich.
Ich schloss die Augen und rang um Fassung – war das sein Ernst?! Ich warf mir eine Oxycodon ein und atmete einmal tief durch, ehe ich weitersprach.
„Er hat also etwas gesagt, ja? Er hat es gewagt, etwas zu sagen? Nachdem du ihm den Ball weggeschnappt hast? Du weißt genau, wie die Elfmeterschützenrangliste ist! Aber gut. Geht euch umziehen. Wir werden uns morgen beim Training nochmal darüber unterhalten. Ich denke euch beiden ist klar, dass das ganze Folgen haben wird. Jetzt geht mir aus den Augen und sollte ich auch nur einen Ton von einem von euch beiden hören, dann seid ihr schneller aus dem Team raus als ihr 'Elfmeterschütze' sagen könnt.“
Ich folgte den Beiden zurück in die Kabine zu den anderen Spielern. Die beiden Spieler warfen sich zwar weiterhin unentwegt giftige Blicke zu, doch sie setzten sich schweigend auf ihre Plätze. Ich bedachte beide noch mit einem grimmigen Blick, ehe ich die Stimme zur Mannschaft hob. „So Jungs. Ich sag mal nichts dazu, die Nachbesprechung kommt wie gewohnt Montag. Aber wer so dumme Standards zulässt, darf sich nicht wundern. Konzentration ist wichtig! Und die meisten von euch haben es zwar schon geschnallt, aber für die anderen sage ich es nochmal klar und deutlich: Spart euch eure Energie für die 90 Minuten Spielzeit auf!“ Mein Blick wanderte erst zu Andreas Pereira und von dort zum anderen Ende der Kabine zu Rubin Okotie – beide blickten betreten zu Boden. „Bedankt euch bei den beiden Arschgeigen, dass ihr morgen um 8:00 auf dem Trainingsplatz antreten dürft. Der trainingsfreie Sonntag ist gestrichen!“ sagte ich noch, ehe ich die Kabine verließ und mich unter dem Gegrummel der Mannschaft auf den Weg zum Ausgang machte.
Quellen: Stahl, Okotie |
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