Als exakt eine Woche nach dem Telefonat mit Dreizehn das Transferfenster öffnete, konnten wir zum Trainingsauftakt ins neue Jahr gleich zwei Neuzugänge begrüßen: Zum einen war der Transfer von Leonardo Silva Sousa – der unter seinem Künstlernamen Leonardo Silva auflaufen würde – schnell zu Ende gebracht. Zweitens kam der Serbe Miloš Degenek von seiner Leihe zurück, doch bei ihm war die Frage über die Zukunft schnell geklärt – der Innenverteidiger machte mir schon während der ersten Trainingseinheit klar, kein Interesse an einer Weiterarbeit hier zu haben. Schon bald kam so auch sein Transfer zustande, für eine halbe Million Euro wechselte er nach England zu Leeds United. Auch bei Leonardo Silva zeigte sich jedoch schnell, dass er noch einige Eingewöhnungszeit brauchen würde – zwar waren seine spielerischen Ansätze ohne Frage erstklassig, doch von der Physis her hatte er noch starke Probleme mit den anderen Spielern und wäre entsprechend während der Rückrunde nur Innenverteidiger Nr. 5 gewesen. So wurde der Brasilianer an den SV Sandhausen verliehen, wo nach dem Abgang von Tim Kister in Richtung Bielefeld Personalnot herrschte. Doch der Defensivspieler sollte nicht der einzige Abgang bleiben: Markus Vucinovic, der während der Hinrunde drei Spiele in der ersten Mannschaft absolvierte [1 Tor] und damit von allen aufgerückten 'Jugendspielern' derjenige mit den geringsten Einsatzzeiten blieb, wurde für mehr Spielzeit in die dritte Liga an die SG Sonnenhof Großaspach ausgeliehen. Wir 'verstärkten' uns auch noch einmal, auf Anraten von Dreizehn – der mit Leonardo Silva gemeinsam noch vor dem Jahreswechsel angereist war und direkt weiter arbeitete – verpflichteten wir aus der U17 der Würzburger Kickers Nachwuchstalent Marc Kroll. Der Stürmer hatte für die Kickers-Junioren in der abgelaufenen Hinrunde bei 14 Einsätzen 22 Treffer erzielt und darüber hinaus in der zweiten Mannschaft Würzburgs in der Landesliga debütiert.
Auch für die kommende Spielzeit rüsteten wir auf: Da der Abgang von Marnon Busch nach der Saison unvermeidlich war – Bremen hatte bereits vor der Saison klargestellt, ihn nach der Saison zurückholen zu wollen und auch ein Gespräch im Winter hatte daran nichts geändert – mussten wir für die Position einen neuen Spieler verpflichten. Den neuen Mann fanden wir in Kopenhagen in Form von Christoffer Remmer, seines Zeichens dänischer Nationalspieler und schon zu Hobro-Zeiten im erweiterten Blickfeld. Der 23jährige war ein Eigengewächs des FC Kopenhagen und nach über 30 Spielen für diverse Jugendnationalmannschaften in der vergangenen Hinrunde in der A-Nationalmannschaft debütiert, wo er sich direkt eine Rote Karte nach einem Handgemenge mit Rumäniens Stürmer Sorin Tătăruşanu eingehandelt hatte. Zudem verstärkten wir auch den Sturm zur neuen Spielzeit nochmal: Ebenfalls aus Kopenhagen wechselte Marvin Pourié zu uns. Der ehemalige Skandal-Teenie, der bei seiner ersten Gaststation in München alles andere als einen guten Eindruck hinterließ, war mittlerweile zu einem erwachsenen Spieler geworden – und einem mit Torjägerqualitäten. Nach den Abgängen von Jørgensen nach Mainz und Cornelius nach Leeds vor der Saison bekam der 25jährige das Vertrauen und zahlte es mehr als zurück – in der bisherigen Hinserie traf er 17 Mal. Damit hatten wir bereits vergleichsweise früh mit den Transferaktivitäten für diesen Winter abgeschlossen, doch eine Änderung strebte ich dennoch noch an: Dennis Mast schaffte bislang absolut nicht den Durchbruch und sollte verliehen werden – jedoch nur, wenn hochwertiger Ersatz kommen könnte. Die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich jedoch schwerer als erwartet: Bei Zlatko Tripić aus Fürth blitzten wir direkt ab, ebenso bei Frankfurts Marco Engels und dem Bochumer Onur Bulut. Lediglich ein Spielerberater zeigte Gesprächsinteresse – der Berater von Mats Møller Dæhli vereinbarte mit mir einen Termin in einem Konferenzraum in einem Münchener Hotelzimmer, was ich schon einmal für ein gutes Omen hielt.
Ab der kommenden Saison würde Christoffer Remmer uns verstärken
Ich trat in den Raum und sah mich um. Es war schön eingerichtet, altmodisch mit dunklem Holz und viel Leder. Langsam schritt ich den Tisch ab und fuhr mit meiner Hand über die Tischplatte, während ich auf mein Gegenüber wartete – ich war etwas zu früh, doch lange würde ich wohl nicht warten müssen. Ich warf mir eine Oxycodon ein und ging im Raum umher.
„Passen sie auf, das ist handgeöltes Teak.“ hörte ich eine bekannte Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um und nahm den Mann, der gerade hereinkam, in den Fokus. „Was denn? Sind sie jetzt Möbelverkäufer, Pinturicchio?“ fragte ich. „Kein Wunder, denn im Pokern sind sie echt –“
„Oh Nein.“ fiel er mir ins Wort. „Aber wenn wir beide Möbelverkäufer wären, würde ich mehr verkaufen.“ stellte er fest.
„Sicherlich, im Bullshit erzählen waren sie schon immer überzeugend.“ antwortete ich und konnte mir ein hämisches Grinsen nicht verkneifen.
„Oh, wenn sie das so sehen wollen, bitte. Aber ich bin nicht wegen Bullshit hier.“ meinte er.
„Nicht? Wie traurig.“ antwortete ich unverhohlen sarkastisch.
„Nein. Ich bin Nikolas Weinholz, Spielerberater bei SportsTotal. Wir vertreten –“
„Einspruch.“ unterbrach ich.
„Sind sie neuerdings Anwalt, oder was ist in sie gefahren?“ fragte der Mann amüsiert.
„Oh, das bin ich nicht. Ich will aber auch nicht gegen ihre Aussage Einspruch erheben, sondern gegen ihre Krawatte, deren Anblick ich ausgesetzt bin.“ antwortete ich spitz und sah mit angeekeltem Blick auf die Krawatte des Mannes.
„Oh, es tut mir schrecklich leid. Ich war gestern noch lange weg, die Krawatte hat ihre Frau heute morgen für mich rausgesucht.“ kam es zurück und der Spielerberater verzog süffisant das Gesicht. Ich atmete einmal tief durch, um nicht loszuwüten – was mir gelang.
„Touché.“ antwortete ich nur. „Dann war das also tatsächlich kein Bluff mit del Piero?“ fragte ich weiter.
„Wie sie sehen, war es das nicht.“ meinte der Berater selbstgefällig. „Jedenfalls.“ fuhr er fort. „Vertreten wir unter anderem Mats Møller Dæhli.“
„Ist der nicht bei Jim Solbakken unter Vertrag?“ fragte ich nach.
„Sie haben es wohl nicht mitbekommen. Wir wachsen. Wir haben ihn geschluckt und seine Mandanten sind fast alle bei uns. Unter anderem Mats.“ kam es zurück.
„Na dann meinen Glückwunsch. Vom Möbelverkäufer zum Spielerberater, die Karriereleiter steil bergauf. Was wollen sie?“ fragte ich entnervt – das Gespräch schien keinen guten Ausgang zu haben.
„Nun mal nicht so hastig, alles zu seiner Zeit.“ sagte er beruhigend und holte sich eine Zigarre aus der Innentasche seines Mantels. „Haben sie Feuer?“ fragte er.
„Stecken sie ich den Finger ins Auge, das brennt auch.“ meinte ich nur schnippisch.
„Oder stört es sie, wenn ich rauche?“ fragte er, während er seine Aktentasche nach einem Feuerzeug durchsuchte.
„Es stört mich nicht einmal, wenn sie brennen.“ gab ich zurück. „Also, können wir?“
„Na wie sie wollen.“ antwortete Herr Weinholz und steckte die Zigarre wieder weg.
„Also, wie sehen ihre Bedingungen aus? Mit dem SC sind wir uns soweit einig, wie sie sicher wissen.“ brachte ich es auf den Punkt.
„Wie niedlich.“ kam es nur zurück.
„Und ich nehme an ich soll jetzt fragen, was so niedlich daran ist?“ fragte ich und erntete ein Nicken. „Na dann – was ist so niedlich daran?“
„Es ist niedlich, dass sie denken, wir würden hier zu einer Einigung kommen.“ kam es zurück.
„Wie bitte?“
„Ich sagte doch, man sieht sich immer zweimal im Leben. Das erste Mal haben sie mich geleimt, und jetzt ich sie.“ erklärte sich der Spielerberater.
„Sie wissen, dass es gegen ihren Berufskodex verstößt, ein Angebot nicht an den Klienten weiterzuleiten?“ Fragte ich. „Das ist unethisch, selbst für einen Spielerberater.“
„Oh, das werde ich doch selbstverständlich tun.“ antwortete er und machte eine Unschuldsmine. „Ich werde ihm das Angebot schildern, er wird mich nach meiner Meinung fragen. Und die können sie sich sicherlich denken.“ erläuterte er und stand auf. „Es war mir eine Freude, mit ihnen zu verhandeln. Sie haben alleine hineingefunden, den Weg nach draußen schaffen sie sicherlich auch alleine.“ fügte er noch an.
Ich saß perplex da und sah ihn an – doch er lächelte meine Bedenken einfach weg und wandte sich zum gehen. „Ist das ihr Ernst?“ fragte ich eindringlich.
„Was? Oh, ja, ist es.“ antwortete er. „Bitte, machen sie jetzt keine Szene. Ich würde nur ungern den Sicherheitsdienst rufen.“ sagte er noch und machte Anstalten, zu gehen.
„Ihnen ist klar, was passiert, wenn ich öffentlich mache, was sie vorhaben?“ sagte ich und hob die Stimme.
„Nein, ist es nicht. Aber mir ist klar, dass sie das nicht tun werden.“ meinte er und drehte sich zu mir um.
„Wie bitte?“ fragte ich nach.
„Oh, das wissen sie ja gar nicht.“ antwortete er und griff in seine Aktentasche. „Ich habe hier ein Foto von ihnen unter der Woche in einem Szeneclub und ein anderes in einem Stripclub. Wenn ich das öffentlich mache, sind sie arg in der Kritik und wenn ich noch das veröffentliche, ist ihre Karriere bei 1860 vorbei.“ fügte er an und warf den beiden Fotos ein weiteres Dokument hinterher.
„Was ist das?“ fragte ich.
„Nur eine kleine Information über gewisse illegale Pokerspiele, die sie in ihrer Freizeit gerne mal machen.“ antwortete er und verließ den Raum. Ich blieb noch eine Weile sitzen, ehe ich ihm folgte – das war ja mal alles andere als gut gelaufen.
Mats Møller Dæhli würde nicht zu uns wechseln
Der geplatzte Transfer von Møller Dæhli war zwar ärgerlich, doch für den Moment nicht zu ändern – auch wenn die Erklärung gegenüber Lars und Emma eher schwierig wurde. Wir sahen uns zwar noch intensiv nach Alternativen um – gerade, da ein Angebot für Dennis Mast aus Bielefeld vorlag – doch so wirklich überzeugen konnte keiner der Alternativkandidaten. So gingen wir mit unverändertem Kader in die Rückrunde, wo schon einige Tage nach Transferschluss das erste Spiel anstand: Auswärts würde es gegen den FSV Frankfurt gehen.
Quellen Remmer, Møller Dæhli |
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